
Zum Ende des ersten Schulhalbjahres mit einer obligatorischen «Verfassungsviertelstunde» pro Woche hat das Kultusministerium zufrieden Bilanz gezogen. «Die Rückmeldungen zur Verfassungsviertelstunde sind sehr positiv», hieß es auf Anfrage. Bildungsforscher Klaus Zierer, Ordinarius der Schulpädagogik an der Universität Augsburg, zieht hingegen ein gemischtes Fazit.
«Da geht wie immer die Qualität in der Breite brutal auseinander», schildert der Wissenschaftler. Und: «So schön und pfiffig die 15 Minuten sind, ausreichend für das große Ziel der Demokratiebildung sind sie definitiv nicht.»
Verfassungsviertelstunde als Element der politischen Bildung
Mit Beginn des Schuljahres war die Verfassungsviertelstunde im Freistaat als neues Element der politischen Bildung eingeführt worden. Einmal pro Woche sollen sich die Schülerinnen und Schüler gezielt mit den zentralen Werten des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung sowie der freiheitlich-demokratischen Grundordnung als Kernbestandteil unseres politischen Systems auseinandersetzen.
Eingeführt wurde sie zunächst nur in der zweiten, vierten, sechsten und achten Jahrgangsstufe, im Gymnasium und an Fachoberschulen auch in der Jahrgangsstufe elf. Eine Ausweitung ist geplant. In der Gestaltung sind die Lehrkräfte sehr frei.
Stolz: Zeigen, wo überall die Verfassung täglich eine Rolle spielt
«Es geht darum aufzuzeigen, wo die Verfassung bei jedem von uns tagtäglich eine wichtige Rolle spielt», erläutert Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler). «Die unschätzbaren Werte der Menschenwürde, der Rechtsstaatlichkeit und der Toleranz werden dabei tagtäglich eindrucksvoll an unseren Schulen vermittelt.» Auch würden demokratische Grundhaltungen wie Toleranz, Gemeinsinn sowie die Fähigkeit zum Perspektivwechsel gefördert.
Ob dieses Ziel erreicht wird, hängt laut Zierer aber «immer von den Personen ab – wie engagiert sind die, wie gut vorbereitet sind die?» Und wenn das Ziel wirklich Demokratiebildung laute, dann sei wesentlich mehr als eine Viertelstunde pro Woche nötig – die ganze Schulstruktur müsse von Demokratie als Lebensform bestimmt sein. Beispiele dafür seien Schulversammlungen oder Dilemma-Diskussionen, in denen ein kontroverses Thema von allen Seiten beleuchtet werde.
Forscher: «Neutralitätsgebot» kein Widerspruch zu klarer Haltung
Das von Lehrkräften zum Teil als problematisch empfundene «Neutralitätsgebot» der Pädagogen sieht Zierer dabei nicht als Hindernis für eine klare Kante gegen extremistische oder rassistische Positionen in der Schülerschaft. «Im Grunde müsste jeder Lehrer sich das von Anfang an auf die Fahne geschrieben haben.» Zwar seien sie in erster Linie als Wissensvermittler ausgebildet. Doch hätten alle Lehrkräfte den Auftrag, den Charakter der Kinder und Jugendlichen zu bilden – auf Basis der zentralen Werte der Menschenwürde und der Demokratie.
So ganz scheint das in Bayern noch nicht zu klappen: In keinem anderen westdeutschen Bundesland hat jedenfalls die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtete AfD bei der aktuellen U18-Wahl (News4teachers berichtete) so gut abgeschnitten wie im Freistaat – sie liegt auf dem zweiten Platz bei den Schülerinnen und Schülern. Die CSU erreichte 21,19 Prozent, die AfD 17,61 Prozent, die Linke 16,8 Prozent, die SPD 16,2 Prozent und die Grünen 10,09 Prozent.
Zum Vergleich das Ergebnis in Nordrhein-Westfalen: SPD 21,22 Prozent, Die Linke 20,87 Prozent, die CDU 15,69 Prozent, die Grünen 13,06 Prozent – und die AfD nur 11,37 Prozent. News4teachers / mit Material der dpa
Die wöchentliche “Verfassungs-Viertelstunde” ist ein (schlechter) Witz – ein Kommentar
Auf welcher Datenbasis trifft Zierer hier seine Aussagen?
Es wirkt so, als seien lediglich Allgemeinplätze aneinandergereiht worden.
