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KMK-Präsidentin sagt noch zehn Jahre Lehrermangel voraus („mindestens“) – GEW: Studium verbessern!

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BERLIN. Die neue Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Astrid-Sabine Busse (SPD), rechnet damit, dass Deutschland noch lange mit dem Problem des Lehrkräftemangels zu kämpfen haben wird. «Ich denke wir werden noch mindestens zehn Jahre damit zu tun haben», sagte die SPD-Politikerin und Berliner Bildungssenatorin.  Die GEW ruft Busse dazu auf, bei den Anstrengungen zur Behebung des Lehrkräftemangels die Bedingungen des Lehramtsstudiums stärker in den Blick zu nehmen.

„Prognosen sind schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen“, so lautet ein Bonmot. Das gilt wohl auch für die KMK, die sich vom Lehrkräftemangel hat überraschen lassen. Foto: Shutterstock

Es gebe kein Berufsfeld, wo man nicht einen Fachkräftemangel habe. Es handele sich um ein demografisches Problem, sagte Busse, die zum Jahreswechsel turnusgemäß die Präsidentschaft der KMK übernommen hatte. Sie erklärte das mit gesunkenen Geburtenzahlen in bestimmten Jahren – nach der Jahrtausendwende kam es zu einem deutlichen Rückgang – und damit, dass frühere geburtenstarke Jahrgänge nun langsam in den Ruhestand gingen. «Dadurch ergeben sich große Lücken.» Zuvor hatte Busse im Interview mit dem Informationsdienst «Bildung.Table» gesagt, in zehn Jahren sei die Talsohle durchschritten und es gehe wieder aufwärts.

Aktuell steigt der Bedarf an Lehrkräften weiter an. Es werden nach einem Tiefpunkt vor etwa zehn Jahren wieder mehr Kinder geboren, dazu kommen Schülerinnen und Schüler durch Zuwanderung. Aber bis sich das Mehr an heutigen Schülern in wieder mehr Fachkräften niederschlägt, «das dauert», sagte Busse. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission, ein bei der KMK angesiedeltes Beratergremium aus 16 Bildungsforschern, arbeitet derzeit außerdem an Empfehlungen für eine Verbesserung der Lehrkräfte-Situation. Diese sollen in diesem Jahr vorgelegt werden (News4teachers berichtete).

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Die GEW nimmt unterdessen die Bedingungen des Lehramtsstudiums kritisch in den Blick. Beispiel Berlin: Die bisherige Zielzahl von 2.000 Absolvent*innen mit dem Master of Education reicht nach Angaben der Gewerkschaft nicht aus, um den prognostizierten Bedarf an Lehrkräften abzudecken. Aktuell stehen nur rund 1.000 voll ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung. Rund 60 Prozent der neu eingestellten Lehrkräfte haben keine oder keine vollständige Lehramtsausbildung. „Berlin braucht jährlich 3.000 Lehramtsabsolvent*innen“, betonte die Vorsitzende der Berliner GEW, Martina Regulin. „Damit dies gelingt, müssen die Berliner Universitäten für die Lehrkräftebildung besser ausgestattet werden. Die jetzt anstehenden Verhandlungen über die neuen Hochschulverträge müssen den Rahmen dafür schaffen“.

„Lehramtsstudierende brauchen auch in den fachwissenschaftlichen Grundlagen einen besonderen Fokus auf die spätere Vermittlung der Inhalte“

In der aktuellen Debatte um den Lehrkräftemangel werden nach Auffassung der Gewerkschaft wesentliche Aspekte außer Acht gelassen. Die GEW schlägt Bildungssenatorin Busse für Berlin folgende Maßnahmen vor, um die Anzahl der Lehramtsabsolvierenden zu erhöhen:

Dringend notwendig sei eine Ausbildungsoffensive für die Lehrkräftebildung, die durch eine Taskforce aller Beteiligten gesteuert und engmaschig begleitet wird. „Dazu müssen neben den beiden Senatsverwaltungen für Bildung und Wissenschaft und den Hochschulleitungen unbedingt auch Vertreter*innen der Studierenden und Lehramtsanwärter*innen, der sog. zweiten und dritten Phase (Vorbereitungsdienst und Weiterbildung) sowie der zuständigen Gewerkschaft einbezogen werden.“

