BONN. In Bonn hat der Prozess gegen den Kinder- und Jugendpsychiater sowie Bestseller-Autor Michael Winterhoff begonnen. Der Mediziner, der mit seinen umstrittenen Thesen über “kleine Tyrannen” die pädagogische Debatte in Deutschland nachhaltig prägte, sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt. Ihm wird vorgeworfen, Kinder über Jahre hinweg ohne medizinische Indikation mit Psychopharmaka behandelt zu haben.

Die Staatsanwaltschaft wirft Winterhoff vor, das sedierende Medikament Pipamperon ohne medizinische Grundlage verordnet zu haben, um Kinder „gefügig zu machen“ und sie an die von ihm vertretenen autoritären Erziehungsmethoden anzupassen. Die Staatsanwältin erklärte dazu vor Gericht: „Wie Roboter“ hätten sich die betroffenen Kinder unter dem Medikament gefühlt.
Laut Anklage habe Winterhoff zwischen 2004 und 2021 insgesamt 36 Kinder und Jugendliche mit Pipamperon behandelt, ohne dass eine medizinische Notwendigkeit bestand. Die meisten dieser Kinder lebten in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Besonders gravierend sei der Fall eines Jungen, der bereits im Alter von drei Jahren erstmals mit Pipamperon behandelt wurde – und dies fast zehn Jahre lang. In keinem der 36 Fälle sei eine medizinische Indikation für die Verordnung des Medikaments gegeben gewesen, betonte die Anklagevertretung.
Winterhoff soll bei allen betroffenen Kindern und Jugendlichen eine Diagnose gestellt haben, die in der internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) der Weltgesundheitsorganisation nicht existiert: „frühkindlicher Narzissmus“. Diese fragwürdige Diagnose habe er dazu genutzt, um die Sorgeberechtigten zu „irre zu führen“. Ohne diese Fehldiagnose hätten Eltern und Erzieher dem Einsatz des Medikaments wohl nicht zugestimmt, erklärte die Staatsanwältin.
Darüber hinaus habe Winterhoff die Erziehungsberechtigten nicht ausreichend über die möglichen Nebenwirkungen des Medikaments informiert. Stattdessen habe er ihnen Pipamperon als die „einzige Option für ihr Kind“ dargestellt und versprochen, es dadurch „emotional erreichbar“ zu machen. Die Anklage nennt eine Vielzahl von Fällen, in denen es zu erheblichen Nebenwirkungen wie extremer Müdigkeit, Bewegungssteifigkeit und deutlicher Gewichtszunahme kam.
„Etliche Eltern und Erzieher können berichten, dass es nach einer langen, erfolglosen Behandlungsodyssee schließlich Herr Dr. Winterhoff war, der den Kindern geholfen hat“
Winterhoffs Verteidigerin wies alle Vorwürfe entschieden zurück. In ihrer Eröffnungserklärung betonte sie, dass ihr Mandant Pipamperon stets nur dann verordnet habe, wenn es eine medizinische Notwendigkeit gegeben habe. Sein Ziel sei es immer gewesen, Kindern und Jugendlichen in psychischer Not zu helfen und ihnen eine bessere Lebensqualität zu ermöglichen.
Nach Darstellung der Verteidigung habe es sich bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen überwiegend um sogenannte „Systemsprenger“ gehandelt. Viele von ihnen seien aus schwierigen Familienverhältnissen gekommen, traumatisiert gewesen und hätten massive Verhaltensauffälligkeiten gezeigt, etwa durch Wutausbrüche, Aggression oder extremes Rückzugsverhalten. „Etliche Eltern und Erzieher können berichten, dass es nach einer langen, erfolglosen Behandlungsodyssee schließlich Herr Dr. Winterhoff war, der den Kindern geholfen hat“, erklärte die Verteidigerin.
Auch die Vorwürfe der unzureichenden Aufklärung wies die Verteidigung zurück. Winterhoff habe Sorgeberechtigte stets „ausführlich“ über die Wirkung und Nebenwirkungen des Medikaments informiert. Zudem gebe es keine stichhaltigen Beweise dafür, dass es in den angeklagten Fällen überhaupt zu Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Müdigkeit oder Bewegungssteifigkeit gekommen sei. Selbst wenn solche Symptome aufgetreten seien, sei nicht bewiesen, dass sie durch die von Winterhoff verordnete Pipamperon-Dosis verursacht worden seien.