Hat er sich die Durchführung überhaupt mal angesehen? Und wenn ja: DAVON hätte er gerne mal berichten können.
Müsste man in Bayern vermutlich noch 2 min drauflegen, wenn das klappen soll. Nach einer Studie der Uni Bielefeld wären es in NRW ja pro Woche 17 Min Politikunterricht.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass sowas so “technokratisch” klappt. Es kommt ja auch darauf an, wer wie darüber redet und aus welchem Anlass/Grund und wie das mit der Lebenswelt der Schüler verbunden wird. Aber vor allem ja auch, wie es vorgelebt wird!
Die Verfassungsviertelstunde wurde von Herrn Söder befohlen. Im Parlament haben sie dann alle abgenickt. Wenn die Parlamentarier es vorlegen würden und nicht wie der demokratisch gewählte Vize-Ministerpräsident auf Demonstrationen ankündigt, sich die Demokratie zurückholen zu wollen, wäre schon viel gewonnen. Viele KollegInnen empfinden es als Klotz am Bein. Machen es auch teilweise gar nicht. Erstens gibt es Fächer in denen dies eh Thema ist und zweitens gibt es auch in anderen Fächern Themenbereiche wo sich diese Inhalte aus dem Unterricht ergeben und nicht künstlich auf Geheiß von Herrn Söder besprochen wird.
Ich meine nicht, dass Bayern andere Formen der Demokratiebildung zurgundesten der Viertelstunde abgeschafft hätte.
Die Frage ist ja eher, inwieweit sich der Erfolg dieser Maßnahme messen lässt.
Gab es denn schon vor der Einführung eine U18-Wahl in Bayern? Der Vergleich wäre doch naheliegender :/
Ist die Frage ernst gemeint?
Die CSU erreichte 21,19 Prozent, die AfD 17,61 Prozent, die Linke 16,8 Prozent, die SPD 16,2 Prozent und die Grünen 10,09 Prozent
Bei der Europawahl lagen die A*D in NRW und Bayern noch gleichauf
https://www.bundeswahlleiterin.de/europawahlen/2024/ergebnisse/bund-99/land-9.html
https://www.bundeswahlleiterin.de/europawahlen/2024/ergebnisse/bund-99/land-5.html
Warum hat die A*D in Bayern zugelegt ?
Manche hier meinen, das liege an der
(scheinbaren) Fraternisierung mit der CDU/CSU durch H.Merz im BT und den Aussagen H.Söders zur Migrationspolitik.
Zur Verfassungsviertelstunde – sie findet bei uns an allen beruflichen Schularten statt.
Und: Es bringt was, allein schon, um die politische Orientierung der SuS kennenzulernen, Einstellungen besser nachvollziehen zu können und Unterrichtsziele, LPinhalte besser aktualisieren, zeit- und schülerbezogen umsetzen zu können.
Aber: 15 Minuten sind viel viel zu wenig; es wäre kontraproduktiv dann abzubrechen.
Also ist die hohe Kunst, LP und SuSinteresse zu vereinbaren.
Wir üben weiter.
Könnte auch daran liegen, dass die Ergebnisse der Europawahl nicht auf der Gruppe der nicht wahlberechtigten U18 beruhen, sondern auf Stimmabgaben von tatsächlich Wahlberechtigten aller Altersklassen. Bei der U18-Wahl sind dagegen keine Erwachsen dabei. Im Vergleich zur U18-Wahl 2021 hätten die Zustimmungswerte von Blau in NRW ca. +90% zugelegt, in BW ca. +91% in Bayern +87%.
Spannen ist ja, was die 21,19 Prozent bei den Landtagswahlen bei den Bundestagswahlen wert sind, so die CSU diesen Wert am kommenden Sonntag erreichen sollte. Selbst wenn die CSU bundesweit zwischen 5% und 6% der abgegebenen gültigen Stimmen erhalten sollte sind das nur zwischen 32 und 38 Sitzen von insgesamt 630 Sitzen, selbst wenn die CSU mehr Direktmandate über die Erststimmen erlangen sollte. Die Dobrindt-Truppe innerhalb der Fraktionsgemeinschaft dürfte erheblich schrumpfen.