Wichtiges Ziel müsse sein, die hohe Schwundquote im Bachelorstudium zu verringern, um am Ende deutlich mehr Absolventinnen und Absolventen mit dem Master of Education zu erreichen. „Sinnvoll wäre ein Abschluss-Mentoring oder ein Beratungsangebot, wenn Studierende durch eine Modulprüfung gefallen sind. Eine enorme Unterstützung könnte ein Abschlussstipendium für die letzten ein oder zwei Semester sein, damit die Studierenden sich auf den Abschluss konzentrieren können.“

Generell bestehe das Problem, dass es im lehramtsbezogenen Bachelorstudium keine ausgeprägte Lehramtsidentität gebe und die Gruppe der Studierenden mit dem Abschlussziel Lehramt in den Fächern mehr oder weniger „untergeht“. „Das Augenmerk der Universitäten muss stärker auf die Lehramtsstudiengänge gelenkt werden. Lehramtsstudierende brauchen auch in den fachwissenschaftlichen Grundlagen einen besonderen Fokus auf die spätere Vermittlung der Inhalte“, so heißt es.

Weiter meint die Gewerkschaft: „Ein erhebliches Problem ist die Finanzierung des Lebensunterhalts während des Praxissemesters, weil in dieser Zeit kaum eine studienbegleitende Erwerbstätigkeit möglich ist. Dafür braucht es dringend Lösungen, z. B. in Form eines Stipendienprogramms. Um mehr Absolvent*innen für das anschließende Referendariat in Berlin zu binden und aus anderen Bundesländern zu gewinnen, sind gezielte Maßnahmen des Landes Berlin zur Unterstützung bei der Wohnungssuche und der Kinderbetreuung sinnvoll und hilfreich. Darüber hinaus sollte Berlin einen Sonderzuschlag zu den Referendariatsbezügen von 500 Euro pro Monat einführen.“

„Damit bleibt kaum Zeit für eine kontinuierliche und intensive Betreuung der Studierenden – auch während des Praxissemesters”

Für eine bessere Betreuung der Lehramtsabsolvierenden brauche es eine dauerhafte hauptberufliche Personalausstattung. Besonders kritisch sei, dass beim hauptberuflichen wissenschaftlichen Personal der Aufwuchs in der Lehrkräftebildung neben Professuren fast ausschließlich durch Personal mit einer sehr hohen Lehrverpflichtung (sogenannte Hochdeputatsstellen) erfolge. „Damit bleibt kaum Zeit für eine kontinuierliche und intensive Betreuung der Studierenden – auch während des Praxissemesters. In den Hochschulverträgen ab 2024 muss der Ausbau der Lehrkräftebildung finanziell und dauerhaft abgesichert werden. Neben der verbesserten Personalausstattung sind weitere Investitionen zur Verbesserung der Raumsituation dringend notwendig.“

Die in allen Universitäten eingerichteten Q-Master-Studiengänge of Education müssten weiter ausgebaut werden. Das Grundproblem sei die Finanzierung. Es ist dringend notwendig, dass der Berliner Senat Lehrkräfte im Q-Masterstudium durch die Gewährung von Anrechnungsstunden unterstützte und damit auch für andere Lehrkräfte ohne volle Lehrbefähigung Anreize zur Aufnahme eines Q-Masters schaffe. „Gleiches muss für Lehrkräfte mit internationalen Lehramtsabschlüssen gelten, die im Anerkennungsverfahren ergänzende Studienleistungen erwerben müssen.“

Mit den Verhandlungen der neuen Hochschulverträge sei jetzt die Zeit, Verbesserungen anzugehen. In den neuen Hochschulverträgen ab 2024 müsse die Zahl der Studienplätze erhöht werden – mit den entsprechenden personellen und räumlichen Kapazitäten. Angesichts der in der neuen Bevölkerungsprognose von September 2022 nach oben korrigierten Entwicklung der Zahl der Schülerinnen und Schüler müsse auch die Lehrkräftebedarfsprognose so schnell wie möglich aktualisiert werden, um noch Eingang in die Hochschulvertragsverhandlungen nehmen zu können. News4teachers / mit Material der dpa

Warum die Hochschulverträge für die Bekämpfung des Lehkräftemangels so wichtig sind: Die Inititiative „Schule muss anders“ und die GEW Berlin laden am 24. Januar um 18 Uhr gemeinsam zu einem öffentlichen Town-Hall-Meeting mit den wissenschaftspolitischen Sprecherinnen und Sprechern von SPD, Grünen  und Linken sowie der Staatssekretärin für Wissenschaft und dem Staatssekretär für Bildung. Außerdem zugesagt hat der Vizepräsident für Lehre und Studium der Humboldt Universität. Mehr Infos gibt es hier.

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