Mehr Mathe und Deutsch auf Kosten von Kunst und Musik? Astrophysiker Lesch: „Dieser Ansatz ist Quatsch“

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BAMBERG. Mehr Mathe und Deutsch, weniger Kunst und Musik – diese Neugewichtung an Grundschulen in Bayern als Reaktion auf die PISA-Studie wird heftig diskutiert. Nicht nur der Wissenschaftsjournalist und Astrophysiker Prof. Harald Lesch hält das für kontraproduktiv. Religion liegt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder dagegen sehr am Herzen, wie er erneut betont.

Weniger Kunst und Musik statt Kürzungen beim Fach Religion – mit dieser Entscheidung hat das bayerische Kabinett für eine erregte Debatte gesorgt. Nun hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Entscheidung vom Dienstag verteidigt, mit der nach dem schlechten Abschneiden Deutschlands bei der PISA-Studie die Fächer Mathematik und Deutsch an Grundschulen gefördert werden sollen (News4teachers berichtete). Religionsunterricht stärke Herz, Geist und Charakter junger Menschen, sagte Söder bei der Amtseinführung des neuen Erzbischofs Herwig Gössl in Bamberg. «Deshalb steht der Freistaat weiter zum Religionsunterricht.»

Weniger Kunst, Musik und Werken, damit die Kinder künftig besser schreiben, lesen und rechnen können? «Dieser Ansatz ist Quatsch», kritisierte etwa der Astrophysiker Harald Lesch, Träger des Bayerischen Verdienstordens, in der «Süddeutschen Zeitung». «Ausprobieren wird in Kunst, Musik und Werken unglaublich befeuert – wenn man die Kinder machen lässt und schaut, wie weit sie mit ihren Fähigkeiten kommen.»

Lesch verwies auf Herausforderungen wie den Klimawandel oder den Frieden in Europa. «Wir wissen nicht, was auf uns zukommt. Wir wissen nicht, welche Lösung die richtige ist. Wir müssen eine Menge ausprobieren und Irrtum zulassen. Das lernen Kinder in kreativen Fächern.» Auch Werken sei für Kinder wichtig, «damit sie erfahren, dass sie mit den Händen mehr bewegen können als eine Tastatur, dass sie etwas bauen können».

Schon in einem früheren Interview mit dem Magazin «Bildungsthemen» hatte Lesch betont: «Die wichtigen Fächer in der Schule sind Kunst, Sport und Musik. Da wird Kreativität, da wird die Lust am sich Austoben stimuliert und ge­nau diese Lust braucht man auch bei den MINT-Fächern. Es hat überhaupt keinen Sinn, die Schulausbildung so überzuakademisieren, weil wir mit jungen Menschen zu tun haben, die sich entwickeln.»

«Kann jemand mal vorrechnen, welche Temperatur man braucht, um jemanden zu beamen?»

Interesse an den Naturwissenschaften werde mit Kreativität geweckt – nicht mit Stoffhberei: «Wenn ich zum Beispiel in der Schule das Projekt mache ‚Die Physik von Science-Fiction-Filmen‘ dann klingt das doch ganz anders, als wenn ich sage: ‚Das geht hier um Physik.‘ Darauf hat keiner Lust. Science Fiction ist klasse, Filme sind gut. Und dann kann man anfangen, mit den Schülern zu spekulieren. Kann jemand mal vorrechnen, welche Temperatur man braucht, um jemanden zu beamen?»

Lesch kritisierte dabei auch die Entwicklung des Mathematikunterrichts. «Viel zu wenig Kopfrechnen, viel zu wenig Prozentrechnen. Die elementa­ren Rechenoperationen werden nicht mehr unterrichtet, stattdessen irgend so ein abgespacetes Zeug über Mengenlehre, das kein Mensch wirklich braucht. Es wird nicht genügend Geometrie gemacht, räumliche Orientierung wird viel zu we­nig gemacht, dafür viel zu viel Algebra. Das braucht kein Mensch. Da steckt viel zu viel Drill dahinter, zu wenig Kreativität. Projekte muss man machen mit den Schülern, das ist das, was bei den MINT-Fächern am ehesten dazu führt, dass Kin­der und Jugendliche sich mit dem Thema auseinandersetzen.»

