Der Kaiser hat ausgedient: Die Westfälische Wilhelms-Universität ändert ihren Namen

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MÜNSTER. Das Kürzel WWU steht für Westfälische Wilhelms-Universität. Mit diesem Namen ist es ab dem 1. Oktober vorbei. Eine der größten deutschen Hochschulen trennt sich vom Bezug zum Namensgeber: Kaiser Wilhelm II. verschwindet.

Unliebsamer Namenspatron: Kaiser Wilhelm II., hier auf einem Foto nach seiner Abdankung. Foto: Shutterstock / Everett Collection

Der Senat der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster hat sich mit deutlicher Mehrheit für die Umbenennung der Hochschule ausgesprochen. Namensgeber Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) soll gestrichen werden. Dafür haben sich am Mittwoch 20 Senatsmitglieder ausgesprochen, wie die Uni nach der Sitzung mitteilte. Es gab eine Gegenstimme, zwei Senatsmitglieder nahmen nicht an der Sitzung teil. Damit ist die nötige Zweidrittelmehrheit in dem Gremium erreicht. Im Senat sind Vertreter aller Bereiche der Hochschule aus Forschung, Lehre, Studierenden, Verwaltung und Technik vertreten. Wenn das Land Nordrhein-Westfalen der Änderung der Grundordnung der Uni zustimmt, tritt die Namensänderung ab dem 1. Oktober in Kraft. Die Hochschule heißt dann Universität Münster.

«Die schlichte Bezeichnung Universität Münster steht für unser Profil: Sie ist eine Referenz an unsere erstmalige Gründung. Der Lehrbetrieb wurde 1773, also lange vor Wilhelm II. und der zeitweiligen Funktion als westfälischer Landesuniversität, aufgenommen. Zugleich positionieren wir uns als Hochschule, die gleichermaßen für die Region steht als auch in Deutschland, Europa und darüber hinaus wirkt», sagte der Senatsvorsitzende Hinnerk Wißmann nach der Entscheidung laut Mitteilung.

«Die Universität hat sich auf beeindruckende Weise über mehrere Jahre intensiv mit ihrem Namensgeber beschäftigt. Das heutige Votum ist mit Blick auf die neuesten historischen Erkenntnisse konsequent und eindeutig», sagte Rektor Johannes Wessels.

Verschiedene Gruppen aus dem Umfeld der Uni hatten sich in den vergangenen Wochen dafür ausgesprochen, zumindest den Zusatz Westfälisch beizubehalten. «Gut ist, dass sich die Universität mit ihrem kritischen Namensgeber auseinandergesetzt hat. Dass dabei aber auch die Verortung in Westfalen wegfallen soll, wo doch das Westfälische einen positiven Klang hat, ist schade – schade um die vertane Chance. Für mich klingt der neue Name etwas belanglos und unpersönlich, wie ein Nachname ohne Vorname», sagte Georg Lunemann, Direktor des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), zu der Entscheidung. Andere Universitäten seien da selbstbewusster, sagte Lunemann in einer Stellungnahme.

Wißmann bekräftigte gegenüber Journalisten am Abend die Entscheidung. «Die Abwägung war richtig. Wir sind keine westfälische Universität. Die Bezeichnung wäre zu viel und zu wenig zugleich. Es gibt in Westfalen mehrere Unis. Deshalb können wir das nicht für uns beanspruchen», erklärte der Senatsvorsitzende. Und der Anspruch der Uni gehe über die Grenzen Westfalens hinaus.

«Die Rückkehr zum Namen Universität Münster ist ein klares Bekenntnis der Hochschule zu Weltoffenheit, Verständigung und Demokratie»

Die Umsetzung des neuen Namens bis zum Start des Wintersemesters am 1. Oktober sei sportlich, sagte Rektor Wessels. Verträge müssten angepasst werden, neue Dienstsiegel angefertigt werden: Wessels sprach von einer Kraftanstrengung. Gleichzeitig werde die Uni kein Geld verschwenden. Materialien wie Rucksäcke mit dem noch gültigen Kürzel WWU würden jetzt aufgebraucht und auch noch zum Wintersemester an Erstsemester verteilt. Nichts werde vernichtet, sagte der Rektor.

Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, begrüßte die Namensänderung. «Ich finde diese Entscheidung richtig. Die Rückkehr zum Namen Universität Münster ist ein klares Bekenntnis der Hochschule zu Weltoffenheit, Verständigung und Demokratie», sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete aus Münster.

Den Prozess für die Namensänderung angestoßen hatten Studierende im Jahr 2018. Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Historikern hatte daraufhin 2020 eine Diskussionsgrundlage erarbeitet. Wilhelm II. wird demnach nach neuesten Forschungsergebnissen als «überaus militaristisch und nationalistisch, antislawisch und geradezu obsessiv antisemitisch» angesehen. Er hatte von sich aus keinen Wert auf eine Verbindung zu der Hochschule in Münster gelegt. 1997 hatte der Senat eine Namensänderung noch abgelehnt.

Aktuell sind an der 1771 als Universität Münster gegründeten Hochschule knapp 46.000 Studierende eingeschrieben. Damit zählt sie zu den größten in Deutschland. Der deutsche Kaiser hatte die Uni 1902 nach einer zwischenzeitlichen Herabstufung zur Akademie wieder in den Stand einer Universität erhoben. Den Namen des Stifters trägt die Uni seit 1907. News4teachers / mit Material der dpa

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Tyconius Africanus
1 Jahr zuvor

Das ist Symbolpolitik. Besser und adäquater wäre es, das deutsche Bildungssystem zu „entpreußen“.

Georg
1 Jahr zuvor

Sie wissen, dass das preußische Bildungssystem Deutschland in der Nachkriegszeit zu dem gemacht hat, von dem es heute zehrt?

Ich bin allerdings froh, dass mit „Universität Münster“ ein zeitlos neutraler Name gewählt wurde.

Carsten60
1 Jahr zuvor

„entpreußen“
Naja, das könnte man machen, aber dann sollte das Analoge in anderen Ländern auch gemacht werden. Also müsste Österreich die Habsburger verleugnen, und andere Länder (z.B. England, auch Russland) hatten Staatsoberhäupter, die mit den Hohenzollern eng verwandt waren. Wenn man da mal anfängt, gib es kein Ende mehr.
Wo sind denn die Länder, die immer besonders stolz auf Führungspersönlichkeiten der Vergangenheit sind? Die noch heute siegreiche Feldherren ehren? Die eigene Vergangenheit nach politischer Opportunität zu ändern ist eigentlich eine Spezialität autoritärer Regierungen. Wir sollten vorsichtig damit sein.
Wilhelm II. war in mehrfacher Hinsicht ein Unglück für Deutschland. Aber eliminieren können wir ihn im nachhinein nicht. Es wurde schon spekuliert darüber, was gewesen wäre, wenn sein Vater Friedrich III. nicht so früh gestorben wäre. Der galt als Reformer und war offensichtlich vernünftiger als Wilhelm II, ein Antisemit war er nicht. Auch eine konstitutionelle Monarchie kann funktionieren: der Monarch für den Pomp, die Regierung für das praktische Handeln.

Johann F.
1 Jahr zuvor

Bitte jede Namensänderung für sich und natürlich auch kritisch betrachten, so auch diese:

Wilhelm II. kann selbst für konservative Demokraten kein Vorbild oder ein sinnvoller Namensgeber für eine Bildungseinrichtung sein. Welche konkrete Errungenschaft oder intellektuelle Leistung soll auf ihn zurückgehen? Er steht für den ersten Völkermord in der deutschen Geschichte und starb nicht im Mittelalter, sondern 1940. Bis zuletzt biederte er sich bei den Nazis an, wie andere Mitglieder der Hohenzollern-Familie auch.

Carsten60
1 Jahr zuvor
Antwortet  Johann F.

Nach wem ist eigentlich St. Petersburg in Russland benannt? Steht da auch eine Umbenennung an?