Bürgermeister rudert zurück: Erstmal keine Namensänderung der Kita „Anne Frank“

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TANGERHÜTTE. Der Zeitpunkt passt einfach nicht. Zwar gab es die Pläne für eine Namensänderung der Kita „Anne Frank“ im altmärkischen Tangerhütte schon länger, jedoch haben sie angesichts des aktuellen politischen Geschehens für Kritik gesorgt. Nun hat Tangerhüttes Bürgermeister Andreas Brohm (parteilos) klargestellt, dass noch nichts entschieden sei. Die Diskussionen liefen noch, „ohne dass aktuell eine Entscheidung darüber anstünde“, erklärte Brohm am Montag schriftlich. Die „Magdeburger Volksstimme“ hatte am Wochenende über den Fall berichtet.

Anne Frank Briefmarke. Foto: shutterstock
Diskussion um die Kita „Anne-Frank“. Soll sie umbenannt werden? Foto: shutterstock

Brohm erklärte, Hintergrund der geplanten Umbenennung sei ein Erneuerungsprozess der Kita gewesen, den die Kita in den zurückliegenden 14 Monaten durchlaufen habe – hin zur offenen Arbeit. „Weit vor den aktuellen Diskussionen und Ereignissen ist bereits Anfang 2023 auch die Diskussion aufgekommen, diese grundlegende Konzeptionsänderung durch einen anderen Namen der Einrichtung auch nach außen hin sichtbar zu machen, um diesen fundamentalen Neuanfang sichtbar zu markieren“, so der Bürgermeister.

In einem offenen Brief kritisierte der Geschäftsführende Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, die geplante Umbenennung. Er richtete sich an die Tangerhütter: „Wenn, werte Bürgerinnen und Bürger in Tangerhütte, ich einen Rat zu erteilen hätte, würde ich Anne Frank raten, zu kämpfen und nicht wortlos und traurig davon zu gehen, wenn sie erneut in ihrer deutschen Heimat davongejagt werden soll. Vielleicht überdenken Sie das Ganze ja noch einmal?“

„Weltentdecker“ statt „Anne Frank“?

Anne Frank wurde 1929 als Kind jüdischer Eltern in Frankfurt am Main geboren. Ihre Familie flüchtete 1933 vor den Nationalsozialisten in die Niederlande. Dort versteckte sie sich von 1942 bis 1944 in einem Hinterhaus. In dieser Zeit schrieb Anne Frank ein Tagebuch, das zu den meistgelesenen Werken der Weltliteratur gehört. 1945 starb Anne Frank im Alter von 15 Jahren im Konzentrationslager Bergen-Belsen.

Bürgermeister Brohm wehrte sich gegen den Eindruck, die Umbenennung hätte etwas mit dem jüdischen Hintergrund von Anne Frank zu tun. In seiner Erklärung machte er deutlich: „Tangerhütte mit seinen Bildungseinrichtungen und all seinem bürgerschaftlichen Engagement steht für ein weltoffenes Deutschland, das sich gleichzeitig seiner historischen Verantwortung genauso bewusst ist wie seinem Bildungsauftrag.“

Der „Magdeburger Volksstimme“ zufolge trägt die Kita den Namen „Anne Frank“ seit Anfang der 1970er Jahre. Der neue Name solle „Weltentdecker“ lauten. News4teachers mit Material der dpa

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Unfassbar
5 Monate zuvor

die Begründung mit dem falschen Zeitpunkt bedeutet nur eine Verschiebung der Umbenennung auf 2024 oder 2025.

Noah
5 Monate zuvor
Antwortet  Unfassbar

nein, es bedeutet, dass man sich nicht mit denen gemein macht, die derzeit gegen alles Jüdische hetzen.

lehrer002
5 Monate zuvor

Warum sollte man eine Kita überhaupt umbenennen? Anne Frank war nun wirklich keine streitbare Person, sondern ein mutiges Mädchen. Weltentdecker klingt nichtssagend, Kinder sind nunmal Weltentdecker. Ist das dann ein kreativer und sinnvoller Name für eine einzelne Kita?

Angelika Mauel
5 Monate zuvor
Antwortet  lehrer002

Weil die Krippenkinder noch in die Windeln machen und die älteren Kindergartenkinder (von wenigen Ausnahmen abgesehen) auch noch nicht reif sind, sich mit dem Schicksal von Anne Frank zu beschäftigen.