In die gleiche Kerbe schlägt Klaus Zierer, Professor für Schulpädagogik an der Universität Augsburg, im «Fränkischen Tag». Seiner Meinung nach sollte sogar mehr Platz für Kunst, Musik und auch Sport geschaffen werden – Fächer, in denen Kinder lernen würden, wie man kooperiert, reflektiert und in denen sie ihre Persönlichkeit entwickeln könnten. Zierer spricht sich stattdessen für eine «Entrümpelung» der Fachlehrpläne aus. So habe etwa die Wahrscheinlichkeitsrechnung in der Grundschule «keinerlei lebensweltliche Relevanz» für die Kinder. Würde man solche Inhalte zugunsten des Wesentlichen reduzieren, sagt er, «hätte es keine zusätzlichen Mathematikstunden gebraucht», dasselbe gelte für Deutsch.

«Wer die Musik so ins Abseits stellt, wird seiner politischen Verantwortung nicht gerecht und versündigt sich an der Zukunft unserer Kinder»

Entsetzen auch beim Deutschen Musikrat über die Entscheidung der bayerischen Staatsregierung. «Musikalische Bildung öffnet Herz und Geist für das Miteinander und für die Auseinandersetzung mit den Ungewissheiten unserer Zeit. Denn Musik erreicht den Menschen in einer beispiellosen Breite und Tiefe – Söder und seine Bildungsministerin offenbar nicht», hatte Generalsekretär Christian Höppner erklärt. «Wer die Musik so ins Abseits stellt, wird seiner politischen Verantwortung nicht gerecht und versündigt sich an der Zukunft unserer Kinder.»

Der Musikpädagogik-Professor Daniel Mark Eberhard von der Katholischen Universität (KU) Eichstätt sprach sich dafür aus, Musik fächerübergreifend zu berücksichtigen. «Durch Musik können nicht nur Lernvorgänge in allen Fächern unterstützt, sondern auch außermusikalische Zielsetzungen, etwa im Bereich persönlicher und sozialer Kompetenzen gestärkt werden», heißt es in einer Mitteilung auf der Internet-Seite der KU.

Anders als Söder hatte Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) Abstriche im Fach Religion nicht ausgeschlossen, das in den Klassen drei und vier mit jeweils drei Wochenstunden unterrichtet wird. Doch die CSU erhob sofort Einspruch. In der Folge wurde deshalb beschlossen, bei Kunst, Musik und Werken oder beim Englischunterricht zu kürzen. News4teachers / mit Material der dpa, Titelfoto: ZDF, Johanna Brinckman, Wikimedia Commons, CC BY 4.0

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Unfassbar
1 Monat zuvor

Rückkehr zur Input- und Leistungsorientierung, Hausaufgaben, Üben, Üben usw. würde auch helfen. Kompetenzen im Sinne der aktuellen Auslegung braucht niemand. Die Pisa-Studie allerdings auch nicht wirklich.

GriasDi
1 Monat zuvor

Zitate Lesch
„Kann jemand mal vorrechnen, welche Temperatur man braucht, um jemanden zu beamen?“
„dafür viel zu viel Algebra. Das braucht kein Mensch. “

Doch, die braucht man – zum Berechnen der Temperatur, die man braucht, um jemanden zu bekamen. Herr Lesch wenn wüsste, wie gering die Algebra-Kenntnisse sind, würde er das nicht behaupten.

„irgend so ein abgespacetes Zeug über Mengenlehre, das kein Mensch wirklich braucht.“
In welchem Bundesland wird Mengenlehre in der Grundschule unterrichtet?

Zitat Zierer
„So habe etwa die Wahrscheinlichkeitsrechnung in der Grundschule «keinerlei lebensweltliche Relevanz» für die Kinder.“

Fragen Sie mal die Professoren Gigerenzer, Krämer usw. Die behaupten das Gegenteil.

Realist
1 Monat zuvor
Antwortet  GriasDi

Prof. Lesch hat vor langer Zeit interessant und kompetent angefangen („Alpha“ beim Bayerischen Rundfunk, wo er versucht hat, physikalische Themen minimalistisch und verständlich aufzubereiten).