Die Verteidigung stellt ihren Mandanten als Opfer einer beispiellosen medialen Vorverurteilung dar. Besonders kritisiert wird die Berichterstattung des WDR. Eine Dokumentation des Senders mit dem Titel „Warum unsere Kinder keine Tyrannen sind“ hatte im August 2021 erstmals die mutmaßlich fragwürdige Behandlungspraxis Winterhoffs ans Licht gebracht und damit eine breite öffentliche Debatte angestoßen. Daraufhin nahm die Staatsanwaltschaft Bonn Ermittlungen auf. Im Zuge dieser Ermittlungen wurden Winterhoffs Praxis- und Privaträume durchsucht sowie mehr als 3000 Patientenakten sichergestellt. Zusätzlich wurden Hunderte weitere Akten aus Kinderheimen beschlagnahmt. Im Juni 2023 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Winterhoff in 36 Fällen.
Michael Winterhoff war einst einer der bekanntesten Kinder- und Jugendpsychiater Deutschlands. Mit seinem Buch „Warum unsere Kinder Tyrannen werden“, das im Jahr 2008 erschien, erreichte er eine breite Leserschaft. Seine Thesen prägten die Erziehungsdebatten der damaligen Zeit und wurden vor allem von Befürwortern eines autoritäreren Erziehungsstils gefeiert. Winterhoff selbst leitete bildungspolitische Forderungen aus seinen Thesen ab.
„Es ist ja ein Skandal passiert: Die OECD, also Menschen, die sich um Wirtschaft kümmern, haben Einfluss genommen auf die Bildungspolitik und haben Ideen entwickelt – weit an dem, was Kinder brauchen, vorbei. Nämlich die, dass Kinder autonom groß werden sollen. Die Bildungspolitik hat das, ohne überhaupt mit Lehrern zu sprechen, von oben nach unten durchgedrückt“ – das sagte Winterhoff, der mit pointierten Titeln polarisierte („Warum unsere Kinder Tyrannen werden“, „Deutschland verdummt“, „SOS Kinderseele“) im Deutschlandfunk Kultur. Mit „der OECD“ meinte Winterhoff augenscheinlich die (von der Industrieländervereinigung organisierte) PISA-Studie, die „Ideen“, die er anprangert, sind Kompetenzorientierung, offene Unterrichtsformen und eine Lehrerrolle, die weg vom Alleinunterhalter hin zum Classroom-Manager führt.
„Lehrer sind jetzt nur noch ‚Lernbegleiter‘, decken eine Lerntheke, an der sich die Kinder bedienen sollen”
Damit offenbarte Winterhoff seine schulpolitische Agenda, die auf einer recht einfachen Weltsicht beruht. Im Wortlaut eines weiteren Deutschlandfunk-Interviews klang das bei ihm so: „Die meisten Kinder kommen heute mit sechs Jahren in die Schule und sind nicht mehr lern- und wissbegierig. Sie sind lustorientiert, auf der Stufe eines Kleinkindes. In der Schule haben sie nur dann eine Chance, wenn sie sich entwickeln können – am Gegenüber, in der Beziehung zu den Lehrern. Die Politik will aber seit der Jahrtausendwende autonomes Lernen, das heißt, die Lehrer sind nicht mehr direkte Bezugspersonen, sondern nur noch Lernbegleiter. Doch Bindung und die Orientierung am Lehrer sind wichtig, damit Kinder eine Chance haben, ihre Psyche zu entwickeln und lernen zu wollen.“
Oder so (im „Fokus“): „Lehrer sind jetzt nur noch ‚Lernbegleiter‘, decken eine Lerntheke, an der sich die Kinder bedienen sollen. Für die Ausführung ist das Kind verantwortlich. Es gibt Grundschulen, an denen Schulverträge mit den Kindern abgeschlossen werden, in den Pausen gibt es Viertklässler als Streitschlichter. Viele Kinder müssen Schallschutzkopfhörer tragen, um in Ruhe arbeiten zu können. Wir haben jetzt in vielen Bundesländern die Verbundschreibschrift und die Rechtschreibung abgeschafft.“
Winterhoffs Prophezeiung: „Wenn wir nicht gegensteuern, gerät unsere Gesellschaft in eine katastrophale Schieflage. Unsere Kinder wachsen zu Narzissten und Egozentrikern heran, die nicht auf Andere achten, sich nur um sich selbst drehen und lustorientiert in den Tag leben. Wertschätzung ist ihnen kein Begriff mehr. In einem Sozialstaat müssen die Menschen aber füreinander da sein. Doch Menschen, die sich wie kleine Kinder aufführen, nicht fähig sind zu arbeiten, die sprengen dieses System.“
Mit solchen Aussagen sprach Winterhoff insbesondere vielen konservativen Pädagoginnen und Pädagogen aus der Seele. Und mit manchem hatte er sicher auch recht: Dass „verhaltensoriginelle“ Kinder den Unterricht sprengen und Lehrkräfte an ihre Belastungsgrenze bringen können – wer wollte dem widersprechen? Die Frage ist allerdings, ob sich daraus eine Gesellschaftsanalyse mit weitreichenden bildungspolitischen Konsequenzen drechseln lässt. Und welche.
