Schulleitungen wünschen sich multiprofessionelle Teams (vor allem IT-Fachkräfte) – nur: Es fehlt das Personal dafür

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BONN. Schulleitungen in Deutschland sind offen für multiprofessionelle Zusammenarbeit an ihren Schulen – aber: Es fehlt ihnen vor allem das Personal dazu. Das geht aus einer aktuellen repräsentativen Umfrage hervor, die das Meinungsforschungsinstitut forsa im Auftrag der Deutsche Telekom Stiftung unter gut 1.000 Schulleitungen von öffentlichen allgemeinbildenden Schulen durchgeführt hat.

Multiprofessionelle Teams an Schulen sind noch längst nicht die Regel. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Demnach nehmen die Befragten das Vorhandensein unterschiedlicher Berufsbilder vorwiegend positiv wahr: Zwei von drei Schulleitungen sehen darin ein „Gaspedal für Schulentwicklung“, vier von fünf eine Bereicherung. Allerdings gibt es an den meisten Schulen neben Lehrkräften höchstens fünf weitere Fachkräfte, die pädagogisch, beratend oder therapeutisch arbeiten. Besonders verbreitet sind Sozialpädagogen und Sozialarbeiter. Auch für Organisation und Verwaltung haben knapp drei Viertel der Schulleitungen kaum mehr zur Verfügung als das klassische Sekretariat und den Hausmeister.

„Die positive Einstellung der Schulleitungen gegenüber Multiprofessionalität ist eine sehr gute Ausgangslage. Von multiprofessionellen Teams kann an den meisten öffentlichen Schulen aber bislang kaum die Rede sein“, sagt Ekkehard Winter, Geschäftsführer der Telekom-Stiftung.

„Der Weg zu einer umfassenden, stringenten Multiprofessionalität an den Schulen ist noch weit“

„Weder haben die Schulen neben Lehrerinnen und Lehrern eine nennenswerte Zahl an zusätzlichen Professionen, noch lässt sich eine besondere Vielfalt ausmachen. Die Problematik rührt von dreierlei: Entweder werden bestimmte Stellen, etwa vom Schulträger, nicht zur Verfügung gestellt. Oder es gibt das Personal gar nicht, etwa IT-Fachkräfte. Oder es fehlen die Vorstellungskraft und der Wille für neuartige Stellenprofile, wie es sie in anderen Ländern teilweise schon gibt. Der Weg zu einer umfassenden, stringenten Multiprofessionalität an den Schulen ist noch weit, insbesondere wenn es darum geht, zeitgemäße pädagogische Konzepte im Unterrichtsalltag umzusetzen, um das Lehren und Lernen zu verbessern.“

Die Umfrage zeigt: Berufsbilder, die speziell das MINT-Lernen unterstützen, wie Laboranten oder MINT-Assistenten, finden sich an so gut wie keiner deutschen öffentlichen Schule, ebenso wenig zukunftsweisende Professionen, etwa Bildungstechnologen.

Aber auch an Organisationsstrukturen mangelt es: Rund jede zehnte Schule hat eine IT-Fachkraft, an sechs Prozent der Schulen gibt es eine Verwaltungsleitung oder Geschäftsführung, eine zusätzliche Verwaltungsassistenz an fünf Prozent. Diese Berufsbilder rangieren ganz oben auf der Bedarfsliste der Schulleitungen: 53 Prozent wünschen sich IT-Fachkräfte, insgesamt 45 Prozent wollen Verstärkung für Verwaltungsaufgaben. Besonders gefragt sind zudem Psychologen (39 Prozent Zustimmung).

„Zum Einfinden in ihre neuen pädagogisch-didaktischen Aufgaben brauchen Quer- und Seiteneinsteiger besondere Unterstützung und Einbindung ins Team“

Andererseits gibt es an deutlich mehr als der Hälfte der Schulen Quer- und Seiteneinsteiger in den Lehrkräfteberuf: an knapp einem Viertel (22 Prozent) der Schulen für die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) und an knapp der Hälfte (46 Prozent) der Schulen für alle anderen Fächer. „Zum Einfinden in ihre neuen pädagogisch-didaktischen Aufgaben brauchen Quer- und Seiteneinsteiger besondere Unterstützung und Einbindung ins Team“, so heißt es in der Studie.

Und weiter: „Die Schulleitungen wurden deshalb gefragt, wie sie dies gewährleisten. Vier von zehn Schulen (41 Prozent) praktizieren demnach ein Tandem-/Mentorensystem, in dem ein Quer- oder Seiteneinsteiger von einer erfahrenen Lehrkraft begleitet und gecoacht wird.“ Ergebnisse: 55 Prozent der Förderschulen arbeiten so, ebenso 52 Prozent der Schulen, die sich selbst als Schulen in einem sozialen Brennpunkt benennen. Von den Gymnasien tut dies hingegen nur knapp jedes vierte (24 Prozent). Diese setzen dagegen stärker auf je eine verantwortliche Ansprechperson im Fachbereich (30 Prozent). Im Durchschnitt verfährt so rund jede fünfte Schule (19 Prozent). 15 Prozent aller Schulen wiederum setzen bei der Einbindung ihrer Quer- und Seiteneinsteiger auf eine zentral verantwortliche Ansprechperson im Kollegium. Ein knappes Viertel aller Schulleitungen (23 Prozent) gibt an, nichts von alledem zu praktizieren.

