„Wären die Schulen perfekt, würde es uns gar nicht geben“: Start-ups der Bildungsbranche beim EdTech Next Summit

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BIELEFELD. Wer Dynamik in der Bildung sucht, musste in dieser Woche nach Bielefeld reisen: Auf dem zweitägigen EdTech Next Summit dort präsentierten sich Start-ups aus der europäischen Bildungsbranche – ein spannender Einblick in eine Szene, die Schülerinnen und Schülern sowie ihren Lehrkräften den Unterricht erleichtern will und dabei vor Ideen sprudelt.

Auf dem EdTech Next Summit in Bielefeld präsentierten sich Dutzende von Start-ups aus der Bildungsbranche. Foto: Barbara Meinhardt / Eduvation

Linda Büscher legte in diesem Jahr ihr Abitur mit der Traumnote 1,0 ab – und sie ist Unternehmensgründerin. Die junge Frau hat mit Bulletpoint eine App auf den Markt gebracht, mit der sich intelligente Markierungen in digitalen Texten leicht erstellen lassen (was beim Strukturieren ungemein hilft).

Sie versuchte zunächst, Schulen als Kunden zu gewinnen – ein überaus schwieriges Unterfangen, wie sie schnell feststellen musste. Denn dazu muss zunächst die Schulleitung überzeugt werden, die dann alle Eltern überzeugen muss, für das nützliche Werkzeug Geld zu bezahlen. Einen eigenen Etat für solche vergleichsweise kleinen Anschaffungen? Gibt es in vielen Bundesländern für Schulen nicht. Drei konnte Linda Büscher trotzdem für ihre App gewinnen. Dann gab sie auf, Schulleitungen anzusprechen: Der Aufwand war zu groß. Mittlerweile vertreibt die Jungunternehmerin Bulletpoint direkt an Studierende sowie Schülerinnen und Schüler. Mit Erfolg. Auf der Hauptbühne des EdTech Next Summits in Bielefeld wurde die Hannoveranerin nun als jüngster Star der Bildungsbranche präsentiert.

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Das von der Europäischen Kommission, dem Bundesbildungsministerium und dem Land Nordrhein-Westfalen unterstützte Branchentreffen, das europäische Start-ups mit Investoren und Bildungseinrichtungen zusammenbringen soll, zog in dieser Woche wieder mehrere Hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus ganz Europa nach Westfalen. Tobias Himmerich, Chef des Veranstalters Eduvation, spricht mit Blick auf die jungen Unternehmen von „Schnellbooten“, die um den trägen Supertanker Schulsystem kreisen, um ihm neue Perspektiven aufzuzeigen.

Tatsächlich sind die Marktbedingungen in Deutschlands Bildungsbranche insbesondere für Newcomer extrem schwierig, wie Anja Hagen, Vorsitzende des EdTech-Verbands (und ehemalige Geschäftsführerin der großen Cornelsen-Verlagsgruppe) bestätigt. Erster Punkt: „Es gibt keinen zentralen Marktplatz.“ Heißt: Wer Schulen als Kunden gewinnen will, muss tingeln gehen – bei mehr als 35.000 in Deutschland ein schier aussichtsloses Unterfangen, wenn man nicht (wie die seit Jahrzehnten etablierten Branchenriesen) über ein flächendeckendes Netz von Vertriebspartnern verfügt.

Zweiter Punkt: „die ganze Thematik Ausschreibung.“ Mit Blick auf die kommunalen Schulträger erklärt Anja Hagen: „Hardware einkaufen können die noch ganz gut. Für Lizenzen aber, die jährlich zu bezahlen sind, gibt es keine übergreifenden Regelungen.“ Es müsse also improvisiert werden. Und wenn dann doch mal Software eingekauft werde, dann kämen die großen Anbieter zum Zug, weil die die geforderten Umsatz- und Mitarbeiterzahlen aufweisen können – Innovationskraft ist zumeist kein Kriterium beim Einkauf durch die öffentliche Hand.

Obendrauf kommt dann noch die deutsche Besonderheit, dass Kaufentscheidungen von Schulen meist von mehreren Ebenen getroffen werden müssen, weil eben die Etats nicht vor Ort liegen. Heißt: Lehrkräfte, Fachkonferenzen, Schulleitungen, Schulträger, womöglich das Land – alle müssen gleichzeitig gewonnen werden. Der Kommunikationsaufwand für die jungen Unternehmen ist enorm.

Und trotzdem gelingt es Einzelnen immer wieder, sich am Markt zu etablieren. Der Antrieb ist häufig Frust über die Probleme im Bildungswesen. „Man hat nur zwei Möglichkeiten“, erklärt Daniel Zacharias, Gründer und Chef von Sdui: „akzeptieren, wie es ist – oder ändern!“.

