Werden die Lehrerkollegien künftig internationaler? Bundesland senkt die Hürden für ausländische Abschlüsse

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BERLIN. Um die Fachkräftegewinnung an den Schulen voranzutreiben, setzt Berlin auch auf Lehrkräfte aus anderen Ländern. Hierin liegt durchaus Potenzial: Fast 900 ausländische Lehrkräfte gehen deutschen Schulen pro Jahr verloren, weil die Hürden für eine Anerkennung ihrer Abschlüsse zu hoch sind. Das hatte die GEW in einer Studie ermitteln lassen.

Werden Lehrkräfte-Teams künftig internationaler? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

„Jahr für Jahr könnten bundesweit nach unseren Schätzungen bis zu 1.375 migrierte Lehrkräfte eine volle Lehramtsbefähigung erhalten. Das Potenzial zur Unterrichtsversorgung ist noch größer. Trotz des dramatischen Lehrkräftemangels wird jedoch tausenden zugewanderten Lehrerinnen und Lehrern der Weg an die Schulen verbaut. Die Länder sollten diese Ressourcen nicht länger verschleudern, sondern wertschätzen und als zusätzliche Chance für die Schulen, für die Kinder, für mehr Vielfalt im öffentlichen Dienst nutzen“, sagte GEW-Vorsitzende Maike Finnern während der Vorstellung der Studie „Verschenkte Chancen?!“ zur Anerkennungs- und Beschäftigungspraxis migrierter Lehrkräfte in Deutschland in einer Pressekonferenz im September 2021 (News4teachers berichtete).

„Die Reform des Berufsanerkennungsverfahrens für internationale Lehrkräfte ist ein wichtiger Beitrag zur Gewinnung neuer Lehrkräfte“

Um dieses Potenzial auszuschöpfen und migrierten Lehrkräften adäquate Beschäftigungsperspektiven zu bieten, sei es dringend notwendig, die Anerkennungsverfahren sachgerechter und transparenter zu gestalten, Zugänge zu erforderlichen Nachqualifizierungen zu erleichtern und zielgruppenspezifische Angebote auszubauen. Genau dies soll nun geschehen – in der Bundeshauptstadt jedenfalls. „Die Reform des Berufsanerkennungsverfahrens für internationale Lehrkräfte ist ein wichtiger Beitrag zur Gewinnung neuer Lehrkräfte für Berlin“, meint nun die Berliner Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD). „Gut geschulten internationalen Lehrkräften ist es nun wesentlich schneller möglich, den Berufseinstieg in Berlin zu vollziehen.“

Hintergrund: Mit dem zum Start ins neue Jahr in Kraft getretenen reformierten Berufsanerkennungsverfahren erhalten internationale Lehrkräfte erleichterte Berufseinstiegsmöglichkeiten für eine Lehrtätigkeit in Berlin. Die Bildungsverwaltung setzt damit ein Ziel des Berliner Koalitionsvertrags um, nach dem für Lehrkräfte, die ihren Berufsabschluss im Ausland erworben und dort nur ein Fach der Berliner Schule studiert haben, die Möglichkeit geschaffen werden soll, sich berufsbegleitend weiter zu qualifizieren. Bei der Weiterentwicklung des Anerkennungsverfahren für im Ausland erworbene Bildungsabschlüsse geht es vor allem um die erleichterte Anerkennung von Berufserfahrung, begleitende Sprachkurse im Anpassungslehrgang sowie um eine Vereinfachung des Verfahrens für in Berlin Schutzsuchende aus der Ukraine.

Während Berufserfahrung bisher nur anerkennungsfähig war, wenn sie bereits vor Antragstellung vorlag und vorzugsweise im Ausland ausgeübt wurde, ist es jetzt möglich, Zusatzausbildung und Berufstätigkeit miteinander zu verbinden und damit gleichzeitig die fachlichen und die berufspraktischen Ausbildungsunterschiede zu einem Berliner Lehramt auszugleichen. Die Möglichkeit, einen Anpassungslehrgang zu durchlaufen oder eine Eignungsprüfung abzulegen, bleibt aber als alternativer Weg bestehen. Durch diese Änderung wird internationalen Lehrkräften trotz vorhandener Ausbildungsunterschiede ein frühzeitiger Berufseinstieg und ein berufsbegleitender Erwerb zusätzlicher Studienleistungen ermöglicht.

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Bei den Sprachkursen wurde ergänzend zur bisherigen Anpassungsqualifizierung ein neues Angebot geschaffen. Ab sofort ist es möglich, es nun möglich, die für die Berufsausübung erforderlichen Sprachkenntnisse als Teil des schulpraktischen Anpassungslehrgangs im Rahmen eines schulbezogenen Sprachkurses in einem vorgezogenen Halbjahr zu erwerben.

