Pingpong um die Zukunft der Bildung: KMK schlägt im Streit um den Digitalpakt 2.0 zurück

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BERLIN. Wer Ursachen für die Bildungskrise in Deutschland sucht – voilà: eine unstete, je nach Lust und Kassenlage ausfallende Bildungspolitik, die sich um ihre Kernzielgruppen – die Schülerinnen und Schüler sowie ihre Lehrkräfte – einen Teufel schert. Dies wird im unsäglichen Geschachere zwischen Bund und Ländern um den Digitalpakt 2.0 gerade mal wieder besonders deutlich. Die Kultusministerinnen und Kultusminister haben mit einem Positionspapier eine neue Runde eingeläutet. Eine Analyse von News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek.

Hin und her. Illustrationen: Shutterstock

Digitalisierung, das weiß jeder, der sich schon mal ein Smartphone gekauft hat, ist mit der einmaligen Anschaffung eines Gerätes nicht erledigt. Computer benötigen so allerlei, damit sie laufen können – Programme zum Beispiel, einen Netzanschluss und Service. Benötigt wird auch Ersatz, wenn sie mal kaputtgehen (jedenfalls dann, wenn Digitalität nicht als befristetes Projekt gesehen wird). Und was passiert in Deutschland? Da wird den Schulen ein Berg von Technik vor die Tür gestellt, den sie weitgehend selbst irgendwie zum Laufen kriegen sollen (es sei denn, sie haben das große Glück, in einer der seltenen, gut mit IT-Fachpersonal ausgestatteten Kommune angesiedelt zu sein).

Wenn das gelungen ist, fangen die Probleme aber erst an: praktikable Datenschutz-Regelungen, Bereitstellung von digitalem Unterrichtsmaterial, Lehrkräftefortbildungen, landeseigene Schulplattformen – an allen Ecken und Enden hapert es. Schließlich, und das ist Stand jetzt, kommt die Bundesbildungsministerin und legt ihr Papier zur weiteren Finanzierung der Digitalisierung an Schulen vor, in dem es sinngemäß heißt: Jetzt ist es aber gut. Schaut, wie ihr erstmal mit deutlich weniger und in ein paar Jahren allein klarkommt. Ich bin dann bald mal weg.

Den Lehrkräften würde damit jede verlässliche Perspektive fürs digitale Arbeiten genommen: Lohnt es sich, sich in aufwändige Lernapps einzuarbeiten (wenn niemand weiß, wie lange das Geld für die Lizenz reicht)? Wer hilft dann bei technischen Störungen? Gibt es in absehbarer Zeit überhaupt noch funktionierende Geräte an der Schule? Wozu Fortbildungen zu digitalem Lernen besuchen – wenn ohnehin der Unterricht bald wieder an der Kreidetafel stattfindet?

«Dafür investieren Bund und Länder über die Laufzeit dieser Vereinbarung insgesamt bis zu X Mrd. Euro zu gleichen Teilen»

Der vertrauliche Entwurf, den Bettina Stark-Watzinger (FDP) an die KMK geschickt hatte, liegt uns vor (News4teachers berichtete). Konkret beinhaltet er, dass der Bund seinen Finanzierungsanteil am neuen Digitalpakt von bislang 90 auf 50 Prozent senkt. Zudem will der Bund die Förderung ab 2030 komplett einstellen. Welche Summe das Projekt insgesamt umfassen soll, bleibt zudem offen. «Dafür investieren Bund und Länder über die Laufzeit dieser Vereinbarung insgesamt bis zu X Mrd. Euro zu gleichen Teilen», so heißt es wörtlich in dem Papier.

Jetzt die Entgegnung der Länder in diesem Pingpong um Deutschlands Zukunft: Der Digitalpakt 2.0 dürfe nicht hinter dem auslaufenden Pakt zurückfallen, heißt es in dem Positionspapier der Kultusministerinnen und Kultusminister. Sie fordern darin für das fünfjährige Förderprogramm Bundesmittel von mindestens 1,3 Milliarden Euro pro Jahr. In den Verhandlungen darüber, wer welchen Anteil der Kosten übernimmt, müssten weitere Ausgaben der Länder für digitale Bildung berücksichtigt werden. Der Eigenanteil der Länder solle wie im ersten Digitalpakt auf zehn Prozent begrenzt werden.