Bei ihm, so berichtet er auf der Hauptbühne des Kongresses, war es die frühere Beobachtung, wie viel Aufwand betrieben werden musste, um die Krankmeldung eines Schülers oder einer Schülerin an seine Lehrkraft zu bringen: Anruf im Sekretariat (meist mehrere Versuche), Zettelnotiz erstellen, die richtige Lehrkraft finden, zustellen… „Ein 30-minütiger Prozess, nur um zu sagen: Mein Kind ist krank“, so Zacharias. Also entwickelte er ein digitales Kommunikationsinstrument für Kitas und Schulen, das sich zu einer umfassenden digitalen Plattform für Bildungseinrichtungen ausgewachsen hat, die nach eigenen Angaben von mittlerweile über 10.000 Schulen genutzt wird. Das Unternehmen hat heute 180 Beschäftigte und unterhält Service-Zentren in sieben Staaten.

„Wenn ich hier gute Arbeit leiste, nehmen die Kinder und Jugendlichen davon viel mit“

Carola Hiesgen ist Lehrerin für Mathematik und Chemie – und bei ihr war es eine grundsätzliche Entscheidung, den Schuldienst samt Beamtenstatus zu quittieren: Sie mochte den Massenbetrieb Schule, in dem lernförderliche Beziehungen zwischen Schülern und Lehrkräften immer schwerer zu unterhalten sind, nicht mehr mittragen. Also sattelte sie um. Sie ist heute „Head of Education“ des Aachener Unternehmens Simplex Education, das mit MINT-Kursen während der Ferienzeit Schulen dabei unterstützt, Lerndefizite aus der Coronakrise zu beseitigen. Carola Hiesgen sorgt dafür, dass die Studierenden, die dabei als Lernhelferinnen und -helfer zum Einsatz kommen, die Förderung gut vorbereitet und mit geeignetem Material angehen. „Wenn ich hier gute Arbeit leiste, nehmen die Kinder und Jugendlichen davon viel mit“, so sagt sie – das positive Feedback der Schulen, an denen Simplex Education bislang tätig war, bestätigt dies.

Investoren und Unternehmensgründer kamen in Bielefeld zusammen. Foto: Barbara Meinhardt / Eduvation

Geschäftlich in noch größeren Sphären unterwegs ist GoStudent, das der „Stern“ im vergangenen Jahr als „Österreichs wertvollstes Start-up und das aktuell wohl heißeste Unternehmen aus dem Bildungsbereich in ganz Europa“ bezeichnete. Die ursprüngliche Geschäftsidee: individuelle Online-Nachhilfe anzubieten. Aus knapp 20 Mitarbeitenden 2018 sind mittlerweile knapp 1.500 Beschäftigte geworden, die in 15 Ländern rund 23.000 Freelancer – meist Studierende – an unterstützungsbedürftige Schülerinnen und Schüler vermitteln. Unlängst übernahm GoStudent Deutschlands bis dato größten Nachhilfeanbieter Studienkreis, um Förderunterricht auch in Präsenz anbieten zu können.

Dabei soll es nicht bleiben. Auf dem EdTech Next Summit präsentierte Entwicklungsdirektor Alexander Nick die neueste Innovation des Unternehmens: einen virtuellen Schüleraustausch zum Sprachenlernen, bei dem sich Schülerinnen und Schüler mittels VR-Brille mit Kindern und Jugendlichen aus anderen Ländern zusammenschließen können, um – angeleitet von einer muttersprachlichen Lehrkraft – gemeinsam spielerisch Aufgaben zu lösen, die Kommunikation erfordern.

Auch für GoStudent gilt, was für die meisten der Start-ups im Bildungsbereich Auslöser war – nämlich das eigene Engagement den Defiziten des Schulsystems entgegenzusetzen. „Wären die Schulen perfekt, würde es uns gar nicht geben“, sagt Nick gegenüber News4teachers. Die Dynamik solcher Start-ups wie GoStudent kann das Bildungssystem allerdings gut gebrauchen. „Die Innovationskraft der vermeintlich kleinen Unternehmen ist enorm“, betont Summit-Veranstalter Himmerich. Denen eine Bühne zu bieten, hält er für zentral, um das erstarrte deutsche Bildungssystem aufzuwecken. Andrej Priboschek

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3 Kommentare
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Rainer
7 Monate zuvor

Mehr homeschooling probieren

GriasDi
7 Monate zuvor
Antwortet  Rainer

Klappt sicher wunderbar.

Realist
7 Monate zuvor
Antwortet  GriasDi

Kollege Roboter wird mit Untertstützung von Realschülern und Schülerpraktikanten den Karren (Lehrkräftemangel) schon aus dem Dreck ziehen…