Mittlerweile mischt er sich in jedes gesellschaftspolitische Thema (Klimawandel, Bildung, …) mit seiner (begrenzten) Sicht des Astrophysikers ein. Er weiß bestimmt eine Menge, sollte aber den Spruch von Albert Einstein mehr beherzigen:
‚As our circle of knowledge expands, so does the circumference of darkness surrounding it‘

ulschmitz
1 Monat zuvor
Antwortet  Realist

Klimakrise ist doch nicht nur gesellschaftspolitisches Thema, da gehts um Physik, Chemie, mathematische Modelle, Eisbohrkerne usw. usw. – und tatsächlich auch um Astrophysik (z.B. interessant die Geschichte des Planeten Venus).
Die gesellschaftspolitische, ökologishe und ökonomische Relevanz muss natürlich auf jeden Fall mit in den fächerübergeifenden Unterricht zum Thema.
Vielleicht sollte mal jemand die Serie „Professor Proton“ ins Deutsche übersetzen, von der Serie ist doch bei BIG BANG THEORY immer die Rede…

Rainer Zufall
1 Monat zuvor

Gerade bei Musik und Sport finde ich es heftig, bei Kindern die Stunden kürzen zu wollen (und sich danach aufzuregen, dass sie zu viel Zeit am Handy verbringen…

Würde da auch eher dem Entrümpeln zustimmen, aber wir haben hier ohnehin eine Magelsituation mit schmerzhaften Abstrichen 🙁

Tester
1 Monat zuvor

Man möge meinen, dass in meiner Branche (Informatik, Entwicklung von Programmen) keinerlei Kreativität benötigt wird, sondern nur Mathematik.

Doch die Realität lässt mich immer wieder erkennen, dass Kreativität wichtig ist.

Durch die Förderung von Kreativität sowohl in der Schule als auch außerhalb, lernen Kinder, Probleme auf durchaus interessanten Wegen zu lösen. Denn keine Denkweise gleicht der anderen. Es gibt keine ultimative Lösungen in der Informatik. Viele Lösungen basieren auf Kreativität.

Wenn ich so etwas lese, dann stellt sich mir die Frage, was die KuK nur denken. Als würden Fähigkeiten wie Kreativität und Teamarbeit nicht wichtig sein im späteren Leben.

Hans Malz
1 Monat zuvor
Antwortet  Tester

Ich bezeichne Informatik auch immer als Geisteswissenschaft, wenn ich gefragt werde. Aber ohne fachliche Grundlagen in Deutsch (vor allem Leseverstehen), Mathe und Englisch geht da eben auch mit Kreativität gar nichts.

Es macht aber keinen Sinn, das gegeneinander auszuspielen. Lieber fächerübergreifend denken: Musik ist (viel) Mathematik, Programmieren ist Lyrik, Bildbearbeitung ist Kunst…

Tester
1 Monat zuvor
Antwortet  Hans Malz

Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu.

Informatik besteht aus vielen Teilen.

Deutsch und Englisch sind wichtig, damit man Anforderungen der User Story und die Tutorials der Programmiersprachen versteht. Mit Deutsch kann man eigentlich, wenn es um Hilfestellungen geht, nicht viel bezwecken, da diese zumeist auf Englisch sind. Hierbei gilt also nicht nur Leseverständnis, sondern auch um die aktive Anwendung von der englischen Sprache.

In Mathematik lernt man, ein Problem zu erkennen und mit der richtigen Formel zu lösen. Dies ist ein Grundprinzip in der Programmierung. Man hat ein „Problem“, welches man mit den gegebenen „Mitteln“ (bspw. ganz primitiv gesagt: Schleifen, if-Abfragen) lösen muss.

Bei der Lösungsfindung erfordert es häufig, wie schon in meinem vorherigen Kommentar erwähnt, Kreativität. Doch nicht nur Kreativität, sondern auch Teamarbeit sind von Nöten. Manchmal findet man die Lösung für das Problem nicht und man ist gezwungen, einen Kollegen oder Kollegin um Hilfe zu bitten. Diese haben manchmal andere Lösungsansätze und/oder bringen neue Ideen rein.
Diese Fähigkeiten werden folglich von Kunst und Sport gefördert.

