Kinderschützer empfehlen Prävention gegen digitale Gewalt an Schulen („möglichst frühzeitig“)

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DÜSSELDORF. Bereits in der Grundschule sollten sich Kinder mit den Gefahren auseinandersetzen, die im Internet auf sie lauern – am besten verpflichtend. Dafür plädieren die Sachverständigen der Kinderschutzkommission des nordrhein-westfälischen Landtags, wie aus dem aktuellen Zwischenbericht hervorgeht. Doch auch für Lehrkräfte, die im Falle digitaler Gewalt Ansprechpartner:innen von Kindern und Jugendlichen sein könnten, empfehlen sie, vorbereitende Schulungen. Wie wichtig die sind, zeigt ein aktueller Fall.

Wie lassen sich Kinder und Jugendliche vor Gewalt im Netz schützen? Mit dieser Frage beschäftigte sich die Kinderschutzkommission des nordrhein-westfälischen Landtags. Symbolfoto: Shutterstock

Ein „Internetführerschein“ als schulisches Angebot könnte Kinder und Jugendliche besser vor den zahlreichen Gefahren im Netz schützen, heißt es im aktuellen Zwischenbericht der Kinderschutzkommission des nordrhein-westfälischen Landtags. Aufgabe der im September 2022 eingesetzten Landtagskommission ist es, gemeinsam mit externen Sachverständigen – darunter Kriminologen, Rechtsmediziner, Psychologen, Kirchenvertreter, Medien-Experten, Pädagogen und Vertreter aus Sport- und Opferverbänden – konkrete Vorschläge für den Schutz von Kindern und Jugendlichen zu erarbeiten. Im Herbst soll ein Gutachten zum „Kinderschutz im kommerziellen Raum“ vorgestellt werden.

Aufklärung ab der Grundschule empfohlen

Der nun veröffentlichte erste Zwischenbericht bietet einen Einblick in die Arbeit der Kommission und fasst unter anderem die Stellungnahmen der Sachverständigen zu den Themen „Peer-to-Peer-Gewalt im digitalen Kontext“ sowie „Cybergewalt und Cybermobbing“ zusammen. Nach Angaben der Sachverständigen spiele der digitale Raum eine immer größere Rolle bei Gewalt unter Kindern und Jugendlichen. Das belegten Zahlen. Das Alter, in dem Kinder erste negative Erfahrungen mit einem Smartphone machten, sinke immer weiter. Die Expert:innen empfehlen daher, möglichst frühzeitig mit der Aufklärung in der Grundschule zu beginnen. Außerdem gehöre Medienerziehung auch schon in die frühkindliche Bildung. Besonders hoch sei das Risiko von Übergriffen für Kinder mit Beeinträchtigungen.

Auf der Suche nach Optionen, Kinder und Jugendliche in diesem Bereich besser zu schützen, regen die Sachverständigen an, das Thema „Digitale Gewalt“ in die verpflichtenden Gewaltschutzkonzepte von Schulen zu integrieren. Zudem sei entscheidend, dass Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner bei einem Vorfall entsprechend geschult seien und wüssten, wo das Opfer weitere professionelle Hilfe findet. Einig zeigten sich die Expert:innen laut Bericht in ihrer Anregung, sich von den Niederlanden inspirieren zu lassen, „wo Präventionsarbeit zum Thema ‚Gewalt und Cybermobbing‘ an allen Schulen verpflichtend sei“.

„Vielen jungen Menschen ist nicht bewusst, wo digitale Gewalt anfängt“

Lehrkräfte, die sich dieser Präventionsaufgabe annehmen, sollten mit ihren Schüler:innen über die Grundlagen sprechen: „Was verstehen wir unter ‚digitaler Gewalt‘? Warum ist das so relevant? Was macht das mit betroffenen Personen?“ Das empfiehlt Judith Strieder, Psychologin und Betroffenenberaterin bei HateAid, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für Menschenrechte im Internet und gegen digitale Gewalt einsetzt, im Interview mit dem Deutschen Schulportal. Denn „vielen jungen Menschen ist nicht bewusst, wo digitale Gewalt anfängt und was das mit Betroffenen macht“. Dabei könnten die Folgen schwerwiegend sein, etwa Ängste, Depressionen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen auslösen. „Man sollte auch ansprechen, wie einfach es ist, digitale Gewalt zu verbreiten oder anzuwenden“, so Strieder. Im digitalen Raum sei die Hemmschwelle niedriger, da der direkte Kontakt fehle. „Normalerweise sind nämlich die Gehirnareale für Empathie aktiviert, wenn man einer Person im echten Leben gegenübersitzt“ – das bleibe bei der Online-Kommunikation aber aus.

