Kirchenaustritte: SPD drängt auf Einführung von Ethikunterricht an Grundschulen

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STUTTGART. Immer mehr Schüler in Baden-Würtemberg sind konfessionslos. Während die SPD für Ethikunterricht in Grundschulen plädiert, beruft sich das Kultusministerium auf (zu) hohe Kosten.

Immer weniger Menschen in Deutschland gehören den christlichen Kirchen an. Foto: Shutterstock

Grün-Schwarz darf aus Sicht der SPD im Landtag die Einführung des Ethikunterrichts an den Grundschulen nicht mehr auf die lange Bank schieben. Immer mehr Menschen kehrten der Kirche den Rücken zu, doch das spiegele sich nicht im Unterrichtsangebot der Südwestschulen wider, sagte SPD-Bildungsexperte Daniel Born mit Blick auf die wachsende Zahl von Kirchenaustritten. «Auf den steigenden Bedarf an Ethikunterricht ist das Land schlecht vorbereitet.»

Die Regierung müsse den bislang nur an weiterführenden Schulen angebotenen weltanschaulich und religiös neutralen Unterricht auf die Grundschulen ausdehnen, forderte der SPD-Abgeordnete, auch als Reaktion auf eine Antwort des Kultusministeriums auf eine Anfrage seiner Fraktion. Das Ministerium lehnt dies aus finanziellen Gründen ab. Der Grundschulverband verlangt zumindest einen Einstieg im Grundschulbereich. Ethik- und Religionsunterricht sind Pflichtfächer, getaufte Schüler haben bisher keine freie Wahl.

«Auch die Kinder, die keinen Religionsunterricht besuchen, haben ein Anrecht auf einen hochwertigen Unterricht zu den großen Fragen nach Frieden, Gerechtigkeit und Zusammenleben.»

Der SPD-Abgeordnete Born betonte: «Es ist kein Zustand, dass täglich zahlreiche Kinder in unseren Grundschulen während des evangelischen oder katholischen Unterrichts auf den Fluren sitzen, weil für sie kein Ethikunterricht angeboten wird.» Das sei weder zeitgemäß noch werde es dem Anspruch an gleiche Bildungschancen gerecht. «Auch die Kinder, die keinen Religionsunterricht besuchen, haben ein Anrecht auf einen hochwertigen Unterricht zu den großen Fragen nach Frieden, Gerechtigkeit und Zusammenleben.» Im Ethikunterricht werden Wissen über Religionen und Weltanschauungen vermittelt und philosophische Fragen diskutiert.

An den Grundschulen steigt die Zahl der Schüler ohne christliche Konfession kontinuierlich. Waren es 2013/14 noch fast 128 000, lag der Wert im vergangenen Schuljahr bei rund 187 000. Gut 70 Prozent der Grundschüler besuchten im Schuljahr 2022/23 den Religionsunterricht. Zum Vergleich: 2013/14 waren es noch etwa 80 Prozent aller Schüler.

Nach Beobachtung des Landeschefs des Grundschulverbands, Edgar Bohn, bringt die derzeitige Situation massive Betreuungsprobleme mit sich. Und auch für die Bearbeitung vielfacher Krisen in der Welt sei Ethikunterricht der geeignete Ort. Auch wenn das Fach Ethik zunächst nur im vierten Schuljahr eingeführt würde, wäre ein Signal für eine Besserung der Misere.

Aus Sicht des Ressorts von Theresa Schopper (Grüne) ist der Ausbau des Faches Ethik wichtig, um auch den nicht am Religionsunterricht teilnehmenden Schülerinnen und Schülern ein entsprechendes weltanschaulich neutrales Bildungsangebot machen zu können. Daher wolle das Land dieses Fach in allen Schularten und Klassenstufen schrittweise einführen. Es seien Konzepte wie ein Bildungsplan erarbeitet worden. Die Umsetzung in den Klassen eins bis vier koste 460 Vollzeitstellen; das wären Ausgaben von mehr als 35 Millionen Euro im Jahr.