Diese Erkenntnisse habe ich allerdings erst im Nachhinein entwickelt. Und gerade deswegen sollten Inhalte fächerübgreifend unterrichtet werden.

ulschmitz
1 Monat zuvor
Antwortet  Hans Malz

Es gibt auch z.B. die Möglichkeit, in Kunst Modelle von Bakterien und Viren zu basteln – und schon müssen alle mal gucken – oder in Bio fragen – worum es bei den Viechern geht. In der Projektwoche dann die große Ausstellung der Ergebnisse mit den häufigen Hinweisen: „Achtung, ansteckend!“ – heute könnte man COVID-19 und andere Pandemien aufarbeiten – gesellschaftlich, historisch usw. – und iin Kombi mit Kriegen – Span. Grippe + I. WK, Pest im 17. Jh. + 30j. Krieg; das gibt Stoff für jede Menge Projekte und Referate.

Arno
1 Monat zuvor

Verstehe ich das richtig: Kunst, Musik, Sport und Religion sind wichtig für unsere Zukunft (im Einklang mit den 21st Century Skills), aber Deutsch, Mathematik, Physik usw. sind weniger wichtig? Klingt irgendwie merkwürdig. Jedenfalls braucht man für die Digitalisierung weder Kunst, Musik, Sport noch Religion, sondern IT-Experten. Wo kommen die her, vielleicht aus Indien oder China?

Florian Mrugalla
1 Monat zuvor

Religionsunterricht fand ich schon immer beengend und sinnlos missionarisch. Die wenigsten Religionslehrer behandelten alle Religionen gleichmässig und grundsätzliche Themen der Spiritualität, wie zB. Schamanismus oder übersinnliche Erfahrungen, wurden nie besprochen.

pfk
1 Monat zuvor
Antwortet  Florian Mrugalla

Auweia.
Es ist schon klar, dass es erlaubt und erwünscht ist, sich nach der Schule und auch für immer (solange das Herz pocht) nach der Schulzeit, SELBSTtätig interessengeleitet und ohne externe Aufforderung in Bibliotheken zum Buchaufschlagen oder in Schwitzhütten mit selbst zugefügten Rutenschlägen aufzuhalten? Ein Abgangszeugnis/Abschlusszeugnis besiegelt nicht das Ende aller Weisheit… und ist kein Freibrief für Kopp zu machen.
In diesem Sinne: Volle Kanne Hoschi!

Biene
1 Monat zuvor
Antwortet  Florian Mrugalla

Meine SuS freuen sich, wenn ich Exkurse einbaue, gerne auch nach einem kurzen Gespräch zu Stundenbeginn, um wichtige Inhalte noch schnell unter zubringen.
Referate sind erlaubt, wer möchte gerne auch zu Themen, die man eher weniger findet (Schamanismus wäre eines davon), aber immer Lehrplankonform.
Sie hätten sich bestimmt gefreut, wenn Ihnen diese Möglichkeit von einer LK gegeben worden wäre.

Der Zauberlehrling
1 Monat zuvor

Der Astrophysiker ist quatsch. Schuster, bleib‘ bei Deinen Leisten.

Wir brauchen zu den 84 Millionen Fussballtrainern nicht noch 84 Millionen Didaktiker und Bessererlehrerseier.

Canishine
1 Monat zuvor

Bei der Kernaussagen bin ich bei Herrn Lesch, dass eine Fixierung auf Deutsch und Mathematik kontraproduktiv sein kann, alle anderen Aussagen kommen mir eher etwas widersprüchlich vor, und sein Pädagogikverständnis teile ich nicht unbedingt. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass ich keine Idee habe, wie die Temperatur zum Beamen zu berechnen ist (die Autokorrektur brachte mich allerdings auf die Idee, dass er vielleicht die Temperatur des Beamers meinte …).

