Flüchtlingskinder – Philologen fordern Sprachförderung, mehr Klassenräume, mehr Lehrkräfte

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BERLIN. Der Deutsche Philologenverband (DPhV) hat auf seiner Vertreterversammlung in Berlin einen Leitantrag zum Umgang mit geflüchteten Schülerinnen und Schülern verabschiedet. „Wir tun, was wir in der aktuellen Situation tun können, um den geflüchteten Schülerinnen und Schülern so viel wie möglich positive Normalität in einer Schule zu Corona-Zeiten geben zu können“, so heißt es darin. Die Politik ist aus Sicht der Gymnasiallehrkräfte allerdings auch gefordert.

„Für notwendige Angebote brauchen die Schulen zusätzliche Ressourcen“: Philologen-Chefin Susanne Lin-Klitzing. Foto: DphV

„Der DPhV heißt Kinder und Jugendliche, die in unseren Schulen Schutz und Bildung suchen, herzlich willkommen – das galt in der Vergangenheit und das gilt aktuell selbstverständlich auch für die Flüchtenden aus der Ukraine“, formuliert der Philologenverband. Er fordert die Landesregierungen und die Kommunen auf, „alles Notwendige zu unternehmen, um sowohl die erfolgreiche Integration der geflüchteten Kinder und Jugendlichen als auch den Erhalt der Unterrichtsqualität an den Schulen und zukünftig schulische Risikoprävention zu gewährleisten.“

Heißt konkret:

  • „Ein flexibles Reagieren auf unterschiedliche Bedarfe ist erforderlich. So soll einerseits Unterstützung gewährt werden, dass die Schülerinnen und Schüler ukrainische Abschlüsse erwerben können. Andererseits soll eine Integration über das Lernen der deutschen Sprache, eine Integration in das deutsche Schulwesen und eine Hinführung zu Schulabschlüssen ermöglicht werden.
  • Bei Aufnahme an den Schulen sollten die geflüchteten Schülerinnen und Schüler mit ihren Eltern aufgefordert werden, sich registrieren zu lassen, um so eine gewisse Planungssicherheit hinsichtlich erforderlicher Räumlichkeiten und Personal zu haben. Auch ist eine Registrierung nötig, um Sozialleistungen zu erhalten.
  • Die Länder schaffen personelle und materielle Rahmenbedingungen, um jedem Kind, das nach Deutschland kommt, innerhalb einer Woche die Teilnahme an Kursen zum Erwerb der deutschen Sprache zu garantieren.
  • Für Schülerinnen und Schüler ohne jegliche Deutschkenntnisse müssen rasch Vorbereitungsklassen eingerichtet oder aufgestockt werden.
  • Nach dem erfolgreichen Abschluss des Sprachkurses muss überprüft werden, welche Schulform für das Kind geeignet ist.
  • Soweit möglich sind die betroffenen Schülerinnen und Schüler in Regelklassen zu integrieren. Schülerpaten können hier eine Hilfe darstellen.
  • Die Kultusbehörden werden aufgefordert, umgehend digitale Schulbücher für den Unterricht anzubieten, damit reibungsarme Übergänge in den Bildungsbereich ermöglicht werden.
  • Pädagogisches Personal und ukrainische Lehrkräfte sollten entsprechend geprüfter Qualitätsstandards übergangsweise in Förderprogrammen und im Unterricht der geflohenen Kinder eingesetzt werden.
  • Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Sozialarbeiter und Schulpsychologen muss den neuen Erfordernissen angepasst werden, da viele Kinder und Jugendliche durch die Kriegshandlungen und Flucht traumatisiert sind.
  • Funktionsstellen für Integrationskoordinatoren (A 15/A 14 bzw. E 15/E14) sind einzurichten, um die einzelnen Schulen bei Fragen der Integration zu beraten und zu unterstützen.
  • Um die Kinder bestmöglich zu fördern und zu fordern, ist eine Verringerung der Klassen- und Kursfrequenzen in Lerngruppenmit aus den Krisenregionen geflüchteten Kindern und Jugendlichen dringend geboten.
  • Zum Erlernen der deutschen Sprache und Sicherung der fachlichen Grundlagen für den Besuch eines Gymnasiums benötigen die Mädchen und Jungen intensive Betreuung. Der Deutsche Philologenverband fordert eine qualifizierte Sprachförderung im Hinblick auf Deutsch als Zweit- und Bildungssprache, damit die Kinder und Jugendlichen die Anforderungen in allen Fächern erfolgreich bewältigen können.
  • Die Schulträger haben die Aufgabe, zusätzliche Unterrichts- und Fachräume bereitzustellen. Für die geflüchteten Kinder und Jugendlichen werden Arbeitsräume zur Betreuung, für individuellen zusätzlichen Sprachunterricht in Deutsch, aber auch in ihrer Muttersprache und zur Anfertigung von Hausaufgaben benötigt.
  • Es bedarf Schuleingangsuntersuchungen und entsprechende Impf-Angebote zum Impfstatus der geflüchteten Kinder und Jugendlichen (Corona, Masern, TBC…).
  • Für die Beschulung sind zusätzliche Lehrkräfte einzustellen. Insgesamt ist mit weiter steigenden Schülerzahlen zu rechnen, auch an den Gymnasien. Deshalb müssen (ggf. über einen Nachtragshaushalt) rasch weitere Stellen für die laufenden Einstellungsverfahren geschaffen werden.“