Die Mehrheit der Schulleitungen sieht die Förderung multiprofessioneller Zusammenarbeit als eine ihrer zentralen Aufgaben, die sie nach Möglichkeit wahrnehmen. Es mangelt ihnen dazu aber oftmals an der nötigen Zeit oder anderen Personen, die sie mit der Aufgabe betrauen können. Auch in der Umsetzung ist vielfach Verbesserungsbedarf auszumachen: So ist die multiprofessionelle Kooperation in wenigen Schulen fest verankert, etwa über schriftliche Kooperationsvereinbarungen, die für alle pädagogisch Tätigen handlungsleitend sind, oder durch verbindliche Kooperationszeiten über die Konferenzen hinaus. Beides gibt es jeweils nur an einem Drittel der Schulen (32 bzw. 35 Prozent). News4teachers

Hier geht es zu den vollständigen Umfrageergebnissen.

So müsste die Grundschule eigentlich sein: Ein pädagogisches Zentrum – mit multiprofessionellem Kollegium und kleinen Klassen

 

 

 

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Gelbe Tulpe
9 Monate zuvor

In der IT bekommt man ja oft keine Anstellung mehr, wenn man in seinen Vierzigern oder Fünfzigern entlassen wird. Aus diesen Kräften könnt man ja IT-Personal für Schule rekrutieren. Das ist für diese Personen immer noch attraktiver als eine Tätigkeit im Call-Center.

Realist
9 Monate zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

Das Problem an dieser „Resteverwertung“ ist allerdings, dass diese Personen dann in der Schule nur die Häflte oder ein Drittel dessen verdienen, was sie in der „freinen“ Wirtschaft verdient haben, und dann auch eine entsprechende Arbeitsmoral an den Tag legen (nicht erreichbar, dauernd krank, …): Für die ist der Job in der Schule dann nur ein Warteposten auf dem Weg zur Frühverrentung.

Diesen „Fachkräften“ aber in der Schule das in der Wirtschatf übliche Gehalt zu zahlen geht auch nicht, denn dann würde der „IT-Fuzzy“ mehr als der Schulleiter eines Gymnasiums verdienen…

Mika
9 Monate zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

Niemand, aber auch wirklich niemand wird mit 40 oder 50 derzeit aus der IT entlassen, im Gegenteil versuchen die Unternehmen, die wechselfreudigen Mitarbeiter mit allen möglichen Gimmicks im Unternehmen zu halten. Sie bekommen, falls Siesich verbessern wollen, auch ü50 sofort einen gut bezahlten Job als ITler.

OttoderKleine
9 Monate zuvor

Ach so, ich dachte bisher, dass multiprofessionelle Teams in erster Linie aus Psychologen, Sozialpädagogen und evtl. noch aus Verwaltungs-Hilfskräften bestehen. Und urplötzlich sind das jetzt die IT-Fachkräfte, die all die Digitalisierungs-Geräte am Laufen halten können und insbesondere verstehen, wie die funktionieren. Was kostet das alles eigentlich einschließlich dieser Teams?

Realist
9 Monate zuvor
Antwortet  OttoderKleine

Letzendlich ist eine Schule mittlerweile von der Anforderungen komplexer als ein mittelständisches Unternehmen: Neben den dort üblichen Fachkräften (Spezialisten (=Lehrer), IT, Verwaltung, Technik, Hausmeister, Administration) kommt noch ganze ganze Soziale dazu, für das man ebenfalls Spezialisten (Sozialpädagogen, med. Fachkräfte, Psychologen, …) bräuchte. An US-Schulen hat man das ja auch, dort gibt es praktisch genauso viel Unterstützungspersonal wir Lehrkräfte (wobei deses Unterstützungspersonal, wenn es nicht gerade der Hausmeister oder der Schulbusfahrer ist, mittlerweile auch mehr verdienen als die Lehrkräfte, weshalb dort auch keiner mehr Lehrer werden will…)

Der Zauberlehrling
9 Monate zuvor

Wenn eine Schule eine IT-Fachkrafft will, dann muss diese auch wie in der freien Wirtschaft bezzahlt werden, denn sonst bleibt sie da. A11 ist keine Lösung und wird nur zu einem müden Lächeln führen. Mit dem Stundensatz abgerechnet kommt da mehr zusammen.

Der Hausmeister ist halt schon immer an einer Schule notwendig gewesen und akzeptiert. Ebenfalls die Sekretärin. Alles andere ist noch nicht als zwingend erforderlich erkannt. Alles eine Geldfrage und Geld für Bildung ist knapp.

Realist
9 Monate zuvor

Alles andere ist noch nicht als zwingend erforderlich erkannt.“

Weil Lehrkräfte diese Dinge immer noch freiwillig neben ihrer eigentlichen Haupttätigkeit machen. Solange man die Lehrkräfte entsprechend ausnutzen kann, wird man auch keine „Notwendigkeit“ erkennen, andere dafür zu bezahlen…