Riesenzwerg
5 Monate zuvor
Antwortet  Angelika Mauel

Waren die Kinder das früher – reif genug?

Ich finde es völlig falsch, den Namen zu ändern.

Allein das entehrt dieses überaus mutige Mädchen und ihr Schicksal.

„Weltentdecker“ ist für mich eine Verhöhnung – sie hatte niemals die Gelegenheit, die Welt zu entdecken.

Gleichwohl passt dieser beschwingte, positive Begriff natürlich heute besser….. Oder gerade heute nicht?!

Angelika Mauel
5 Monate zuvor
Antwortet  Riesenzwerg

Den Begriff „Weltentdecker“ würde ich ganz bestimmt nicht loben. Er ist eine geschmeidige und meiner Meinung nach überflüssige Anpassung an einen pädagogischen Modetrend. Kinder werden immer länger institutionell betreut – sollen aber ausgerchner jetzt „Weltentdecker“ sein, wo sie kaum noch echte Abenteuer erleben können, die für frei spielende Kinder früher selbstverständlich waren.

Kitanamen muss es eigentlich nicht geben. Viele verdienen es, hinterfragt zu werden.
Für mich wird Anne Frank nicht entehrt, wenn Kindergärten ihre Namen ändern. Der Medienrummel um die freie Namenswahl eines Kindergartens weckt vermutlich mehr Gedenken an sie als wenn ihr Name ebenso gedankenlos ausgesprochen wird wie „Pusteblume“ oder „Zwergenland“.

Lisa
5 Monate zuvor
Antwortet  Angelika Mauel

Na und? Als ob die Kinder am all den Einstein – Schulen die Relativitätstheorie verstehen müssten. Namensgeber sollen einfach nur inspirierende Persönlichkeiten sein. Anne Frank war nicht nur Opfer, sie war auch eine früh vollendete Schriftstellerin.

Angelika Mauel
5 Monate zuvor

Vor der Wende gab es schon einige Kitas in den östlichen Bundesländern mit dem Namen „Anne Frank“. Im Westen wurden der Name dagegen wohl ganz überwiegend nur von Schulen geführt.
Sofern es sich um eine Einrichtung für ältere Kinder handelt, spricht vieles dafür. Aber wenn Krippen- und Kindergartenkinder eine Einrichtung mit dem Namen „Anne Frank“ besuchen, frage ich mich, warum die Erwachsenen sich bei der Namensgebung nicht gesagt haben „Es sind Kinder! Kinder, die noch gar nicht reif dafür sind, bildungsplangemäß mit Leid konfrontiert zu werden. Wenn aber nicht über das Schicksal von Anne Frank gesprochen wird, dann wird ihr Name gedankenlos benutzt werden und das dürfte nichr im Sinne der Aufarbeitung sein.

Selbst in katholischen Kindergärten wird Kindergartenkindern nicht zugemutet, Einzelheiten über die Kreuzigung Jesu zu erfahren. Ostern ist im Kindergarten das Fest der Hasen und Ostereier. Erzieher gehen hoffentlich bereitwillig und sensibel auf Kinderfragen ein, sobald sie gestellt werden – aber was bitte soll es bringen, wenn der Name „Anne Frank“ ohne Hintergrundwissen von Kindern immer wieder gedankenlos benutzt wird?

Jüdische Eltern haben oftmals ihren eigenen Kindern nichts über das Schicksal ihrer Vorfahren erzählt. Warum respektiert man nicht, dass die frühe Kindheit nicht mit belastenden Themen überfrachtet werden werden darf? – In dem Film „Das Leben ist schön“ hat Roberto Benigni auf bezaubernde Weise gezeigt, wie ein Junge durch seinen Vater vor der Wahrheit verschont wurde – und dass es dem Kind gut getan hat.

Wie stehen andere zu dem „Getwittere“ oder Ge-„ickse“on Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Sven Schulze? „Die CDU im Stadtrat von Tangerhütte wird einer Umbenennung der ‚Anne Frank‘-Kita selbstverständlich nicht zustimmen. Hoffe, alle weiteren Stadträte auch nicht. Nicht nur in der heutigen Zeit, sondern generell ist solch ein Vorschlag völlig abwegig, instinktlos und kleingeistig“,

Es gibt Argumente dafür, dass Kinder im Elementarbereich für maches einfach noch nicht reif sind. Ergo sollte es kein Problem sein, wenn Eltern und Fachkräfte mehrheitlich schon vor längerer Zeit für einen anderen Namen waren und sich vielleicht gerade jetzt sogar bewussr aus einer ideologischen Debatte rausziehen wollen. Wie leicht kann ein Molotow-Cocktail aufs Kita-Gelände geworfen werden?

