Lehrerverbände: „Bildungsdialog“ war ein Monolog von Haseloff (Kritik an Mehrarbeit unerwünscht)

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MAGDEBURG. Die Lehrergewerkschaften im dbb Sachsen-Anhalt lehnen nach eigenem Bekunde jede verpflichtende Erhöhung der Arbeitszeit für Lehrkräfte entschieden ab. Die von Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) angeordnete Mehrarbeit für Lehrkräfte ist für die Lehrerverbände und ihre Mitglieder nicht tragbar – so heißt es in einer aktuellen Erklärung. Auch der Stil der Verkündigung stößt sauer auf.

„Monolog des Ministerpräsidenten“: Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff. Foto: Steffen Böttcher / CDU Sachsen-Anhalt

„Mit der Anweisung von verpflichtender Mehrarbeit für alle Lehrkräfte in unserem Bundesland haben die Landesregierung und das Bildungsministerium den Arbeitsfrieden in unseren Schulen verletzt“, betont Thomas Gaube, Stellvertretender Landesvorsitzender des dbb Sachsen-Anhalt und Vorsitzender des Lehrerkoordinierungsrates im dbb: „Die seit Jahren stetigen Mehrbelastungen ohne Ausgleich ausgesetzte Lehrerschaft soll nun für Jahrzehnte personalpolitischen Versagens der Landesregierung und Landesbildungspolitik in die Pflicht genommen werden. Das nehmen wir nicht hin.“

Da der Dienstherr seine Fürsorgepflicht für die Aufrechterhaltung der Gesundheit und Dienstfähigkeit nur unzureichend wahrnehme, würden die dbb-Mitgliedsverbände alle Lehrkräfte dabei unterstützen, Belastungsausgleiche außerhalb des Pflichtunterrichts zu finden und umzusetzen, um einer weiteren Zunahme der Gesamtarbeitsbelastung entgegenzuwirken.

„Sachliche Kritik wurde zurückgewiesen, Redebeiträge waren nur erwünscht, wenn Sie ergänzende Angebote zur Hebung der Unterrichtversorgung enthielten“

Kritik üben die Lehrerverbände, darunter der VBE und der Philologenverband, auch an dem „bildungspolitischen Dialog“, auf dem die Maßnahmen am 19. Januar in der Staatskanzlei verkündet wurden. Gaube: „Die verschiedenen Interessenvertreter sahen sich als Teilnehmer an einem breiten gesellschaftlichen Dialog zu den aktuell gravierenden Problemen der Unterrichtsversorgung in unserem Land. Was sich ‚bildungspolitischer Dialog‘ nannte, entpuppte sich schnell als Monolog des Ministerpräsidenten und seiner Regierungsmitglieder, die ihren vorab beschlossenen Maßnahmenkatalog verkündeten. Sachliche Kritik wurde zurückgewiesen, Redebeiträge waren nur erwünscht, wenn Sie ergänzende Angebote zur Hebung der Unterrichtversorgung enthielten.“

Die am „Bildungsdialog“ beteiligten Gewerkschaften und Verbände hatten sich im Vorfeld auf ein gemeinsames Maßnahmenpapier verständigt. Die Staatskanzlei habe angesichts der Vielfalt der Akteure und Papiere darauf verwiesen, dass vorab keine Stellungnahmen am Bildungsgipfel Beteiligter verbreitet würden.

Die beschlossene Mehrarbeit ist aus Sicht der Lehrerverbände keine Lösung für den Lehrkräftemangel – im Gegenteil. „Die Lehrerinnen und Lehrer werden diese weitere Mehrbelastung, so sie diese gesundheitlich noch stemmen können, mit einer verstärkten Flucht aus dem Arbeitsleben beantworten. Der Attraktivität unseres Bundeslandes als künftigen Arbeitsort für Lehrerinnen und Lehrer haben Sie mit dieser Maßnahme einen Bärendienst erwiesen“, so Gaube. News4teachers / mit Material der dpa

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Realist
1 Jahr zuvor

Das Versagen der politischen Klasse auf allen Ebenen k… einen nur noch an!