Eine Entscheidung über den Zeitpunkt der Einführung hänge jedoch von der Finanzsituation ab. Der staatliche Auftrag zur ethisch-moralischen Erziehung beschränkt sich jedoch nicht
auf einzelne Schulfächer wie den Ethik- oder den Religionsunterricht, wie das Ministerium erläuterte. Er sei vielmehr eine Querschnittsaufgabe von Schule und Unterricht. News4teachers / mit Material der dpa

GEW: Religionsunterricht ist nicht mehr zeitgemäß (und bindet zu viele Ressourcen)

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Fräulein Rottenmeier
1 Monat zuvor

„Gut 70 Prozent der Grundschüler besuchten im Schuljahr 2022/23 den Religionsunterricht.“
Bei uns waren es ca. 45 % im letzten Schuljahr, Tendenz klar fallend….Ethikunterricht oder soziales Lernen wäre tatsächlich schon lange angebracht…..das sehen selbst unsere Religionslehrerinnen so….

Dil Uhlenspiegel
1 Monat zuvor

Also Ethikunterricht aus der Kirchensteuer finanzieren.

Dejott
1 Monat zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Kein Problem! Unter einer Bedingung: Wenn die christlichen Feiertage nur für Christen gelten. Der Rest geht arbeiten.

mama51
1 Monat zuvor
Antwortet  Dejott

Da bin ich dabei!

Walter Hasenbrot
1 Monat zuvor
Antwortet  Dejott

Dieses populistische Argument war schon immer besonders dumm.

Da niemand wegen seiner Religion bevorzugt oder benachteiligt werden darf, und Feiertage auch der Erholung dienen, darf natürlich niemand von den arbeitsfreien Feirtagen ausgeschlossen werden.

Viele christliche Feiertage wie Weihnachten oder Ostern werden von den meisten ohnehin nur kulturell aber nicht religiös gefeiert.

Christen dürfen froh sein, dass die arbeitsfreien Feirtage alle für chistliche Feirtage verwendet werden und nicht für die Feiern anderer gesellschaftlicher Gruppen.

Dil Uhlenspiegel
1 Monat zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

Danke.

IusRespicitAequitatem
1 Monat zuvor
Antwortet  Dejott

wenn jede gesellschaftliche Gruppe die Feiertage feiert, die zu ihrer ideologischen Ausrichtung passen, dann gibt es gar keine Feiertage mehr – auch nicht für Christen…

Walter Hasenbrot
1 Monat zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

Nicht einmal der Religionsunterricht wird aus der Kirchensteuer finanziert.

Unfassbar
1 Monat zuvor

Wo ist das Problem? Jeder Religionslehrer sollte auch Ethik unterrichten können. Die Lehrpläne sind ja inhaltlich weitgehend austauschbar.

Walter Hasenbrot
1 Monat zuvor
Antwortet  Unfassbar

Die Lehrpläne sind schon sehr unterschiedlich.

Jedenfalls in NRW, wo „Ethik“ „Praktische Philosophie“ heißt.

Rainer Zufall
1 Monat zuvor
Antwortet  Unfassbar

Ich will doch sehr hoffen, dass nicht völlig gegensätzliche Werte vermittelt werden

dauerlüfterin
1 Monat zuvor
Antwortet  Unfassbar

Für mich ist das ein Problem.
Wir sind katholisch, da möchte ich auch entsprechenden Religionsunterricht für meine Kinder und kein Ethik.

IusRespicitAequitatem
1 Monat zuvor
Antwortet  dauerlüfterin

Es ist verständlich, dass sich Katholiken katholischen Religionsunterricht wünschen. Genauso wünschen sich aber auch andere Gruppierungen, dass der Unterricht ihre Ideologie oder Gesinnung thematisiert. Jedoch sehe ich in Deutschland keine Gruppe mehr, die so stark wäre, dass sie das Recht auf eigenen Gesinnungsunterricht hätte – insbesondere in Zeiten des Lehrerinnenmangels.