ulschmitz
1 Monat zuvor
Antwortet  Canishine

Viel spannender wäre die Diskussion: Ist Beamen überhaupt grundsätzlich möglich? – da käme man schnell auf Leibniz und Athanasius Kircher mit ihrer Idee einer „Gottesmaschine“ – Grundlage wäre u.a. die Rechnung mit Null und Eins, da wäre man dann schnell bei den heutigen Computern. Gleichzeitig stellte sich die Frage, wie viele Atome denn so ein menschl. Körper wohl hat – und zack! wäre man bei der Atom- und Quantenphysik…

MB aus NRW
1 Monat zuvor

Im Hinblick auf Mathematik bin ich voll bei Lesch, der Trend geht aber aktuell in die genau entgegengesetzte Richtung: bloß nicht zu viel üben, bloß kein Kopfrechnen, alles in den Rechner / GTR / CAS einhacken und ihn die Magie wirken lassen.
Prozentrechnen…wozu im Kopf? Kann der Rechner! Wozu sich Gedanken darum machen, wie man mit Prozentangaben unterfüttert Quatsch behaupten kann, wenn man nur die reinen Prozentangaben nimmt?
Wenn ich meinen Schüler*innen dann damit komme, dass ich ja der beste Basketballer der Welt bin, weil ich zuletzt 100% meiner Würfe getroffen haben – und das hat nicht einmal Michael Jordan geschafft…große Blicke…(ja, 1 von 1 ist 100%, sagt nur halt nichts aus – genau so wie schwachsinnige Umfragen auf youtube unter Schwurbelkanälen, auf die nur ein paar der Schwurbelkanal-Abonnenten antworten).
Oder auch mein Angebot, dass ich, wenn ich – ohne Geld zu haben – von einem der Kinder 50% von 100€ bekomme, denen dann am nächsten Tag 60% meines Geldes zurückgebe…ja, das sind 10% mehr…aber leider von einem anderen Grundwert; tja, Pech, 20€ verloren…
Bloß kein Verständnis für Mathematik einfordern, das kann ja Schüler überfordern und z.B. den Logarithmus von 8 zur Basis 2 ohne Taschenrechner…gut, scheiterte bei mir daran, dass gar keiner der 29 (!) Schüler*innen in meinem GK mehr wusste, was überhaupt der Logarithmus ist – aber der GTR kann das ja lösen…wenn dann aber jemand mit dem Flugtaxi (das natürlich nur aus einem Punkt besteht) völlig geradlinig von einem Wolkenkratzer zum anderen fliegt (kein Scherz, original Sachkontext einer Abituraufgabe) und die erkannt haben, dass man da nur eine Gerade berechnen soll, macht das der Rechner problemlos für die Kinder.
Und nein, Stochastik sollte man nicht auch noch aus dem Lehrplan streichen, wir streichen und streichen und streichen, dadurch wird ja nichts besser, vor allem, wenn wir das Lernen und Üben immer mehr streichen. Mathe kann und soll spannend sein; man kann an so vielen Stellen ans reale Leben anschließen – aber ab und zu muss man halt auch einfach mal üben. Das nervt – ja. Macht das Spaß – sicher nicht immer, aber es geht nicht ohne.
Passend zum Artikel zur Musik: wenn ich ein Instrument lerne, muss ich irgendwann auch üben, sonst komme ich nicht weiter. Und dann spiele ich eben kein schön klingendes Stück, sondern sitze Stunde vor irgendwelchen Etüden (das sind Übestücke) – am Klavier z.B. Tonleitern, auf Streichinstrumenten Lagenwechsel etc. Gewisse Grundlagen müssen sich automatisieren, sonst komme ich halt nicht weiter…
So, reicht für heute morgen, auf zur Arbeit…

Dejott
1 Monat zuvor

Ich zitiere da gerne den ehemaligen Mathelehrer und späteren Erziehungswissenschafter Hans Werner Heymann: Erwachsene, die nicht in mathematikintensiven Berufen tätig sind, brauchen für ihren privaten und beruflichen Alltag nur relativ wenig Mathematik – was über den Stoff hinausgeht, der üblicherweise bis Klasse 7 unterrichtet wird (Prozentrechnung, Zinsrechnung, Schlussrechnung) spielt später kaum noch eine Rolle.