Zeit-Redakteur Martin Spiewak nannte Winterhoff den „Thilo Sarrazin der Erziehung“ – und beschreibt in einem 2019 erschienenen Beitrag einen „düsteren pädagogischen Pessimismus, der das ganze Werk des Autors durchzieht“, eine „Pädagogik zum Gruseln“. Kinder und Jugendliche seien demnach rein lustbetonte Wesen, die eine kurze Leine benötigen. „Deutschlands Eltern haben es demnach verlernt zu erziehen. Statt ihrem Nachwuchs Grenzen zu setzen, behandeln sie ihn als Freund und Partner. Im Extremfall, der für Winterhoff meist die Regel ist, verbindet Erwachsene und Kinder eine Art ‚symbiotischer Beziehung‘. Die Folge: Die Sprösslinge haben keine Chance, sich zu entwickeln, ihre Psyche verkümmert auf dem Stand eines Säuglings. Wenn diese Kinder erwachsen werden, gefährden sie unseren Wohlstand, ja die ganze Gesellschaft“, so beschrieb Spiewak den Winterhoff’schen Ansatz. News4teachers
☆ 1 “Die Einnahme von Methylphenidat kann zu einer Vielzahl verschiedener Nebenwirkungen führen. Bei Patienten mit Narkolepsie treten häufig Konzentrationsschwäche, Schwitzen und Geräuschempfindlichkeit auf. Ansonsten kann es unter anderem zu Blutdruckschwankungen, Tachykardie, Anorexie, Übelkeit und Erbrechen kommen. In seltenen Fällen treten Hirnblutungen oder Schlaganfälle auf. Die Einnahme muss überwacht werden, da bei Missbrauch die Gefahr einer Abhängigkeit besteht.”
☆ 2 “ZNS: extrapyramidalmotorische Störungen, Kopfschmerzen, Benommenheit, Müdigkeit, Depressionen, Krampfanfälle
Gastrointestinaltrakt: Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit
Endokrine Effekte: Menstruationsstörungen, Gynäkomastie, Hyperprolaktinämie
Kardiovaskuläre Effekte: Tachykardie, Hypotonie, QT-Verlängerung
In seltenen Fällen kann ein malignes neuroleptisches Syndrom auftreten. Nach dem Absetzen kann es zu Schlafstörungen kommen”
1 und 2 enthält Nebenwirkungen
(docflex)
2 – von Pipamperon
1 – von z.B. Ritalin.
Ich möchte die Verordnung von Pipamperon bei 3jährigen bestimmt nicht unterstützen !!
Nur: Hat jemand hier im Forum in seinen Klassen keine SuS, die Ritalin/ anderes Medikament mit Wirkstoff in ☆1 bekommt ?
Manchmal denke ich schon, dass es inflationär verordnet wird – bei auch heftigen Nebenwirkungen.
” Da muss was passieren” hörte ich schon oft. Das kann ein Medikament wie Ritalin sein (ohne geht nicht kam von SuS), das kann auch ein Umdenken und das Verändern der Lebensumstände/ Nachdenken/ Handeln, das natürlich die ganze Familie extrem fordert (weniger als Tablette geben), sein.
Bei 3jährigen ist schon noch Veränderung möglich.
Was den > frühkindlichen Narzissmus angeht – na ja, ich bezeichnete unsere 3 immer als Raubtierchen 🙂 da können peers schon erdend, liebevoll zähmend einwirken.
Früher gab es Missbrauchsfälle in Heimen, Internaten, Kirchen. Das ist heute sehr viel unwahrscheinlicher und unmöglicher , da mehr kontrolliert und mehr im Bewusstsein. Man ist dort nicht mehr sein eigener Herr und nicht mehr was höheres und die Kleinen was niedrigeres mit weniger Rechten.