Als weiteren Baustein des reformierten Berufsanerkennungsverfahren ist laut Verwaltung die Einführung des vereinfachten Verfahrens für Schutzsuchende aus der Ukraine hervorzuheben. Hier habe Berlin neue Wege im Anerkennungsverfahren eingeschlagen, um für dringend schutzbedürftige Personen Verfahrenserleichterungen zu ermöglichen. Auch nach dem Ende des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine soll an diesem Verfahren beibehalten und für alle Personen mit einem besonderen Schutzstatus offengehalten werden.

Bislang gelingt jährlich nur etwa 500 Lehrkräften mit ausländischen Abschlüssen die volle Anerkennung für das Lehramt

Die Zahlen sprächen für sich – befand GEW-Chefin Finnern. So wurden von 2016 bis 2018 mindestens 12.000 Menschen beraten, die ihre im Ausland erworbenen Qualifikationen für den Lehrkräfteberuf anerkennen lassen wollten. Im gleichen Zeitraum wurden 7.365 Erstanträge auf Anerkennung registriert. Bei 11 Prozent wurde im jährlichen Durchschnitt die volle Gleichwertigkeit mit einem in Deutschland erworbenen Abschluss festgestellt, 17 Prozent erhielten ablehnende Bescheide und 68 Prozent sollten eine Ausgleichsmaßnahme beginnen.

Bislang gelingt jährlich nur etwa 500 Lehrkräften mit ausländischen Abschlüssen – entweder unmittelbar oder über eine erfolgreich absolvierte Ausgleichsmaßnahme – die volle Anerkennung für das Lehramt. Das sind lediglich 20 Prozent derjenigen, die einen Antrag auf Anerkennung stellen. News4teachers

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16 Kommentare
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Iri-Hor
1 Jahr zuvor

Die Absenkung der Hürden ist zu begrüßen. Oftmals ist die einzige Hürde, dass ausländische Lehrkräfte nur 1 Fach studiert haben oder in ihrer Lehrerausbildung kein Referendariat hatten (weil die Praktika ins Studium integriert waren). Also 2 Hürden. 🙂

Mit der Gewinnung dieser Lehrkäfte lassen sich dann andere „Blütenträume“ vielleicht doch verwirklichen. Z.B. die 25 Wochenstunden für alle Lehrämter gleich. Das finde ich eine super Idee. (letztens hier gelesen)

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Iri-Hor

Außerdem gibt es dann mehr Vielfalt bei den pädagogischen Methoden. In etlichen Heimatländern lassen sich Lehrer nicht so viele Unverschämtheiten bieten wie in Deutschland, etwa Beschimpfungen von Lehrerinnen.

Streamer01
1 Jahr zuvor

Da in Berlin immer alles super funktioniert, insbesondere das vorbildliche Bildungssystem, ist dieser Idee natürlich vollumfänglich zuzustimmen.

Ich bin sogar noch innovativer und fordere, dass in Zukunft gar keine Zeugnisse (oder gar Sprachkenntnisse) nachgewiesen werden sollten, weil 1. sowieso jeder Lehrer kann und 2. Abschlüsse eh voll Nazi sind.

Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.

lehrer002
1 Jahr zuvor
Antwortet  Streamer01

Es ist ein Unterschied, ob ich einen qualifizierten französischen Mathematiklehrer einstelle, der Mathe und Bildungswissenschaften studiert hat und entsprechende Schulpraxis hat, oder einen x-beliebigen Quereinsteiger. In vielen Ländern gibt es für die Primarstufe nunmal ein stärker überfachlich ausgerichtetes Studium und für die Sekundarstufe wird nur ein Unterrichtsfach studierrt, das aber intensiver als es Gymnasiallehrer in Deutschland tun.

Der Schritt der erleichterten Anerkennung ausländischer Lehramtsstudien ist daher überfällig. Wichtig ist natürlich, dass dennoch die Sprachkenntnisse nachgewiesen werden.

Bernd
1 Jahr zuvor
Antwortet  Streamer01

Vor allem ist, wer so etwas schreibt, nicht für den Schuldienst geeignet.

Unfassbar
1 Jahr zuvor
Antwortet  Streamer01

Was ist das denn für ein negativer und unqualifizierter Kommentar? Wie frustriert muss man sein, um so etwas hier zu schreiben. Kann man für die Kids nur hoffen, dass sie kein Lehrer sind.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Unfassbar

Die Spezis der Redaktion dürfen hier mal wieder andere Teilnehmer an der Diskussion mobben.