Der Digitalpakt zum Ausbau der Schulen war 2019 für fünf Jahre aufgelegt worden mit zunächst fünf Milliarden Euro vom Bund. Er diente etwa dem Aufbau von schuleigenem WLAN oder der Anschaffung von interaktiven Tafeln. Im Zuge der Corona-Pandemie wurde das Programm auf 6,5 Milliarden aufgestockt, um Tablets, Laptops und Administratoren zu finanzieren. In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Ampel angekündigt, mit den Ländern ein Anschlussprogramm, einen Digitalpakt 2.0, mit einer Laufzeit bis 2030 auf den Weg zu bringen. Darüber wird nun seit langem hart verhandelt – umso härter seit klar ist, wie knapp bei Kasse der Bund inzwischen ist.

Grundsätzlich sind Schulen Ländersache und nicht Sache des Bundes. Immer wieder hat der Bund aber Programme, die für Bildungseinrichtungen in ganz Deutschland wichtig waren, aufgelegt – wie den Ganztagsausbau oder das „Gute-Kita-Gesetz“.

Die Länder wollen eine Bund-Länder-Vereinbarung für den Digitalpakt 2.0 möglichst bei der nächsten Kultusministerkonferenz im Juni abschließen. Dem Bund haben sie vorgeworfen, die Verhandlungen verschleppen zu wollen. «Leider scheint die Situation im Augenblick festgefahren und ich habe wirklich Zweifel, ob der Bund überhaupt an einer Fortsetzung des Programms interessiert ist», teilte Bayerns Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) mit. Es fehle ein verlässlicher Zeitplan oder ein klares Bekenntnis zum Programm.

«Es ist von größter Wichtigkeit, dass die Länder die digitale Struktur, die in den vergangenen Jahren erfolgreich aufgebaut wurde, aufrechterhalten und zeitgemäß ausbauen können»

Ähnlich äußert sich Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper, eine Grüne (was deutlich macht, dass es sich hier nicht um ein gewöhnliches Parteiengezänk handelt): «Es ist jetzt nicht die Zeit für taktisches Hin und Her – es ist jetzt an der Zeit, gemeinsam einen Knopf dran zu kriegen», meint sie. «Es ist von größter Wichtigkeit, dass die Länder die digitale Struktur, die in den vergangenen Jahren erfolgreich aufgebaut wurde, aufrechterhalten und zeitgemäß ausbauen können.» Ohne die Anschlussfinanzierung des Bundes sei das bislang Erreichte bedroht.

Ich meine: So wird das nichts mit der «Bildungsrepublik Deutschland», die die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits 2008 ausgerufen hat – die seitdem aber auf sich warten lässt. Was die Schulen brauchen, ist eine Politik, die verlässlich, stetig und nachhaltig ist und die nicht morgen vergisst, was sie heute verspricht (siehe Ampel-Koalitionsvertrag zum Digitalpakt 2.0). Kurzum: die sich um die Schülerinnen und Schüler sowie ihre Lehrkräfte verantwortungsvoll kümmert – und nicht nur nach Lust und Kassenlage agiert.

Frau Stark-Watzingers FDP-Bundestagsfraktion tritt mit dem Slogan an, für «weltbeste Bildung» sorgen zu wollen. Die meisten Lehrkräfte, Schülerinnen und Schülers sowie Eltern wären fürs Erste wohl schon mal mit weniger zufrieden: mit einer lösungsorientierten Bildungspolitik ohne Krawall. News4teachers / mit Material der dpa

Steigt der Bund aus dem Digitalpakt aus? Länder fürchten, dass die neu angeschaffte Schul-IT ab nächstem Jahr verrottet

 

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Dil Uhlenspiegel
2 Monate zuvor

Wir sind auf einem guten … weg.

Ich_bin_neu_hier
2 Monate zuvor

Ich wusste doch, es war richtig, alle meine Kreidehalter aufzuheben. Tatsächlich sind sie im lokalen Schreibgeschäft sogar gerade im Sonderangebot, weil einige Jahre lang überhaupt keine verkauft wurden: Am besten decke ich mich da noch mal so richtig ein – ist ja absehbar, dass ich die noch werde gebrauchen können.

Der Zauberlehrling
2 Monate zuvor
Antwortet  Ich_bin_neu_hier

Gute Idee!