Fräulein Rottenmeier
1 Jahr zuvor

Es gibt so viele Dinge, die man bei Durchsetzung dieser Maßnahme dann lassen oder sehr einschränken könnte. Das fängt bei der Anzahl der Konferenzen an und hört bei der Schulentwicklung mit all ihren dazu notwendigen Gremien auf. Man schaut genau, was verschlingt welche Kapazitäten und setzt schulintern möglichst im Konsens mit allen am Schulleben beteiligten den Rotstift an. Es geht ja darum, dass die eine Schulstunde mehr nicht zur Erhöhung der Wochenarbeitszeit führen soll und kann. Die eine Schulstunde generiert ja selber schon einen kleinen Rattenschwanz an Zeitbedarf….
Dann muss es heißen, ja, ich halte die Stunde mehr, ja ich bereite sie auch so vor, wie ich es mit den anderen Stunden auch mache, aber nein, ich kann zukünftig in diesem Gremium nicht mehr mitarbeiten, kann sonstige Aufgaben nicht mehr übernehmen und schränke alles ein, was nicht unbedingt und zwingend nötig ist. Meine Haltung wäre zukünftig, ich mache meine Arbeit so gut es geht in einem Zeitrahmen, der meine Gesundheit nicht ruiniert.
Diese Haltung muss auch nach außen getragen werden….also durch die Schulleitung, die ja auch ein sehr großes Interesse hat, dass die Kollegen nicht weglaufen oder völlig ausbrennen.
Die Aufgabe der Schulleitung muss dann sein, eine Bestandsaufnahme zu allen gegenwärtigen Verpflichtungen zu erheben und dann zusammen mit Lehrerrat und Steuergruppe einen Priorisierung vorzunehmen….

Dil Uhlenspiegel
1 Jahr zuvor

… aber da die SL genauso verzweifelt und ausgebrannt ist, wird sie möglicherweise noch vor allen anderen die Segel streichen, „aktiv“ oder „inaktiv“. Und nach oben hin soll sie immerhin auch Positives kundtun, „also bei uns alles unter Kontrolle“.

Ciao Sachsen Anhalt
1 Jahr zuvor

Ich werde bis Ende des Schuljahres noch meinen Dienst beim Land verrichten, danach kündige ich und gehe an eine freie Schule. Dort kann ich auch weiterhin Teilzeit gehen und zusätzlich noch AGs nach meinen Wünschen organisieren und das sogar mit einer teilweisen Anrechnung. Im Dienst des Landes Sachsen Anhalt eine Unmöglichkeit! Auch Weiterbildungen in Drittfächern wie Psychologie werden überhaupt nicht mehr unterstützt. Mag sein, dass es wichtig ist, die Kernfächer am Laufen zu halten, aber was das Entwicklungspotential junger Lehrer betrifft, die eventuell auch Erfüllung und Zufriedenheit im Job suchen, ist dies eine Katastrophe.

Fräulein Rottenmeier
1 Jahr zuvor

Da reiche ich Ihnen die Hand! Als Schulleitung einer Brennpunktschule in NRW werde ich mich nach 7 Jahren Hamsterrad auch verändern. Ich habe ein sehr gutes Angebot an einer sehr ländlichen, gut geführten und ausgestatteten Schule bekommen und werde mich mutmaßlich darauf bewerben. Der Vorteil : keine Pendlerzeit von ca 2 Stunden am Tag mehr, die meisten Kinder haben Eltern, die nicht ganz bildungsfern sind…. Weniger Stress…. Mehr Zeit….. Aber das Kollegium kann ich nicht mitnehmen 🙁

Grundschullehrer
1 Jahr zuvor

Pendlerzeit von 2 Stunden? Hatten Sie keine Möglichkeit zu wechseln?

Ron
1 Jahr zuvor

Wir haben in der Bildungsadministration seit langem eine Sender-Empfänger-Einbahnstraße. Das ist umso erstaunlicher, als dass die Empfänger die eigentlichen Fachleute vor Ort sind, die aber fortwährend von teils weitestgehend beratungsresistenten Sendern monologisiert werden.

Grundschullehrer
1 Jahr zuvor

Offenbar hat der Bildungsmonolog, der mit einer gravierenden Mehrbelastung der Lehrkräfte endete, die Beziehungen zu den Gewerkschaften und Verbänden schwer belastet.