GEW kritisiert EU-Asylkompromiss als „inhuman“ – Kinderrechte werden missachtet!

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FRANKFURT AM MAIN. Anlässlich des „Weltflüchtlingstags“ am Dienstag kritisiert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) den jüngsten Asylkompromiss der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) scharf. Sie appelliert an die Bundesregierung und das Europäische Parlament, sich im anstehenden Trilog-Gesetzgebungsverfahren für deutliche Nachbesserungen einzusetzen.

Die GEW kritisiert die geplanten „haftähnlichen Bedingungen, bei denen Familien“ nicht ausgenommen würden. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

„Eine Reform des europäischen Asylsystems ist überfällig, aber nicht auf Kosten der Schutzsuchenden und ihrer Rechte! Die Abschottungspläne an den EU-Außengrenzen sind inhuman, sie unterhöhlen das Recht auf Asyl und missachten die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen“, sagte die GEW-Vorsitzende Maike Finnern heute. Sie kritisierte insbesondere die geplanten Grenzverfahren unter haftähnlichen Bedingungen, bei denen Familien mit Kindern nicht ausgenommen worden seien.

Geflüchtete in Lagern unterzubringen, um Asylverfahren zu beschleunigen und diese vermehrt zurückzuweisen, indem die Zahl der sogenannten sicheren Drittstaaten erhöht wird, verkenne die Not der Flüchtenden und die besondere Schutzbedürftigkeit der Familien mit zum großen Teil traumatisierten Kindern. Dies solle abschrecken und die Push-Back-Praxis an den EU-Außengrenzen legitimieren. „Diese Politik wirkt Fluchtursachen nicht entgegen, begünstigt vielmehr das Schleppersystem auf unsicheren Fluchtrouten. Sie führt zu Toten auf dem Mittelmeer, wie das Unglück am vergangenen Wochenende wieder gezeigt hat“, betonte die GEW-Chefin. „Eine solidarische Asyl-, Migrations- und Entwicklungspolitik in Deutschland und Europa, die sich an Menschenrechten orientiert und Fluchtursachen nachhaltig entgegenwirkt, sieht anders aus.“

„Demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien dürfen nicht unterlaufen werden, Menschenrechte sind nicht verhandelbar“

„Abschottung ist keine angemessene Reaktion auf die weltweiten Fluchtbewegungen, die durch Krieg und Gewalt oder Armut und Klimawandel ausgelöst werden. Die Industrieländer sind mitverantwortlich für die zunehmende globale Ungleichheit. Asylsuchende aufzunehmen, ist eine humanitäre Pflicht. Die europäischen Staaten müssen ihrer Schutzverantwortung nachkommen und dürfen diese nicht an Drittstaaten delegieren“, mahnte Finnern. Für ein solidarisches Schutzsystem brauche es faire Asylverfahren und menschenwürdige Aufnahmebedingungen auf Basis der Genfer Flüchtlingskonvention – und keine „flexible Solidarität“, von der sich einzelne Staaten mit Geld freikaufen könnten. Solche Zugeständnisse an rechtspopulistische Regierungen schadeten der Demokratie.

Vor diesem Hintergrund appellierte Finnern an die Bundesregierung und die Abgeordneten im EU-Parlament, bei der Reform des Gemeinsamen Europäische Asylsystems (GEAS) dringend nachzubessern. „Demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien dürfen nicht unterlaufen werden, Menschenrechte sind nicht verhandelbar“, unterstrich die GEW-Vorsitzende.

Hintergrund: Der Weltflüchtlingstag ist ein von den Vereinten Nationen (UN) eingerichteter Aktionstag, der seit 2001 am 20. Juni, dem Jahrestag der Gründung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, stattfindet. Seitdem wird an diesem Tag weltweit mit vielen Aktionen auf das Schicksal der Geflüchteten aufmerksam gemacht. Der aktuelle Jahresbericht des UNHCR verzeichnet einen traurigen Rekord:
Die Gesamtzahl Geflüchteter weltweit lag zum Stichtag Ende 2022 bei 108,4 Millionen Menschen, die durch Krieg, Verfolgung, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen vertrieben wurden. Insgesamt sind 19 Millionen Menschen mehr auf der Flucht als noch Ende 2021 – dies entspricht einem Anstieg um 21 Prozent. Hauptgrund ist die russische Invasion in der Ukraine. News4teachers

GEW kritisiert geplante Verschärfung des EU-Asylrechts – mahnt aber auch mehr Unterstützung für Kitas und Schulen an

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16 Kommentare
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DerechteNorden
1 Jahr zuvor

Mir reicht es langsam wirklich, dass die GEW sich hier erneut aus dem Fenster lehnt.
Kinder gehören zu aller erst zu ihren Eltern. Und wenn die kein Asyl bekommen, dann kriegen die Kinder natürlich auch kein Asyl. Oder soll die EU alle Kinder aufnehmen, deren Eltern in der EU leben wollen? Denn das hieße das doch in der Konsequenz.
Was ist mit all den Kindern, deren Eltern sich nicht auf den Weg machen können? Sollen wir die samt ihren Familie aus ihren Heimatländern abholen? Auch das wäre ja dann ein Muss, wenn man die Menschen-/Kinderrechte einhalten wollte.