Dafür geht aber heute die Pathologisierung mit uns durch! Wir nehmen alles genau unter die Lupe, müssen alles durchkontrollieren und analysieren und perfektionieren. Sind dabei selber höchst entfremdet und sehen den Wald vor Bäumen nicht. Wie schon immer, halten wir die Vergangenheit für besser und erliegen der menschlichen Natur, die als Selbstschutz alles im Nachhinein besser aussehen lässt. Wir vergessen also die vielen Kinder, die erst spät sprechen konnten, weil die Eltern vor lauter Arbeit wenig Zeit hatten. Selbst wenn Großeltern teilweise bewundern, wie schnell die Kleinen heute sind und meinen, dass wäre bei ihn anders gewesen, ignorieren wir das. Wir ignorieren auch die vielen ungebildeten Menschen aus der älteren Generation und tun so, als läge das an steinzeitlichen Situationen von”früher”. Und wenn ältere Menschen, zB den Krankenschwestern in der häuslichen Krankenpflege von damals erzählen, dann stellt man fest, es gab damals genauso welche mit schlechter und mit guter Kindheit. Wir meinen dagegen, es gab Schläge, weil es erlaubt und üblich war. Aber auch damals hatten gesunde und starke Eltern das nicht nötig. Und die es nicht besser können und unsicher sind, die gibt es heute auch noch. Sie schlagen ihre Kinder dann trotzdem, oder verfallen (weil ja verboten und geächtet) – meine Analyse – aus Unsicherheit ins gegenteilige Extrem!
Und dann kommen die Klagen über vierjährige Wickelkinder, so als hätte es sowas nie gegeben und ich schaue mir mein Kindergartengruppenfoto von 1985 an und mir fällt ein, dass sich dort auch regelmäßig jemand in die Hose machte und dass da sogar ein Kind mit Down-Syndrom in der Gruppe war, von der Größe und Entwicklung her eine Zweijährige. Aber das war einfach so, da hatte halt jemand aus dem Dorf so ein Kind und man konnte es nicht auf Inklusion schieben und es gab auch noch gar nicht die Idee vom Begleiter und auch keinen Förderkindergarten irgendwo. Und mir fällt eines meiner Lieblingsbilderbücher ein, von einem Jungen, der in den Kindergarten geht, mit Zeichnungen, wie er dort spielt, isst, schläft und gewickelt wird. War interessant, weil ich ja erst mit vier im Kiga war und auch nur bis Mittag. So ein Buch aus den 80ern? Und 2025 macht man die Dramaqueen wegen Wickelkindern?
Auch die mediale Präsenz hat ihren Anteil, denn wir empfinden alles als viel dramatischer, wenn wir von jedem Vorfall hören und entsprechend mit schlechten Nachrichten geflutet werden. Man könnte mit guten Nachrichten gegensteuern – aber wen interessieren die schon.
Dies alles in Verbindung mit einer auch vom Elternhaus aus überwachten, durchorganisierten und kontrollierten – oder – sedierten ( Handy/Tablet) Kindheit, kommt dann zu einem Ergebnis, wie in diesem Bericht :
Es wird scheinbar für gut erachtet, als Kind ein Roboter zu sein.
“Man ist dort nicht mehr sein eigener Herr und nicht mehr was höheres und die Kleinen was niedrigeres mit weniger Rechten.”
Schön wärs. Aber Heimkinder klagen auch heute noch über Zwang. Wie in der Altenpflege wurde geguckt, ob sie die Tabletten genommen haben. Falls jemand sich weigerte, gab es Druck. Und wenn das von den Erziehern so genannte “Winterhoff-Wandern” wirklich so stattfand, wie es in den Beiträgen von Nicole Rosenbach geschildert wurde, dann stellen sich viele Fragen. Zum Beispiel die nach einer entwürdigenden Strafe und seelischer Grausamkeit. Dass Pädagogen mal schweigen dürfen, ist klar. Aber Kindern den Aufenthalt in der Natur zu vermiesen, indem sie so lange hinter einem schweigenden “Pädagogen” folgsam hergehen müssen, wie der es haben will, das ist doch wohl grotek.
Solche Situationen könnten sogar sexuellen Missbrauch an Kindern begünstigen, so dass ich nicht verstehen kann, dass die Teams, die nach Winterhoff gearbeitet haben” sich da nicht verweigert haben.
Es haben wohl einige Leute über viele Jahre verpennt, dass es seit dem ersten Januar 2001 einen neuen Pragraphen 1631 BGB gibt. In Absatz 2 heißt es: Das Kind hat ein Recht auf Pflege und Erziehung unter Ausschluss von Gewalt, körperlichen Bestrafungen, seelischen Verletzungen und anderen entwürdigenden Maßnahmen.
-2 ganz vergessen:
” Pipamperon Hxxxxx xx mg wird angewendet zur Behandlung von Schlafstörungen, insbesondere bei älteren Patienten, und von bestimmten (psychomo- torischen) Erregungszuständen. während Schwangerschaft und Stillzeit. ”
Im psychiatrischen Sektor muss bei Misserfolg oft nach einem unkonformen Weg – Austausch, Kombination, Hoch- Abdosierung bewährter wie neuer Mediamente gesucht werden.