Wie wichtig es für Lehrkräfte allerdings auch ist, abseits des Unterrichts mit realen Vorfällen umgehen zu können, nicht nur zum Wohle der Schüler:innen, sondern auch zum eigenen Wohl, zeigt der Fall der Lehrerin aus dem Westerwald (News4teachers berichtete). Sie wollte einer Schülerin helfen, deren Freund ein intimes Video unerlaubt weitergeleitet hatte, und muss sich nun voraussichtlich im September vor Gericht verantworten, wegen des Besitzes von Kinderpornografie. Derzeit droht der Pädagogin mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe – und damit auch der Verlust ihres Beamtenstatus‘. News4teachers / mit Material der dpa

Bildungsoffensive für mehr Medienkompetenz gefordert – gegen Internet-Hass

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Alx
1 Monat zuvor

Der digitale Raum ist gefährlich für Kinder.

Warum beschränken wir dann nicht den Zugang, wie bei praktisch allen anderen gefährlichen Räumen auch?

RainerZufall
1 Monat zuvor
Antwortet  Alx

Sogar die Republikaner in Forida wollen Kinder und Jugendliche vor Tiktok schützen, China lässt diesen (eigenen) Mist bei sich erst gar nicht auf den Tisch…

Bin aber mal gespannt, was für praktische Lösungen und Handreichungen für dieses Problem angeboten werden

Arno
1 Monat zuvor
Antwortet  RainerZufall

> Sogar die Republikaner in Forida wollen Kinder und Jugendliche vor Tiktok schützen

Bei der CDU weiß man spätestens seit den unseligen Tagen von vdL als Bundesfamilienministerin, dass die Partei Internetzensur für Völljährige dem „Die Eltern haben auch selber eine Verantwortung für ihre Lendenfrüchte.“ gegenüber den Vorzug gibt.

Heuwägelchen
1 Monat zuvor
Antwortet  Arno

Nur mal so gefragt… Haben Eltern denn keine Schutz-Verpflichtung ihren Kindern gegenüber?

Oder haben sie die nur bei VÖLLIG UNGERECHTFERTIGTEN NOTEN – ANWALT!

Liest sich m.E. so, aks hätten die Eltern keine derartige Verpflichtung. Kann mich aber auch irren.

Regina
1 Monat zuvor
Antwortet  RainerZufall

„Sogar die Republikaner in Florida“? Die, die alle Bücher verbieten, die links von „Mein Kampf“ stehen? Die mit dem „Don’t say gay“-Gesetz? Die, die Flüchtlinge als Wahlkampfmanöver in Chartermaschinen nach New York schaffen und dort aussetzen? Die, die Donald „Staatsstreich“ Trump zur Machtübernahme verhelfen wollen?

Na, wenn die dafür sind, muss das ja gut sein.

Der Zauberlehrling
1 Monat zuvor
Antwortet  Alx

Gute Idee.

Jetzt noch gute Vorschläge zur Umsetzung.

Alx
1 Monat zuvor

So wie in Südkorea könnte ich mir das auch bei uns vorstellen.

Hans Malz
1 Monat zuvor

Verpflichtende Altersangabe mit Nachweis? Wo liegt das Problem, außer dass die Asozialen Medienfirmen maulen?

Alexander
1 Monat zuvor
Antwortet  Alx

Nette Idee, aber schwierig bis unmöglich umzusetzen, und meiner Meinung nach nur in bestimmten Fällen (Pornographie) der richtige Weg.

Der größere Teil des „realen“ öffentlichen „gefährlichen“ Raums sind nur durch Regeln im Zugang beschränkt.
Siehe Schilder an Baustellen.
Das bedeutet für mich, dass im Endeffekt die Erziehungsberechtigten Personen für das Tun ihrer Kinder verantwortlich sind.
Für reale Orte meist kein Problem. Für den Cyberspace fehlt es an allen Ecken an Bewustsein, Erfahrung und Wissen. Manchmal auch an dem Willen sich damit zu beschäftigen.

Ich arbeite seit 23 Jahren als Lehrkraft im IT Kontext.
Meiner Beobachtung nach, werden junge Menschen mit dem Cyberspace in 90% der Fälle alleine gelassen, und lernen dort, zum Teil auch mit großen Schmerzen, wie damit umzugehen ist.