Carabas
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Die Mehrzahl der Menschen, die die GEW im Blick hat, sind doch nach jeder Kovention Migranten und keine Flüchtlinge.

So sehr vermutlich deren Wunsch nach einem besseren Leben, insbesondere für die Kinder, nachvollziehen kann, so sehr sollte jedem klar sein, das es weder ökonomisch noch bildungspolitisch leistbar ist.

Alla
1 Jahr zuvor
Antwortet  Carabas

Die Gefahr, Familien mit Kindern eine Vorzugsbehandlung zu versprechen, sieht man in den USA. Dort werden diese schnell in Hotels untergebracht, während andere oft in Massenunterkünften landen.
Täglich finden Sozialarbeiter verlassene Kinder vor, deren „Eltern“ weitergezogen sind. Ein unter 3-jähriges Kind war wohl schon vor Tagen verlassen worden, bis es entdeckt wurde.
Ob es wirklich zu dem Erwachsenen gehörte, mit dem es angekommen war, ist unklar, so wie bei vielen anderen Kleinkindern auch. Ältere Kinder konnten sagen, dass es sich um einen unbekannten „Onkel“/ „Tante“ gehandelt habe, mit denen es in die USA gekommen sei.
Die Vermutung ist, dass die Kinder gegen Geld von Schleppern vermittelt wurden.

DAS ist auch eine menschliche Tragödie, denn wie soll man die Kinder wieder mit ihren wahren Eltern zusammenführen?

Konfutse
1 Jahr zuvor

Ich dachte, dass die GEW eine Gewerkschaft für Lehrer und Erzieher und damit ein Sprachrohr für Bildung und Wissenschaft in Deutschland ist und nicht die UNICEF, Amnesty International, der Kinderschutzbund, Pro Asyl. Oder ist sie der Dachverband dieser Institutionen….? Nicht, dass da die Genossen anfangen, sich zu verzetteln…

A.J. Wiedenhammer
1 Jahr zuvor

Schuster, bleib‘ bei deinen Leisten. (Da gibt es genug zu tun.)

Mika
1 Jahr zuvor

Ich wünschte mir, dass die GEW mehr von der GDL hätte und sich einfach mal voll Leidenschaft für diejenigen einsetzte, die Mitgliedsbeiträge für die GEW zahlen.

Chris
1 Jahr zuvor
Antwortet  Mika

Kann ich mich als Lehrer an einem technischen Berufskolleg von der IG Metall vertreten lassen? Die haben seit Jahrzehnten bessere Abschlüsse für ihre Mitglieder rausgeholt und haben keine Bestrebungen zu einer politischen Partei zu werden.

Cuibono
1 Jahr zuvor
Antwortet  Mika

Tut sie ja – die Lehrer scheinen sie nur nicht als ihr „Hauptklientel“ zu sehen, eher schon Sozialarbeiter und Sozialpädagogen. Was nur logisch ist, denn die sind i. d. R. nicht verbeamtet.

Und je mehr Arbeit und Arbeitsplätze hier benötigt werden, desto mehr Mitglieder können rekrutiert werden und umso stärker könnte die Gewerkschaft wachsen.

Insofern hat das kapitalistische Denken (Wachstum, Wachstum) schon längst Einzug in Institutionen gehalten, von denen man es nicht erwartet hätte.

AlexB
1 Jahr zuvor

Ich lese ziemlich viele bedenklich egoistische Kommentare hier. Die GEW sieht sich als Bildungsgewerkschaft und beschränkt sich nicht auf Teilgruppen. Als solche darf sie sich m.E. durchaus zur Flüchtlingsproblematik äußern.

An alle diejenigen, die nun rufen „aber meine Mitgliedsbeiträge“, sollten sich einfach nur mal durch die Homepages der GEW und der verschiedenen GEW-Landesverbände scrollen, die Muster. Die Pressemitteilungen lesen. Die Aktionen verfolgen. Sich über die Musterklagen informieren. Und dann nochmal überlegen. Wer hier ruft „aber für MICH tut Ihr nichts“, ist zudem vielleicht in einer Gewerkschaft, bei der es auf einen Solidargedanken und ein Miteinander ankommt, falsch aufgehoben.