Mathe macht glücklich.
1 Monat zuvor
Antwortet  Dejott

Hans Werner Heymann – Allgemeinbildung und Mathematik
ISBN:978-3-407-29323-7

Canishine
1 Monat zuvor
Antwortet  Dejott

Ein Kardiologe hat mir neulich die Auswertung eines Herzultraschalls (ansatzweise) erklärt und mir dabei willkommene Anregungen zur Integralrechnung gegeben.

Arno
1 Monat zuvor
Antwortet  Dejott

Soweit ich gelesen habe, hat sich Heymann mit seinen Vorstellungen gerade NICHT durchgesetzt, der Rest der Welt hat anders entschieden. Wie ist das eigentlich in anderen Ländern? Gibt es Länder, in denen nach Klasse 7 oder so Mathematik an Schulen nur noch ein Wahlfach ist? Und was sind die Wahlalternativen dabei?
Und wie sieht das bei den anderen Schulfächern aus, was brauchen Erwachsene davon für ihren privaten und beruflichen Alltag?
Oder wollen Sie verlangen, dass die Schüler nach Klasse 7 schon entscheiden, ob sie später in einen mathematik- oder sprach- oder kunstintensiven Beruf gehen wollen? Ich lese immer nur, dass solchen frühen Festlegungen nicht sinnvoll sind.

uesdW
1 Monat zuvor
Antwortet  Dejott

Mag ja sein, aber wenigstens sollte die Mathematik bis zu siebten Klasse sitzen.

Lisa
1 Monat zuvor

War auch mein Gedanke. Gerade Kinder, die nicht gut sprachlich sind, mögen oft gerne Kochen oder Werken, weil sie sich da auf andere Weise ausdrücken und profilieren können.

Ein alter DaZ- Spruch sagt ja : JEDE Stunde ist eine Deutschstunde.

Und es gibt auch die guten Schüler in GS. Warum allen Schülern das Schöne in der Schule wegnehmen?,

Ansonsten wären Förderstunden, in denen die Klassen in Kleingruppen aufgeteilt werden könnten, am besten, da könnte man alle Leistungsniveaus besser fördern. Das ist dann die böse äußere Differenzierung.

Dil Uhlenspiegel
1 Monat zuvor

„sollte sogar mehr Platz für Kunst, Musik und auch Sport geschaffen werden“
Ne, es sollte mehr Platz für überhaupt irgendetwas geschaffen werden, z.B. für alle SuS und LuL.

mama51
1 Monat zuvor

Kurz gefragt und geantwortet:
… und warum will „Bayern“ Kunst und Musik zugunsten von DE + MA kürzen/streichen?
Damit an den lächerlichen drei Stunden Religion festgehalten werden kann! Um zu dieser Einschätzung zu kommen, brauche ich keine Wissenschaftler und keinen Herrn Lesch, den ich im Übrigen sehr schätze!
Das ist sowas von lachhaft… leider ist es zm Heulen 🙁
Wer Religionsunterricht will, soll diesen in die Nachmittagsstunden verlegen. Und freiwillig! Dann wird sich herausstellen, wer, außer Herrn Söder & Co., diesen Unsinn noch soooo wichtig findet.

pfk
1 Monat zuvor
Antwortet  mama51

Warum geht man nicht einfach in die Sonntagsschule, alternativ Freitag und Samstag für die anderen Relis am außerschulischen Lernort in eine Gemeinde? Religion ist Privatsache, Ethik brauchen alle für ein gemeinsames Fundament. Und letztere kann besonders AUCH mittels und in Kunst, Musik und Sport angewendet ausgedrückt und verhandelt werden. Wär halt geil, die Schule nicht als einzigen wichtigen Ort von Gesellschaft daher zu fabulieren…

AvL
1 Monat zuvor

Dass mit Hilfe von Liedern Sprachen vermittelt werden,
scheint der bayrischen Staatsregierung nicht in den
Sinn zu kommen.
Aber was soll man sich aufregen,
es ist Bayern und nicht NRW,und
„mir san mir“, in jedem Bundesland
läuft es anders in der Gewichtung der Inhalte.
Die Mengenlehre wurde schon gefühlt vor
einem Jahrzehnt gestrichen.
Algebra ist sinnvoll, für das Mengenverständnis.

