Wegen Schulverweigerung: Eltern droht (teilweiser) Entzug des Sorgerechts

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Weil Eltern ihre Kinder während der Corona-Pandemie nicht mehr in die Schule geschickt haben, droht ihnen der teilweise Entzug ihres Sorgerechts. Das Oberlandesgericht Oldenburg bestätigte vorläufig einen entsprechenden Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück, wie das OLG am Mittwoch mitteilte. In der Hauptsache soll der Fall nach Ostern verhandelt werden.

Das Gericht hat zu entscheiden. Foto: Shutterstock

Als die niedersächsischen Schulen nach dem Lockdown wieder öffneten, aber noch Masken- und Abstandspflicht galten, schickten die Eltern einer Familie ihre Kinder nicht wieder in den Unterricht. Die Kinder zwischen zwölf und 17 Jahren wollten wegen der Masken- und Abstandspflicht nicht mehr zur Schule gehen und zu Hause ihren eigenen Interessen nachgehen, schilderte das OLG die Argumentation der Familie. Die Eltern vertraten die Auffassung, die Kinder sollten sich selbst entdecken können und selbstbestimmt lernen.

Das Amtsgericht Osnabrück entzog darauf den Eltern einen Teil des Sorgerechts, das Recht auf Regelung schulischer Angelegenheiten. Die Eltern legten Beschwerde zum OLG ein. Ein staatliches Eingreifen sei gerechtfertigt, da durch die Schulverweigerung das Kindeswohl gefährdet sei, verkündete das OLG vorab (Az. 11 UF 206/22). In Deutschland gelte grundsätzlich eine Schulpflicht für alle Kinder. Damit gehe eine Pflicht der Eltern einher, für den Schulbesuch zu sorgen. News4teachers / mit Material der dpa

Schulpflicht: Wer sein Kind aus (berechtigter) Angst vor Ansteckung zu Hause hält, wird behandelt wie ein Querdenker – Bußgeld

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Tyconius Africanus
1 Jahr zuvor

Wie können diese Eltern nur so etwas tun? Die Schulbildung in der Bundesrepublik ist bekanntlich die beste weltweit. Da müssen die ganzen armen Länder wie die Schweiz, Dänemark, Niederlande, UK… von der Bildungsrepublik Deutschland noch viel lernen. Wie kommen sie nur ohne die progressive Schulpflicht aus? Können die Dänen überhaupt lesen?

Achin
1 Jahr zuvor

Zur Einordnung eines solchen Verhaltens, kein Einzelfall, sondern Gegenwartsphänomen:
https://www.suhrkamp.de/buch/gekraenkte-freiheit-t-9783518430712

Pälzer
1 Jahr zuvor
Antwortet  Achin

Oberflächliche Betrachtung hilft hier nicht weiter – es kommt auf den Fall, auf die Eltern und auf das (Selbst-)Lernverhalten der Kinder an. Deutschlands bekannteste Homeschoolkinder sind vermutlich die „Reallifeguys“, und denen scheint die Einschränkung des Schulbesuchs nicht geschadet zu haben.
Australier schütteln über unser Schulsystem eh den Kopf …

Achin
1 Jahr zuvor
Antwortet  Pälzer

Das ist alles andere als „oberflächlich“, hier geht es um nichts weniger als Kinderrechte. Selbst sehr engagierte Eltern können in Heimbeschulung nicht auf das Leben in einer pluralistischen Gesellschaft vorbereiten. Wer von sich behauptet, die Kontakte mit den Mitschüler*innen und den Unterricht in den verschiedenen Fächern ersetzen zu können, der hat ein offensichtliches Problem mit einer überhöhten Selbsteinschätzung:

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2006/bvg06-053.html

Tyconius Africanus
1 Jahr zuvor
Antwortet  Achin

So viel an interkultureller Kompetenz, Sachverstand und Bildungsniveau wie an deutschen Schulen gab es weder an der Platonischen Akademie noch bei der NASA kurz vor der Mondlandung. Alle Länder, die ohne die Schulpflicht auskommen, haben keine Ahnung von Demokratie. England? Schweiz? Niederlande? Australien? Dänemark? Kanada? Sie haben doch keine Ahnung von Bildung und Pluralismus. Ganz anders verhält es sich mit dem Land der Dichter und Denker. Hier wurde die Demokratie schließlich erfunden, nachdem die Deutschen die ganze Welt vor Faschismus befreit hatten))))

Achin
1 Jahr zuvor

Hier geht es nicht um eine Staatsform, sondern um eine höchstrichterliche Abwägung bezüglich zweier Grundrechte. Sie scheinen offensichtlich zu der in der Literaturempfehlung behandelten Personengruppe zu gehören.

Tyconius Africanus
1 Jahr zuvor
Antwortet  Achin

Es geht hier durchaus um eine Staatsform und, damit zusammenhängend, um die Wahrung der Menschenrechte. Das deutsche Bildungssystem enthält Elemente, die mit einer demokratischen Staatsform möglicherweise inkompatibel sind. Cf. einführend https://www.bpb.de/themen/bildung/dossier-bildung/229629/schulgeschichte-bis-1945-von-preussen-bis-zum-dritten-reich/
Es wäre die Aufgabe von Historiker*innen, über die kulturellen und politischen Gründe des deutschen Sonderweges in der so gearteten Bildungspolitik auch nach 1945 monographisch zu reflektieren. Es gibt indes zahlreiche Zeitzeugenberichte, die belegen, dass die Gesinnung vieler Lehrkräfte in der Adenauer Ära unverändert geblieben ist, aller (kosmetischen?) Denazifizierung zum Trotz.