Ich habe noch zusätzlich Lineale und Dreiecke gesichert. Die funktionieren mit dem digitalen Krempel nicht so gut; die Magnete darin erzeugen seltsame Dinge 🙂

Spirale
2 Monate zuvor

Tja, hier wird deutlich, wie wichtig der FDP die Kinder und die Zukunft Deutschlands sind. Lindner sollte sich schämen, wie er Deutschlands Grundlagen (Infrastruktur, Bildung) zerstört.

Und über summen wie 1,X Milliarden streiten – einfach nur noch lächerlich. Kein Wunder, dass wir auf internationaler Bühne für unsere Finanzpolitik, also die der FDP, ausgelacht werden.

Canishine
2 Monate zuvor
Antwortet  Spirale

Erst kam die Digitalisierung (mehr oder weniger), kommen jetzt die Bedenken (zu teuer)?

Arno
2 Monate zuvor
Antwortet  Canishine

Die FDP hat ja auch den Begriff „nachdenken“ verkehrt herum verstanden. Und zwar als „Erst handeln, dann denken“.

Der Zauberlehrling
2 Monate zuvor

Schöne und zutreffende Zusammenfassung für ein typisch deutsches Drama in mehreren Akten.

Um beim Smartphone zu bleiben: Wer kaufte sich ein Smartphone mit einer „festen“ und dabei noch im Umfang reduzierten Android-Version, die keine Verbindung zu Google herstellen kann? Updates auf höhere Android-Versionen sind nicht möglich, ebebensowenig wie eine zentrale Administration. So manche Internetseite läuft auf der zwei Jahre alten, digitalen Tafel nicht mehr. Youtube geht noch, der Unterricht ist gerettet.

Beim Digitalpakt ist Geld ohne Sinn und Verstand rausgehauen worden. Hätte man diejenigen gefragt, welche die angeschafften Geräte nutzen, man hätte das Geld anders einsetzen müssen. Vielleicht weniger wirksam und ohne Presseartikel zum „Ende der Kreidezeit“. 500 Watt pro Stunde * 8 Stunden/Tag * x Geräte/Schule * 180 Schultage * Anzahl der Schulen. Da kommt eine schöne „Grundlast“ zusammen. Und nach fünf oder sechs Jahren wird der Touchscreen am Lebensende angelangt sein.

Der Städtetag in Baden-Württemberg hat die Verantwortung für die Wartung gleich abgelehnt. Die haben das verstanden, dass man einen angeschafften Hund auch füttern und zum Tierarzt bringen muss. Der Hund ist leider tot, verhungert und verdurstet.

Die Zeitenwende ist im Bildungssystem noch nicht angekommen. Wir können alles – außer digital. 16 Kultusminister sind einfach 15 zu viel.

Unfassbar
2 Monate zuvor

Treffende Analyse und von mir so vorhergesehen.

2030 hat sich der Bund gut ausgedacht, weil dann die zweite große Austauschwelle für die Geräte ansteht.

Dejott
2 Monate zuvor

Ich sag mal so. Den winzigen Laptop könnt ihr behalten. Damit kann niemand arbeiten. Meinen privaten Rechner gibt’s nicht mehr. Und irgendwann reicht’s mir auch, mein Telefon für meinen Arbeitgeber zu nutzen. Kriegst endlich hin, einen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Wer das macht, ist mir relativ Wurscht.

mimü
2 Monate zuvor

Ich bin dieses unwürdige Schwarze-Peter-Spiel zwischen Bund, Ländern und Kommunen so leid!
Die Länder gerieren sich hier als die Opfer, dabei nutzen sie einfach nur das Kompetenzgerangel, um selbst kein bzw. weniger Geld in die Hand nehmen zu müssen.
Verantwortung wird entweder nach oben (Bund) oder unten (Kommunen) weitergereicht. Ich kann nachvollziehen, dass der Bund da langfristig raus will.

Canishine
2 Monate zuvor
Antwortet  mimü

Das Problem ist vermutlich auch, dass der Bund zwar zahlen soll, aber sich bitte aus der (Landes-)Bildungspolitik raushalten soll.

Tina
2 Monate zuvor

Die Kids ab Kl 7 wollen 1-2 Homeofficetage pro Woche (ganz wie die Eltern)
Dafür müsste das doch machbar sein 🙂