Biene
1 Monat zuvor
Antwortet  AvL

In Bayern sind eben die besonderen unter den Glorreichen zu Hause, dafür muss man einfach Verständnis haben.
Tipp am Rande: Bald sind wieder Wahlen…..

wolfgang Endemann
1 Monat zuvor

Wenn Söder sagt, Religion stärke Herz, Geist und Charakter, dann hat er insofern recht, als Religion nicht die kognitiven Fähigkeiten stärkt, sondern bestenfalls positiv emotionale wie Empathie, aber auch höchst problematische wie Kleinmut, Unterordnung, Ungeist einer nur für Religiöse existierenden metaphysischen Geisterwelt, und einen wahnhaften, zumindest nicht reflektierbaren Zwangscharakter. Soweit Religion noch zur Kultur einer Gesellschaft gehört, ist Religion ein angemessenes Lehrfach an der Schule, die ja die Kulturkompetenzen vermitteln soll. In einer Gesellschaft, die sich vom Religiösen emanzipiert, wird dieses Schulfach problematisch bis obsolet.
Lesch verweist dagegen darauf, daß Kunst und Musik in unserer Kultur (für den ganzen Menschen) eine immer größere Rolle spielen, und daher in der schulischen Ausbildung, besser in der Bildung tendenziell autonomer Individuen eine immer größere Rolle zu spielen haben. Und da wir eine technologische Zivilisation haben, muß auch die Kompetenz der jungen Neubürger rasant gesteigert werden. Die Gesellschaft kann nicht nur, weil wir immer älter werden, sondern muß auch immer mehr Zeit in Bildung und Kompetenzerwerb der Schulpflichtigen investieren, weil die Kultur wie das Wissen kumulativ ist. Wobei der Zusammenhang der Gesellschaft stark davon abhängt, daß die besondere Fähigkeit der Menschen zu Kommunikation und Kooperation durch eine lange und intensive Allgemeinbildung im Schulsystem gewährleistet, nicht schon frühzeitig auf Spezialisierung verkürzt wird. Deutsch (Sprachen), Mathematik, Musik, Kunst, Grundlagen von Einzelfächern, Sport (als motorische Kompetenz). Besonders hinweisen möchte ich auf die Verwandtschaft von Mathematik und Musik, letztere ist fast schon eine angewandte mathematische Disziplin, in der Schönheit, Wahrheit und Kreativität zusammenkommen.

Realist
1 Monat zuvor

Letztendlich basiert die westliche Wissenschaft (und ja, die „moderne“ Wissenschaft ist ein Produkt des westlichen Kulturkreises!) auf der „Aufklärung“ und es ist sicherlich kein Zufall, dass diese sich im Kulturkreis der christlchen Religionen und nicht anderswo auf der Welt entfalten konnte. Insofern hat der Söder gar nicht einmal so Unrecht. Kunst und Musik sind für unsere Kultur (und die damit die Wissenschaft) wichtig, Relgion aber letztendlich auch.

wolfgang Endemann
1 Monat zuvor
Antwortet  Realist

Das ist komplizierter. Die Wissenschaft (das wissenschaftliche Denken) wurde u.a. in China, Indien, dem klassischen Griechenland, dem arabischen Raum entwickelt. Die christlichen Länder waren lange in ihrer Entwicklung retardiert. Erst die Renaissance hat auf die entwickelten Hochkulturen zurückgegriffen. Ich halte die marxistische Erklärung mit der Produktivkraftentwicklung für die plausibelste, die die explodierende Dynamik der Neuzeit zu erklären versucht. Und sie ist der Beginn der Entmystifizierung, also auch der Depotenzierung der Religionen. Es ist sicher dialektisch, aber die Neuzeit verdankt sich mehr der Kritik der Religion als der christlichen Tradition (auch wenn Mönche und Priester die ersten Wissenschaftler waren).