Wünschenswert für die Republik wäre es ja, wenn die CSU genauso wie die FDP an der 5%-Hürde scheitern würde. Im Gegensatz zur FDP hätten die mit Direktmandat ausgestatteten Abgeordneten dieser bayrischen Regionalpartei aber einen Platz unter der Reichstagskuppel – für Lokalcholorit ist also weiterhin gesorgt:)
” – für Lokalcholorit ist also weiterhin gesorgt ” ja, schon allein des wunderbaren Dialekts und der liebenswerten, oft missverstanden Schimpfwörter wegen 🙂
Der CSUinfrastrukturstratege sollte aber bitte in Berlin geparkt bleiben, um Schlimmeres hier vor Ort zu verhindern.
So ein bisschen CSU in Berlin wäre auch nicht schlecht, damit H.Söder nicht doch noch ( schon allein wegen des gerade veröffentlichten horrenden Länderfinanzausgleiches) ohne Widerspruch das Königreich Bayern ausruft.
“Das Ministerium ist mit sich selbst zufrieden…”
Leute, das ist doch die Hauptsache. Was wollen wir denn noch mehr?
Dass Herr Zierer (und sehr viele andere auch) das kritisch sieht ist fast schon eine Frechheit! Sooo viel Selbstzufriedenheit überhaupt in Frage zu stellen (wie und warum auch immer), ungeheuerlich!
(Zynismus = out!)
Wir brauchen keine Verfassungsschulung. Wir brauchen Werte-Orientierung. Der allgemeine Wohlstand hat einen hohen Grad an individuellen Sichtweisen gebracht, so wie es gerade gefällt. WIR brauchen eine Zusammenstellung von allgemeinen Verhaltenswünschen und -erwartungen. Diese müssten durch einen regen Austausch in allen Einrichtungen nach und nach erstellt werden. In Schulen, am Arbeitsplatz, in Sportvereinen (Amateur-Fußball braucht es besonders), überall dort, wo Menschen regelmäßig zusammenkommen. Nicht nur Verhaltenswünsche, auch was ist uns besonders viel wert. Kinder werden zurzeit eigentlich nur noch als Organisationsmasse angesehen. Wann ist mein Kind wo, damit ich meine Arbeit, meine Freizeit, auch günstig verbringen kann. Grundbedürfnisse von Kindern sind völlig aus dem Blick verloren gegangen. Hier ist auch das große Bildungsproblem zu entdecken. Die Voraussetzungen für Bildung werden nicht mehr angelegt. Auch die intensive Zuwanderung aus sehr kulturfremden (für uns) Regionen müssen deutlich orientiert werden, welche Werte und Abläufe hier herrschen. All die Grundlagen, die dieses Land so positiv haben sich entwickeln lassen (bis vor einigen Jahren). Das Grundgesetz ist wertvoll und wird gut geachtet, aber die Verhaltenserwartungen für das Alltägliche ist extrem unsicher geworden. Viele sprechen auch von Verrohung der Gesellschaft. Eigentlich ist es 5 vor 12. Wir müssen einen Prozess anstoßen der alle VIEL besser orientiert. Es ist fast schon zu spät.
Welche Verhaltensmaßstäbe – über die geltenden Gesetze hinaus – sollen denn gelten: die in urbanen Vierteln wie Kreuzberg oder die beim Neusser Schützenfest?
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Welche Verhaltensregeln gelten denn “in urbanen Vierteln wie Kreuzberg oder beim Neusser Schützenfest”? Ich kenne mich da nicht so aus. Können Sie das bitte erläutern? Ich verstehe Ihren Kommentar nicht!
Die hätten das Ingo schreiben sollen
Wen meinen Sie mit “Die”? @Ingo benutzte nicht die Begriffe “urbane Viertel wie Kreuzberg” und “Neusser Schützenfest”. Was damit gemeint ist (welche Verhaltensregeln da gelten) könnte nur die Redaktion erklären. Meinen Sie die mit “Die”? Aber “Die” antworten mir leider nicht. 🙂 Wahrscheinlich haben die gemerkt, dass dieser Kommentar Blödsinn war, aber mal einen Fehler eingestehen, …. ein Satz mit x 🙂
Ist schon jmd aufgefallen, dass eher rechtslastige bis rechtspopulistisch/reißerische Medien in letzter Zeit anders schreiben?
Die FAZ betont, wie wichtig ausländische Fachkräfte sind ( den ganzen Artikel konnte ich nicht lesen, da Bezahlschranke), Fokus Online führt Frau Weidel’s Steuer Pläne ad absurdum und rechnet vor, für wen sich was wirklich rechnet (nämlich gar nicht für deren Hauptwähler). Selbst die Welt, deren Kommentatoren so überzählig auf Afd Seite sind, wird kritisch…