A.J. Wiedenhammer
1 Jahr zuvor
Antwortet  AlexB

Die GEW ist keine Einzelperson und auch kein muckelig kleiner Verein, der nach der Hauptversammlung ein Statement zu Fragen des dörflichen oder kommunalen Lebens gibt.
Die GEW hat Hundertausende Mitglieder und befragt diese kaum zu allen erdenklichen Themen der Weltgeschichte zu ihrer Meinung. Wenn dann da steht „die GEW kritisiert/mahnt/meint…“, dann ist das durchaus problematisch. Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass es besser hieße „die Vorsitzende der GEW kritisiert/mahnt/meint.
Die GEW ist zu allererst als Gewerkschaft eine Interessensvertretung von Arbeitnehmern im Bildungs- (und vielleicht sogar ein wenig im Wissenschafts-)bereich. Wenn es da um höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten oder andere Verbesserungen im Arbeitsbereich geht, kann man sicherlich von höheren Zustimmungswerten ausgehen als bei anderen – in der Bevölkerung ja durchaus kontrovers diskutierten – Themen.

Mika
1 Jahr zuvor
Antwortet  AlexB

Aus der Selbstdarstellung der GEW:
„ Gemeinsam sind wir stärker und setzen deine und unsere Interessen durch – im Beruf und in der Bildungspolitik. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist ein starkes Team von fast 280.000 Menschen, die in pädagogischen und wissenschaftlichen Berufen arbeiten: In Schulen, Kindertagesstätten, Hochschulen und anderen pädagogischen Einrichtungen.“
Quelle: https://www.gew.de/mitglied-werden
Man sollte also davon ausgehen, dass die GEW die Interessen von Menschen, die in pädagogischen und wissenschaftlichen Berufen ARBEITEN, vertritt und sich auch dahingehend stark macht und äußert. Beispielhaft wäre hier der Kampf der GEW in Berlin für den Tarifvertrag Gesundheit in Schulen zu nennen. Leider ist dies die rühmliche Ausnahme: vor, während und nach der Pandemie trat und tritt die GEW insbesondere als Vertreter der Kultusministerien, der Kinder und der Familien auf. Löblich, klar, aber es fehlt der Einsatz für ihre Mitglieder.
Was den Solidargedanken betrifft: ich halte die Massengewerkschaften wie Verdi oder GEW nicht mehr für zeitgemäß. Die Führungsebenen sind inzwischen dermaßen mit der Arbeitgeberseite verstrickt und verbändelt, dass da nix mehr für die Arbeitnehmer rumkommt. Lieber spezialisiert und zielorientiert als groß und beliebig. Den Erfolg sieht man bei GDL vs. Verdi bei den Eisenbahnern.

DerechteNorden
1 Jahr zuvor
Antwortet  Mika

Das sehe ich anders. Die GEW hat lauter Unterbereiche. Für mich sitzen zwei Menschen im HPR für die Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe und die haben schon Einiges Schlimmeres verhindert und sogar etwas herausgeholt. Das darf man nicht vergessen.
Vom Landesverband der GEW hört man bei uns solche seltsamen rein politischen Forderungen auch gar nicht. Aber ganz oben an der Spitze fühlt man sich offenbar bemüßigt, solche undurchdachten Dinge von sich zu geben.

A.J. Wiedenhammer
1 Jahr zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Dann sollte man das in der Berichterstattung deutlich machen. Also als Überschrift und im weiteren z.B. schreiben: „Die GEW-Vorsitzende Maike Finnern kritisiert EU-Asylkompromiss als inhuman“ . Es sei denn, einer solchen Äußerung wäre nachvollziebar ein Prozess der Konsensfindung auf breiterer Basis verausgegangen.

(Gilt natürlich nicht nur für Berichte über die GEW.)

DerechteNorden
1 Jahr zuvor

Tatsächlich wird im Artikel Maike Finnern zitiert. Ob diese das mit sämtlichen Landesverbänden oder nur mit einigen aus dem Bundesvorstand abgesprochen hat, kann man nicht herauslesen.

OttoderKleine
1 Jahr zuvor

In Polen spricht man von einem Volksentscheid über diese Asylfrage. Man will zwar in der EU sein, aber diesen Kompromiss nicht mittragen. Das klassische St.-Florians-Prinzip. Aber gibt’s den Weltflüchtlingstag nicht auch in Polen? Und was sagt die Bildungsgewerkschaft ZNP in Polen dazu?

konfutse
1 Jahr zuvor

Sehr gute Entscheidung! Es gibt auch andere Gewerkschaften!