Und genau das soll diese Forderung der Kinderschützer ein bischen lösen. Wenn wir die Kids mehr Informieren, Aufklären etc., dann können diese auch besser damit umgehen.

Ich würde sogar noch sehr viel weiter gehen, Kurse für Eltern mit GrundschullehrernInnen und Kita ErziehernInnen gemeinsam. Denn da fängt das Problem an.

Alx
1 Monat zuvor
Antwortet  Alexander

Das Beispiel mit der Baustelle ist nicht richtig, da der Zutritt zur Baustelle für alle untersagt ist und der Nachsatz „Eltern haften für ihre Kinder“ ist ein juristischer, der die Eltern an ihre Aufsichtspflicht erinnert.
Daneben gibt es Bauzäune und Flatterbänder, die das gefährliche Gebiet abgrenzen.

Kinder haben geregelte Ausgangszeiten und Verbote für Alkohol-, Tabak- und seit neuestem Cannabiskonsum, Tattoos, Kinofilme, Sexshops, Nachtclubs, Diskotheken, Glücksspielautomaten, Casinos, Spielotheken, Wettbüros, Lotterien, Waffenbesitz, Pornofilme, Rotlichtviertel, Freizeitpark-Attraktionen, und sicherlich noch so einiges anderes.

Da viele Eltern ihrer Aufsichtspflicht im digitalen Bereich nicht nachkommen, müssen sie halt haftbar gemacht werden.

Praktisch umsetzbar ist es ganz einfach:

Kinder bekommen nur noch Devices mit eingeschränktem Betriebssystem, mit maximaler Bildschirmzeit, eingeschränktem Store, Browserfilter und Eltern bekommen regelmäßig verpflichtende Nachrichten über die Aktivitäten der Kids um ihrer Aufsichtspflicht auch digital nachkommen zu können.

Natürlich kann man da auch noch mogeln, aber das gilt auch für alle anderen oben genannten Beispiele.

Heuwägelchen
1 Monat zuvor

Die Theorie ist ja prima.

Klar, dass Schule ran soll.

Klar auch, dass wir keinerlei Einfluss auf die Aktivitäten nach der Schule haben.

Wer da wohl verantwortlich ist?!

Der Zauberlehrling
1 Monat zuvor

Bereits im Elternhaus sollten sich Kinder mit den Gefahren auseinandersetzen, die im Internet auf sie lauern – am besten verpflichtend. 

moi aussi
1 Monat zuvor

Neulich in einer 5. Klasse: Den Eltern mussten Tools wie google family link für das kindliche Smartphone erstmal vorgestellt werden. Kannten die meisten nicht –
Einschlägige Schmuddelseiten dafür fast alle.
Scheint wohl eine Frage der Prioritäten zu sein… .

„In anderen Ländern – etwa Südkorea, dem weltweit größten Smartphone-Produzenten – ist das anders. Hier ist per Gesetz festgelegt, dass Personen unter 19 Jahren nur Smartphones erwerben dürfen, auf denen Pornografie und Gewalt per Software geblockt sind. Eltern werden zudem ab einer bestimmten Zeit der Bildschirmnutzung ihrer Kinder automatisch benachrichtigt. Auch Spiele-Server werden dort um Mitternacht abgeschaltet. In Taiwan, einem anderen führenden Hersteller von Computern und Smartphones, müssen Eltern seit 2015 mit Strafzahlungen rechnen, wenn ihre Kinder besonders viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen.“

https://www.tagesspiegel.de/wissen/nicht-so-smart-wegen-smartphone-3991774.html#:~:text=Smartphone-Beschränkung%20in%20Smarthone-Land&text=In%20anderen%20Ländern%20–%20etwa%20Südkorea,Gewalt%20per%20Software%20geblockt%20sind.

Hermann Wolfman
1 Monat zuvor

Kinderschützer empfehlen Prävention gegen digitale Gewalt an Schulen („möglichst frühzeitig“)
Ab spätestens Klasse 4, sollten die Schüler*Innen die Installation eines Adult-Content-Blockers auf ihren digitalen Endgeräten verpflichtend nachweisen.

Lisa
1 Monat zuvor

Internetführerschein wie Fahrradprüfung. So wie man erst nach bestandener Fahrradprüfung zur Grundschule mit dem Rad kommen darf, darf man erst mit Internetprüfung das Internet an der Schule nutzen.