AvL
1 Monat zuvor

Wissenschaftliches Arbeiten wurde,
siehe Galileo Galilei und Leonardo
da Vinci, eben im Verborgenen ausgeübt
(Sektionen durch da Vinci) oder verboten,
die Erkenntnisse weiter zu verbreiten (Galilei) .
Es war gerade die Römisch-Katholische Kirche,
die sich als Bremser der Wissenschaft verhielt,
weil sie eben alles naturwissenschaftliche als
von Gott geschaffen ansah.

wolfgang Endemann
1 Monat zuvor

In meinem ersten Kommentar habe ich auf die berechtigte, sehr dezidierte Fundamentalkritik von Lesch hingewiesen, hier nun eine kleine Kritik an Lesch selbst, die keineswegs meine Wertschätzung von Lesch und seinen Bemühungen um Popularisierung wissenschaftlicher Erkenntnisse schmälern soll.
«Viel zu wenig Kopfrechnen, viel zu wenig Prozentrechnen. Die elementa­ren Rechenoperationen werden nicht mehr unterrichtet, stattdessen irgend so ein abgespacetes Zeug über Mengenlehre, das kein Mensch wirklich braucht. Es wird nicht genügend Geometrie gemacht, räumliche Orientierung wird viel zu we­nig gemacht, dafür viel zu viel Algebra.»
1. Man braucht ein Verständnis von Größenordnungen, und man braucht Kenntnis von präzisen Techniken der Berechnung. Man sollte also wissen, wie man schriftlich bei einem genauen Wert x entsprechend genau y% ausrechnet. Dazu kann man jedoch im Bedarfsfall auf den Taschenrechner zugreifen. Man sollte jedoch in der Lage sein, überschlagsweise im Kopf eine angenäherte Lösung zu berechnen, zB bei 7% von x einen glatten Wert unterhalb von x, nennen wir ihn x*, zu wählen, und dann den Mittelwert von 10% = x*/10 und 5% = ½·x*/10 im Kopf berechnen. Beides muß man üben, aber eher weniger als „zu wenig Kopfrechnen, zu wenig Prozentrechnen“.
2. Mengenlehre braucht man nicht, wenn man sie falsch lernt. Aber soll man nicht mehr lernen, was Durchschnitts-, was Vereinigungsmenge ist? Aus dem Strukturlernen der Mathematik ist sie nicht wegzudenken. Das fängt an mit dem Unterschied von Kardinal- und Ordinalzahlen, dem Zahlenaufbau und der Klassifizierung der Zahlen, der Fähigkeit, Eigenschaftsklassen zu bilden, also ganz elementar: was sind natürliche, gerade, ungerade, rationale, irrationale Zahlen, was sind kommutative, was nichtkommutative Operationen (Verknüpfungen). Konkret etwa, um es mit dem Kopf- und Prozentrechnen zu verbinden: sind 7% von 11% dasselbe wie 11% von 7%? Aber gilt auch: (1:2):3 = 1:(2:3)?
3. Geometrie ohne Algebra entzieht der Geometrie die Analytizität, was bleibt vom Verständnis des Anschauungsraumes übrig ohne die algebraischen Begriffe Mannigfaltigkeit und Raum. Wie kann ich geometrische Berechnungen durchführen ohne Linearität und Abstandsformel? Nur auf der untersten Ebene kommt man in der Geometrie ohne numerisches Rechnen aus, daher wird Geometrie als analytische Geometrie betrieben. Ich bin allerdings kein Feind der synthetischen Geometrie, Leschs Einstellung als Physiker verwundert mich allerdings sehr. – Freilich ist richtig, daß man im modernen Alltag davon kaum etwas braucht, das gilt jedoch für die gesamte Mathematik. Wenn man die Grundlagen der analytischen Geometrie für verzichtbar in der Allgemeinbildung hält, wo soll man aufhören zu bilden? Beim Dreisatz, beim Prozentrechnen, bei Winkeln, Quadraten, Kreisen?

Brigitte Morgenstern
1 Monat zuvor

Als Musikerin bin ich entsetzt, was Herr Söder da vorhat. Er verkennt, was Musik gerade bei Kindern für positive Auswirkungen hat. Soziale Kompetenz, Förderung der Gehirntätigkeit, die auch allen anderen Fächern zu Gute kommt usw. Hoffentlich hat das Vorhaben keine Auswirkungen auf andere Bundesländer. In NRW ist ein neues Kulturgesetz in Kraft getreten. Bayern sollte sich daran orientieren.