Vierblättriges Kleeblatt
1 Jahr zuvor
Antwortet  Streamer01

Ich verstehe gar nicht, was Sie meckern. Diese Lehrer haben eine Lehrerausbildung in ihrem Heimatland abgeschlossen. Machen andere Länder das alles schlecht, weil sie es nicht so machen wie in Deutschland? (Warum steht dann eigentlich die deutsche Lehrerausbildung ständig in der Kritik? Stichwort „Didaktik der Verwahrlosung“ an den Grundschulen???)

Das Hauptproblem dürften die Deutschkenntnisse sein. Na und? Sprechen doch eh alle lieber Englisch in Deutschland als Deutsch. Die Lehrer vorneweg. Aber Spaß beiseite, dass man ausländische Lehrer nichtdeutscher Muttersprache nicht zuvörderst im Deutschunterricht einsetzt, ist doch klar.

Es gibt noch allerhand andere Fächer.

Georg
1 Jahr zuvor

Relevant dürften solche Lehrer ohnehin nur für Mangelfächer sein, wozu Deutsch nicht gehört.

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  Streamer01

Bin dabei. Abschlüsse, das ist doch ein koloniales Konstrukt zur Exklusion von anderen Wissensformen.
Ich bin auf die Ergebnisse des Experimentes gespannt und befürworte die Ausdehnung auf alle BL.

Randnotiz:
Nach den Weihnachtsferien hat ein syrischer Mathematiklehrer und ein syrischer Quereinsteiger (beide engagiert, fachlich gut, fleissig, gutes Deutsch) bei uns den Schuldienst verlassen – sie waren halt nicht mehr da.
Nach viel Rumgedruckse die AKO so:“Andere Umstände in deutschen Schulen“, blah blah.
Wo sie jetzt sind?
Den social-media-Fotos nach zu urteilen gut gelaunt in einem großen örtlichen Tech-Betrieb.

Ragnar Danneskjoeld
1 Jahr zuvor

Ja, wir hatten mal eine spanische Kollegin mit spanischem Lehrerdiplom.
War ’ne Katastrophe.

Vierblättriges Kleeblatt
1 Jahr zuvor

Wir hatten mal einen deutschen Lehrer mit deutscher Lehrerausbildung. War auch ’ne Katastorphe. (dieser eine)

Ron
1 Jahr zuvor

Gerne dürfen die Kollegien bunter werden. Ich bin jedoch skeptisch, wenn dafür wie bei den Quereinsteigern die Anforderungen im Bereich der Vorqualifikation gesenkt werden. Dadurch ruinieren wir nach den Schulen und der Bildung letztendlich auch noch das Berufsbild des Lehrers. Wer soll noch ein reguläres Lehramtsstudium durchlaufen, wenn er über ein Schmalspurstudium den Seiteneinstieg zu gleichen Konditionen schafft?

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Hier könnte man fragen, ob angesichts der parteiübergreifenden WAHREN Ziele der Schulpolitik (sparen und Geld freimachen, Schüler möglichst viele Zeitstunden betreuen, möglichst viele gute Noten erzwingen) denn so ein klassisch-bürgerlich geprägter „Bildungslehrer“ ***überhaupt noch gewollt*** ist.

Ich habe übrigens mit meinen guten Vorsätzen ( Unterricht verwässern und Emotionalisierung, aktuellen Agitprop einbinden, alles schön lax machen) für das neue Jahr angefangen bzw. das aus der Zeit vor den Ferien verstärkt.

Gleich kam ne Vorgesetzte an und erzählte mir, dass bei ihr wiederum „einige Eltern und Schüler“ meinen „total tollen“ Unterricht gelobt hätten…das passt gut zu meinen Beförderungsabsichten….und he, es ist 2023, sei kein kolonialer teacher, dude-bro!

Für mich ist das vergnüglich und es ist echt cool, für das Faulsein nach drei Wochen mehr Lob zu kassieren als für echten Unterricht und harte Arbeit nach drei Jahren.

Anpassen,dazulernen, gewinnen.

Last edited 1 Jahr zuvor by 447
Vierblättriges Kleeblatt
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ron

Es geht hier aber nicht um Quereinsteiger/Seiteneinsteiger, sondern um Lehrer mit einer ausländischen abgeschlossenen Lehrerausbildung und (je nachdem) vielen Jahren Unterrichtserfahrung.

Peter
1 Jahr zuvor

Lehrer srin ist aber nicht in allen Ländern das gleiche. Ganz wertneutral gesprochen.