Einer
1 Monat zuvor
Antwortet  Lisa

Eine Internetprüfung? Der Vorschlag könnte glatt aus Düsseldorf kommen.

Machen wir dann auch eine Bierprüfung mit 16 und eine Schnapsprüfung mit 18? Erst wer den Umgang mit Alkohol gelernt hat darf sich unter Vorlage des „Alkoholführerscheins“ entsprechende Getränke kaufen? Was kommt dann? Tabakprüfung mit 18? Pornoprüfung mit 13? Lasst uns nur für jeden Mist in der Schule irgendeine bescheuerte Prüfung ablegen und dann wird alles gut.

Mal ehrlich: Radfahren und das Einhalten der Verkehrsregeln lernt NIEMAND in der Schule, sondern Nachmittags und am Wochenende gemeinsam mit den Eltern. Und wieso? Weil die Eltern ihr Kind vor den Gefahren des Straßenverkehrs schützen wollen.

Wer seinen Kindern im Grundschulalter also ein Handy/Tablet an die Hand gibt, ohne den Zugang zum Internet zu unterbinden, kann sein Kind genauso gut mit dem Fahrrad in der Rushhour in irgendeiner Großstadt auf der Straße fahren lassen. Beides ist grob fahrlässig.

Einer
1 Monat zuvor

Handy und Tabletts gehören nicht in Kinderhände (<12)! Das erlernen des Umgangs mit solchen Geräten gehört absolut in den Bereich der Elternerziehung. Das ist keine Aufgabe der Schule.

Erziehungsberechtigte
1 Monat zuvor
Antwortet  Einer

Nützt nur nichts, wenn Eltern dann doch mal ihrer Erziehungsaufgabe nachkommen und auf der weiterführenden Schule dann Mitschüler Kriegsvideos auf dem Schulhof zeigen, Kind gefilmt und in TikTok schnipseln der Öffentlichkeit zur Schau gestellt wird, Klassenkameraden (Klasse 6) auf ihrem Handy in der Schule pornographische Videos schauen oder mit dem Schul-Tablet (Umgehung des Schulmodus über veränderte Uhrzeiteinstellung) im Unterricht völlig selbstverständlich und ungestört Brawl Stars spielen… (Gymnasium).

Ach ja, die „Mutprobe“ den Hitlergruß zu zeigen, ist nach dem über TikTok nun in allen Varianten abgespielten Sylt-Video auch en vogue… in der Mensa, in der Pause…gerne auch auf dem Handy festegehalten.

Bitte jetzt keine Vorschläge wie: der Klassenleitung/Schulleitung melden – die schauen nämlich ähnlich begeistert drein, wenn sie diesen „Extra-Auftrag“ erhalten, wie hier in diesem Forum schnell die Verantwortung allein im Elternhaus gesucht wird.

Wie wäre ein: Wie können wir dieses immense Problem gemeinsam angehen? Am besten bevor die Kids weiterhin auf jede noch so gefährliche TikTok Challenge anspringen, Pornograhie mit sexueller Intimität verwechseln oder dem Faschisten Björn Höcke den politischen Bildungsauftrag überlassen.

Einer
1 Monat zuvor

Wer ist mit „gemeinsam angehen“ denn gemeint? Wir Lehrer gemeinsam? Nein, da bin ich raus. Nur weil Erziehungsberechtigte ihren Job nicht machen, gibt es für mich keinen Grund auf der Welt dies dann nachzuholen.
Hier ist niemand anderes als die Erziehungsberechtigten in der Pflicht.

Bei unseren Kindern (>17 und > 20) haben wir diesen Job gemacht. Die beiden können sehr gut mit Medien (analog und digital) umgehen. Bei den anderen: Nicht mein Zirkus – nicht meine Affen.

Unfassbar
1 Monat zuvor
Antwortet  moi aussi

und sie tut es heute noch …

Heuwägelchen
1 Monat zuvor

ICH „empfehle(n) Prävention gegen digitale Gewalt (an Schulen) („möglichst frühzeitig“)“

von Seiten der Eltern.

Vielen jungen Menschen ist übrigens auch nicht (mehr!) bewusst, wo verbale Gewalt anfängt.

Könnte auch zu Hause gelernt werden.

Generell halte ich die o.g. als Idee verpackte Zusatzbelastung für die GS-Lehrkräfte ja gut….

ABER mir scheint gerade das Internet mit seinen unendlichen Weiten doch ein wenig zu abstrakt für diese Altersgruppe zu sein.