Gibt es auch Stimmen aus jüdischen Verbänden, die differenzieren, ob eine Schule oder eine Einrichtung der Erwachsenenbildung den Namen „Anne Frank“ trägt oder eine Einrichtung in der viele Kinder noch in die Windeln machen?

Noah
5 Monate zuvor
Antwortet  Angelika Mauel

abgesehen von der unsäglichen Position „Ostern ist im Kindergarten das Fest der Hasen und Ostereier“ – mit anderen Worten, es hätte nichts mit dem einen zentralen Ereignis des Christentums zu tun – finde ich Ihren Gedankengang sehr nachvollziehbar.

Angelika Mauel
5 Monate zuvor
Antwortet  Noah

Dann versuche ich, Ihrer verständlichen Kritik noch etwas aus der Praxis entgegenzusetzen. Seit die Bildungspläne für Kitas geschaffen wurden, wünschten natürlich auch die konfessionellen Träger, dass anders auf religiöse Gedenktage eingegangen würde als bisher. Ich kenne es nicht anders, als dass das Thema „Kreuzigung“ gemieden wird. Hat man mal einem Pastor gesagt hat, es wäre schön, wenn er zur religiösen Frühförderung in die Kita kommen würde, dann wurde mancher Geistliche bescheidener in seiner Erwartungshaltung.

In der Praxis wird vor Ostern eher der Einstieg in die religiöse Frühförderung über die Fastenzeit gewählt. Wenn im Stuhlkreis gefragt wird, was die Kinder denn dazu sagen können, bleibt es manchmal länger still. „Meine Mama will Diät machen und bis Ostern keine Süßigkeiten mehr essen.“ Ältere Kindergartenkinder haben selbstverständlich auch einiges vom Vorjahr behalten, aber die Antworten sind längst nicht so ergiebig wie zu Sankt Martin. Die Martinslegende wollen die Kinder möglichst schnell nachspielen. – Zu Ostern hingegen sind bekannte Kinderlieder über Osterhasen gefragt. Obwohl die Kirche gar nicht für ein Fasten durch Kleinkinder eintritt, wird aber seit einigen Jahren gelegentlich auch die Fastenzeit schon in Krippen thematisiert. So nach dem Motto „Kann ja nicht schaden, wenn früh genug klargestellt wird, dass auch Kinder auf etwas verzichten können.“ – Kindermund: „Dann darf man nur noch Möhrssen essen,“

Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Leider versuchen viele Seiten, auf die Entscheidungen der Fachkräfte in Kitas Einfluss zu nehmen. Für mich ist die Kindergartenleitung nicht instinktlos, wenn sie sich für einen anderen Namen einsetzt. Und gut gemeint in gesellschaftspolitischer Hinsicht ändert für mich nichts daran, dass dieser mediale Wirbel den Entwicklungsstand von Kindern ausblendet.

Tigerente
5 Monate zuvor
Antwortet  Noah

Die öffentliche Hysterie wegen der Umbenennung fand ich auch sehr befremdlich. Man darf das kritisieren, aber was daraus gemacht wurde, das ist ein Skandal, allerdings wohl typisch für die heutige Zeit.

Lisa
5 Monate zuvor

Weltendecker klingt furcht bar – wie das Brainstorming – Ergebnis einer Runde Marketing-Praktikanten. Mir drängt sich hier der Verdacht auf, dass die Kita Angst hat, für eine jüdische Einrichtung gehalten zu w und evtl das Ziel eines Anschlags zu werden. Wäre das so, fände ich das ganz schlimm.

Angelika Mauel
5 Monate zuvor
Antwortet  Lisa

Worauf stützt sich Ihr Verdacht? Das Anliegen der Eltern und Erzieherinnen lag dem Rat schon seit geraumer Zeit vor, wie den Medien zu entnehmen war. Ich finde es schade, wenn der jungen Kindergartenleitung Ansichten unterstellt werden, für die es keine Anhaltspunkte gibt.