Schutz vulnerabler Menschen geht vor: Karlsruhe bestätigt Masern-Impfpflicht für Kinder

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KARLSRUHE. Alle reden über Corona – dabei ist es auch bei anderen Krankheiten wichtig, dass möglichst viele geimpft sind. Bei den Masern macht der Staat Eltern seit 2020 mehr Druck: ohne Nachweis keine Kita-Betreuung. Für ungeimpfte Schülerinnen und Schüler drohen Bußgelder. Das ist zumutbar, entscheidet jetzt Karlsruhe. Bundesgesundheitsminister Lauterbach begrüßt das Urteil.

Karlsruhe hat geurteilt. Foto: Shutterstock

Die vor rund zweieinhalb Jahren eingeführte Masern-Impfpflicht unter anderem für Kita-Kinder bleibt in Kraft. Das Bundesverfassungsgericht wies mehrere Klagen betroffener Familien zurück, wie die Karlsruher Richterinnen und Richter am Donnerstag mitteilten. Die Grundrechtseingriffe seien nicht unerheblich, aber derzeit zumutbar. «Ohne Verstoß gegen Verfassungsrecht hat der Gesetzgeber dem Schutz durch eine Maserninfektion gefährdeter Menschen den Vorrang vor den Interessen der beschwerdeführenden Kinder und Eltern eingeräumt.» (Az. 1 BvR 469/20 u.a.)

«Wer in Kitas und Schulen betreut oder unterrichtet wird und wer dort arbeitet, muss nachweislich vor einer Maserninfektion geschützt sein»

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bezeichnete die Bestätigung der Masern-Impfpflicht durch das Bundesverfassungsgericht als «gute Nachricht für Eltern und Kinder». «Eine Masernerkrankung ist lebensgefährlich – für die Erkrankten und ihr Umfeld», teilte der SPD-Politiker am Donnerstag in Berlin mit. Es sei deshalb Aufgabe des Staates, Infektionen in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kitas oder Schulen zu vermeiden. «Wer dort betreut oder unterrichtet wird und wer dort arbeitet, muss nachweislich vor einer Maserninfektion geschützt sein. Und für alle anderen ist die Masernimpfung ein Gebot der Vernunft.»

Die Impfpflicht soll dazu beitragen, die Masern eines Tages ganz auszurotten. Experten gehen davon aus, dass das hochansteckende Virus erst dann keine Chance mehr hat, wenn flächendeckend mindestens 95 Prozent der Bevölkerung geimpft sind. Das ist noch nicht erreicht.

Im Fokus stehen vor allem Gemeinschaftseinrichtungen wie Kitas und Schulen. Seit 1. März 2020 dürfen Kitas Kinder ab einem Jahr nur noch aufnehmen, wenn sie geimpft sind oder schon die Masern hatten. Bei Tagesmüttern gelten dieselben Regeln. Eltern bereits betreuter Kinder hatten bis 31. Juli 2022 Zeit, den Nachweis vorzulegen. Von der Schule wird wegen der Schulpflicht zwar kein Kind ausgeschlossen. Den Eltern drohen aber Bußgelder von bis zu 2.500 Euro.

Die vier Elternpaare mit ungeimpftem Kleinkind hatten geklagt, weil sie darin einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und ihr Erziehungsrecht sehen.

Eine möglichst hohe Impfquote schützt auch Menschen, die nicht geimpft werden können, wie Säuglinge oder Schwangere

Experten warnen vor dem Trugschluss, die Masern seien nur eine harmlose Kinderkrankheit. Es kann zu Komplikationen kommen, und das Immunsystem bleibt für längere Zeit geschwächt. Eine seltene Spätfolge ist eine Gehirnentzündung, die fast immer tödlich endet. Eine möglichst hohe Impfquote schützt auch Menschen, die nicht geimpft werden können, wie Säuglinge oder Schwangere.

Die Impfpflicht gilt auch noch in anderen Einrichtungen, in denen viele Menschen zusammenkommen, etwa in Flüchtlingsunterkünften. Umfasst sind auch die Beschäftigten, also zum Beispiel Lehrerinnen und Erzieher. Das Personal in Krankenhäusern oder Arztpraxen muss ebenfalls gegen die Masern geimpft oder immun sein.

Ausgenommen sind alle, die vor 1971 geboren sind. Bei den Älteren geht man davon aus, dass sie höchstwahrscheinlich sowieso einmal die Masern hatten. Denn die Impfung wird in der Bundesrepublik erst seit 1974 empfohlen. In der DDR war sie seit 1970 für Kinder Pflicht.

Seit März gibt es in Deutschland außerdem eine Corona-Impfpflicht für Gesundheits- und Pflegepersonal. Diese hatte das Verfassungsgericht noch im Frühjahr überprüft und ebenfalls gebilligt. News4teachers / mit Material der dpa

Ministerium: Masern-Impfpflicht betrifft Hälfte der Lehrerschaft und zwei Drittel des Kita-Personals

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6 Kommentare
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Ron
1 Jahr zuvor

Was hier nicht gesagt wird ist die Tatsache, dass es den Impfstoff in Deutschland nur als 4-fach-Impfstoff gibt. Auch dies weiß das Bundesverfassungsgericht und winkt diese Koppelung ausdrücklich durch. Damit wird die Impfpflicht zu einer indirekten Impfpflicht für gleich 4 verschiedene Impfungen.

TaMu
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Eine Familie, die ihr Kind bei mir hatte, hat den Einzel-Impfstoff selbst über eine Apotheke gegenüber der Kinderarztpraxis bestellt und diesen hat der Arzt frisch und gut gekühlt geimpft.

Streamer01
1 Jahr zuvor

Glaube ich nicht, da das BVerfG inzwischen ein rein politisch agierendes Gericht ist.

DerechteNorden
1 Jahr zuvor
Antwortet  Streamer01

Schulpflicht geht vor. Das wurde doch bereits verkündet. Es wird hohe Bußgelder geben.

mama51
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Gerade habe ich einen aktuellen Fall in Klasse 4 (neu aus Amerika zugezogen). Das Kind hat keine Masernimpfung und unserem Gesundheitsamt ist das irgendwie sch…egal! Meine SL schreibt sich die Finger wund: SSA, Gesundheitsamt, Untergebene von dort, Chef von dort, …es interessiert keinen!
Ich bin gespannt, wann und ob es dazu mal Konsequenzen geben wird.

Ragnar Danneskjoeld
1 Jahr zuvor
Antwortet  mama51

Ich habe auch so einen Fall. Allerdings 9. Klasse und in deutschen Landen geboren. Mal sehen, was passiert.