Uwe
1 Monat zuvor

Nun weil sie dieses Recht nicht sehen wird sich sicher auf magische Art das Grundgesetz ändern. Ich verrate ihnen mal was, das Leben ist kein Pony Hof und nur weil sie sich was wünschen wird es nicht wahr.

mama51
1 Monat zuvor
Antwortet  dauerlüfterin

Wer Religionsunterricht wünscht könnte anregen, dass von der kath./ev. Pfarrgemeinde nachmittags zusätzlich entsprechend Religionsunterricht angeboten wird. Die Pfarrer müssen ja eh (zumindest in Hessen) bar jeglicher pädagogischen Ausbildung in den Schulen eine gewisse Anzahl Stunden unterrichten. Das ließe sich bestimmt problemlos in den Nachmittag integrieren…
Dann gäbe es beides: Ethik in der Schule und Reli, nach Wunsch, eben später am Tag. Win- Win!

mama51
1 Monat zuvor
Antwortet  dauerlüfterin

Ergänzung:
Eine Zeugnisnote für`s GLAUBEN finde ich außerdem unerträglich. In der Mittelstufe dient die Reli- Note doch bestenfalls (wenn sie „gut“ ist) noch als Ausgleichsnote für eine 5 in Erdkunde oder Geschichte… seufz!

Egvina
1 Monat zuvor
Antwortet  mama51

Die Religionsnote kriegt man nicht fürs GLAUBEN.

Gudrun
1 Monat zuvor

am besten wäre ein konfessionsloses Fach Ethik für alle SuS

Dejott
1 Monat zuvor

Auch wenn Frau Schopper das gerne hätte: Es gibt keinen weltanschaulich neutralen Ethikunterricht. Niemand kann von sich behaupten, religiöse Dinge neutral zu sehen und dann noch unterrichten zu können. Auch nicht der Atheist, dessen Einstellung natürlich auch eine Art des Glaubens darstellt.
Vielleicht macht es Sinn, den Religionsunterricht von den Kirchen abzulösen. Eines muss man aber festhalten: Der Religionsunterricht ist keine Missionsveranstaltung. Jedes Kind darf daran teilnehmen. Genauso wie man jedes Kind davon abmelden kann. Ich habe immer den Eindruck, dass so mancher Bildungsexperte über den Religions- und Ethikunterricht redet, ohne echte Ahnung davon zu haben. Das tut der Diskussion natürlich nicht gut.

Lisa
1 Monat zuvor

Warum nicht Abschaffung des konfessionsgebunden Religionsunterricht zu Gunsten eines Faches “ Ethik/ die Religionen/ Philosophie?

Uwe
1 Monat zuvor

An der (städtischen) Grundschule meines Sohnes besuchen einfach alle den Religionsunterricht. Ist doch eine einfache Lösung.

mama51
1 Monat zuvor
Antwortet  Uwe

Hm,… auch die Muslime?

Uwe
1 Monat zuvor
Antwortet  mama51

Ja auch die Muslime

Rainer Zufall
1 Monat zuvor
Antwortet  Uwe

Je nach Klassenzusammensetzung wäre es ggf. islamischer Unterricht. Sollte aber ja kein Problem darstellen 😉

Rainer Zufall
1 Monat zuvor

Cool. Man hätte angesichts der letzten Monate meinen können, Ethik hätte für ein paar Schüler*innen früher stattfinden sollen, bevor sie antisemitische Morde bejubeln oder einen jüdischen Studenten mit Gürteln verprügeln…

Philo LK
1 Monat zuvor

Als studierter Ethik- und Philosophielehrer finde ich es auch ein Unding, dass Ethik nicht gerade selten von fachfremden Sport- oder Deutschlehrkräften unterrichten wird. Im best-case noch von Religionslehrkräften, aber dadurch ist auch kein „weltanschaulich neutrales Bildungsangebot“ gegeben. Und damals sagte man uns noch, dass man mit Philo/Ethik keine Stelle finden wird…

dauerlüfterin
1 Monat zuvor

Warum sitzen denn da die Kinder auf den Fluren?
Hier haben sie Ethikunterricht oder (wo angeboten) auch bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht.
Vielleicht mal in diese Richtung tätig werden? Ist mir schleierhaft, wie man daraus den Schluss ziehen kann, den Religionsunterricht abzuschaffen.