Es könne nicht sein, dass die ohnehin vorhandenen Lücken der Lehrerversorgung jetzt noch weiter aufgerissen werden. Die Philologen fordern: „Für notwendige Angebote brauchen die Schulen zusätzliche Ressourcen – seien es Anrechnungsstunden für diejenigen, die Angebote organisieren, seien es zusätzliche Einstellungsmöglichkeiten.“ News4teachers

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9 Kommentare
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Fresse
1 Jahr zuvor

Wie schön, dass die Philologen für sich die Belastung sehen und fordern, während andere die eigentliche Arbeit machen!

An unserem Gymnasium vor Ort sind momentan 3 Ukrainer, an unserer Gemeinschaftsschule 46- plus der anderen ohne (jegliche oder rudimentäre) Deutschkenntnisse. Außer ein paar Stunden mit Studis gibt es keine weiteren personellen Ressourcen, der Schulträger verweigert, die Schulbücher zu zahlen „für die kurze Zeit“.
Aber die Gymnasialen haben das Lobbying immer schon vortrefflich verstanden.

marc
1 Jahr zuvor
Antwortet  Fresse

Ist ja völlig legitim als Gewerkschaft für die Interessen seiner Mitglieder einzutreten. In der Realität sind die Gymnasien natürlich mal wieder privilegiert wenn es um die Verteilung der Flüchtlingskinder geht. Die Grundschulen und die SEK1 werden hier deutlich stärker belastet.

Johannes
1 Jahr zuvor
Antwortet  marc

Um die Frage der Legitimität ging es im Kommentar nicht.

15:34
1 Jahr zuvor
Antwortet  Fresse

Gewerkschaftsarbeit nennt man das auch. Warum nicht viel mehr LuL einem Interessenverband ihres Geschmacks beitreten, erschließt sich mir nicht.

nurmalso
1 Jahr zuvor

Hört sich alles sehr schön an. Nur: Die Schüler*innen sind schon da und täglich kommen neue… Woher kommen im gleichen Tempo die neuen Räume und neuen Lehrkräfte? Und wie verringern wir so schnell die Frequenzen in den Klassen, in denen diese Kinder sind, das heißt : in den meisten Klassen?
Weitere Fragen: „Zum Erlernen der deutschen Sprache und Sicherung der fachlichen Grundlagen für den Besuch eines Gymnasiums benötigen die Mädchen und Jungen intensive Betreuung.“ Bei uns an der Gesamtschule dann nicht so unbedingt?
„Nach dem erfolgreichen Abschluss des Sprachkurses muss überprüft werden, welche Schulform für das Kind geeignet ist.“ Wann bitte ist denn der Sprachkurs „abgeschlossen“?
Um Deutsch als Bildungssprache so zu beherrschen wie einheimische Schüler*innen braucht es ca. sieben Jahre… DaZ heißt nicht „Sprachkurs“ sondern Verzahnung mit dem Regelunterricht, wo immer das geht.

Zusammenfassung der langen Forderungsliste in meinen Augen: Wir möchten lieber nicht.

Palim
1 Jahr zuvor
Antwortet  nurmalso

„Wir möchten lieber nicht“ bedeutet dann aber auch:
Das können die anderen Schulen übernehmen, für die wir (Philologen) uns nicht zuständig fühlen (trotz GymGesa-Studium)…

… und die anderen Schulen erhalten auch keine Ressourcen, sondern eher noch Abwertung durch die Philologen, z.B. angeblich geringe Leistung und kein A13 notwendig trotz gleichwertiger Ausbildung.
Bis dann die vorhandenen Philologen vom Gym an die Grund- und SekI-Schulen abgeordnet werden. Dann stellt der Philologenverband wieder Forderungen auf, die das Land abnickt (siehe NDS) und auch da heißt es: Wir können nicht, dass muss zu Lasten der anderen Lehrkräfte verteilt werden.

Die zu uns abgeordneten Gymnasiallehrkräfte waren übrigens nicht so, sie haben sich mit viel Einsatz eingebracht, uns die Notlage erleichtert und durchaus die Notwendigkeit gesehen, alle Schulen besser auszustatten, das hilft am Ende auch allen Schulen.

laromir
1 Jahr zuvor
Antwortet  Palim

Das scheint wohl in jedem Bundesland anders zu sein. Hier im Umkreis sollen alle Schulen Kinder aufnehmen, auch die Gymnasien.

Gabriele
1 Jahr zuvor

Forderung ist teilweise doch wirklich eine „Olle Kamelle“!

LehrerInnen kann man nicht einfach „herzaubern“!

Da muss die Bildungspolitik doch von langer Hand vorher planen, entsprechende Anreize schaffen, Weichen zielführend stellen und Rahmenbedingungen entscheidend verändern!

Realist
1 Jahr zuvor

Was irgendwelche Verbände „fordern“ interessiert die Politik doch nicht. Solange die Schafe an der Basis ihre Arbeit machen, lass sie doch „fordern“ was sie wollen…