SPD kritisiert: Immer mehr Wiederholer an Grundschulen – „überfordertes System“

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MÜNCHEN. Unzureichende Förderung, Hoffnung auf bessere Noten – woran liegt es, dass immer mehr Grundschüler in Bayern eine Klasse wiederholen? Klar ist: Die Zahl der Wiederholer ist im Fünf-Jahres-Vergleich gestiegen.

Zurücktreten bitte… Illustration: Shutterstock

Immer mehr Grundschülerinnen und Grundschüler in Bayern wiederholen eine Klasse – zumeist freiwillig. Das geht aus Antworten des Kultusministeriums auf parlamentarische Anfragen der SPD-Landtagsfraktion hervor. Demnach wurden an den Grundschulen in Bayern in Schuljahr 2022/23 insgesamt 7390 Wiederholer gezählt. Fünf Jahre vorher, im Schuljahr 2017/18 waren es noch 6475. Unter Berücksichtigung der in dieser Zeit gestiegenen Schülerzahlen bedeutet das immer noch eine Zunahme um mehr als fünf Prozent.

Die bildungspolitische Sprecherin der Landtags-SPD, Simone Strohmayr, wertete die Zahlen als Alarmzeichen. «Wir sehen hier das Ergebnis eines überforderten und personell ausgedünnten Systems», argumentierte sie. «Auf der einen Seite schaffen es die Grundschulen nicht mehr, Kinder individuell so zu fördern, dass Defizite etwa beim Spracherwerb direkt aufgefangen werden können.» Doch auch mit Sitzenbleiben lasse sich das Problem nicht lösen: Laut einer jüngsten Studie könne ein Viertel der Schülerinnen und Schüler nach der Grundschule nicht richtig lesen, schreiben oder rechnen.

«Auf der anderen Seite ist durch das sogenannte Grundschulabitur der Leistungsdruck enorm hoch: Kinder wiederholen mitunter völlig unnötig ein Jahr, um im zweiten Anlauf dann den notwendigen Schnitt für die gewünschte weiterführende Schule zu bekommen», sagte Strohmayr.

Strohmayr forderte daher deutlich mehr Lehrerinnen und Lehrer, mehr Förder- und Zweitlehrkräfte an den Grundschulen sowie mehr Deutschkurse in Kindergärten und Grundschulen. «Die negativen Auswirkungen des Personalmangels sind klar sichtbar», sagte die SPD-Landtagsabgeordnete und warnte: «Wenn wir nicht schnell umsteuern, verliert eine ganze Schülergeneration Bildungschancen.»

Die Zahl der «pflichtgemäßen» Wiederholer an den Grundschulen (606) war 2022/23 niedriger als fünf Jahre zuvor (933). Demgegenüber ist die Zahl der Wiederholer «aus sonstigen Gründen» klar gestiegen. Darunter fällt neben dem typischen freiwilligen Wiederholen auch die (freiwillige) Wiederholung aus besonderen Gründen (meist Krankheit). News4teachers / mit Material der dpa

Pisa-Fakten: Jeder fünfte 15-Jährige in Deutschland ist schon mal sitzengeblieben (deutlich mehr als in erfolgreichen Bildungssystemen)

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Muellerin
3 Monate zuvor

Man schaue einfach auf den IQB-Bildungstrend 2021. In Bayern haben beim Lesen 67,7 % der Viertklässler die Regelstandards erreicht (Platz 1 unter den Bundesländern), In Berlin 48,5 %, in Brandenburg 51,3 % (mit dem steilsten Abstieg gegenüber 2016) und in Bremen 44,4 %. Die Probleme scheinen außerhalb von Bayern größer zu sein (außer in Sachsen mit 67,3 %). Ob das nun mit oder ohne Sitzenbleiben erreicht wird, dürfte wohl für die weitere Schullaufbahn nebensächlich sein.
Die SPD-Fraktion könnte mal nachschauen, in welchen anderen Bundesländern das System ebenfalls überfordert ist. Der Wahlkampf in Bayern ist vorbei.

Cuibono
3 Monate zuvor

Da wird wohl das bayrische Grundschulabitur eine Rolle spielen. Interessant wäre eine visuelle Übersicht zu den Städten und Landkreisen, wie stark das Phänomen freiwillige Wiederholung wo auftritt.

Meine starke Vermutung: in Städten viel häufiger als im ländlichen Raum. Immer dort, wo die Haupt- bzw. Mittelschule auch in Bayern zur Resterampe wird.

Lisa
3 Monate zuvor

Manchen Kindern fehlt das Vorschuljahr. Oder sie sind schlicht noch zu jung ,will sagen, noch nicht entwickelt genug für einen langen Schultag mit so vielen anderen Kindern.
Ich hatte Eltern, die versucht haben, ihre Kinder früh in die Schule zu bekommen, mit dem Argument, dass Schule im Gegensatz zur Kita gratis wäre. Oft würde dann auch freiwillig wiederholt.

GriasDi
3 Monate zuvor

Überlastet, nicht überfordert.