Bei Kindern bewegt er sich da auf einem sehr sensiblen Terrain.
Doch es dauert lange, gesicherte Ursachen für die “Tyrannei” zu finden und z.B. verhaltenstherapeutisch zu helfen ( zumal auch Behandler rar sind), das muss man ehrlicherweise sagen, überfordert so manch Erziehende
und dann wird doch Abhilfe gefordert in Form von : Tabletten – bei Kopfschmerzen hilfts doch auch ):
Kritisiert wird u.a. in dem Artikel ein “einfaches Weltbild”.
Mag sein oder nicht, doch was ist an “Bindung” und “Orientierung” geben falsch? Das hielt ich als Mutter gemeinsam mit dem Vater für die Grundlage einer Eltern-Kind- Beziehung, und auch in meiner Rolle als Lehrerin erlebe ich es als förderliches Element in der Gestaltung meiner Beziehung zu den SUS – gepaart mit einem wertschätzenden, liebevollen Umgang. Als Mutter fand ich es am schwierigsten, dem Kind Grenzen zu setzen (keine Sandalen im Winter), ohne den Willen des Kindes zu brechen. Das wäre für mich ” gruselige” Pädagogik, die durfte ich selber kosten. Und ausspucken.
Was die Vorwürfe gegen Herrn Winterhoff angehen, wird das gerichtlich geklärt werden müssen, sie wiegen schwer.
Die Aussagen zur gesellschaftlichen Entwicklung, mit denen H. Winterhoff im Artikel zitiert wird, trefffen unabhängig von den Vorwürfen gegen ihn 17 Jahre später jedoch in weiten Teilen zu. Nimmt man noch die Hinweise von Herrn Spitzer ( u.a. 2012 Digit. Demenz) bzgl. des digitalen Medienkonsums hinzu, (heißt nicht, ich stimme allem zu) ergeben sich Erklärungs – und Verstehensansätze, die diskussionswürdig sind. Kinder und Jugendliche entwickeln sich nicht unabhängig von elterlichen und gesellschaftlichen Einflüssen. Wir, die Erwachsenen, müssen uns fragen lassen, was wir in den letzten ~ 20 Jahren hätten besser machen können, um es JETZT besser zu machen.
Bindung und Orientierung zu geben, auf der Grundlage von Wertschätzung, ist für mich ein guter Weg in der Erziehung und Begleitung von Kindern und Jugendlichen.
Auch dieser Fall zeigt: In einer offenen und wissenschaftsbasierten Gesellschaft braucht es keinen Personenkult, in Fragen von Bildung und Erziehung schon überhaupt nicht, weder mit Menschen aus dem 19./ 20. Jahrhundert (Montessori / Steiner) noch mit welchen aus dem 20./21. Jahrhundert (Winterhoff / v. Hentig).
Mit dem genannten Medikament Pipamperon
werden eigentlich nur Patienten in der Geriatrie
im Delir behandelt.
Neuroleptika, wie auch MCT, also Metoclopramid,
sind bei Kindern auf Grund der dem Parkinson
ähnlichen Nebenwirkungen mit Katalepsie,
motorischer Starre, kontraindiziert, sodass dieser Arzt
auch mit zivilrechtlichen Strafverfahren rechnen sollte.
Aus meiner Sicht ist es unverzeihlich,
derartige Medikamente bei Kinder anzuwenden.
Evidenzbasierte Leitlinien haben einen unschätzbaren
Wert für Ärzte und Patienten.
Natürlich sind Kinder und Jugendliche lustbetonte Wesen! Und sie müssen es sein! Sie müssen Lust am lernen und leben entwickeln. Lust sich mit anderen Menschen auszutauschen und andere Menschen kennenzulernen.
Und dabei müssen sie auch ihre Interessen entdecken, entwickeln und verteidigen. Also müssen Kinderbauch narzistisch sein in einem gewissen Maß. Und gleichzeitig sind alle Kinder einfühlsam und haben alle immer eine gewisse Empathie.
Manche seiner Ideen scheinen ganz gut zu sein, wie die des Lehrers als Lernbegleiter. Aber man darf trotzdem Kindern nicht einfach unzulässige Medikamente verschreiben. Wenn das jeder Arzt machen würde, hätten wir schnell schlimme Probleme.
Es gibt bei KIndern off-label-Einsätze von Medikamenten, die für Erwachsene zugelassen sind, weil gerade bei psychischen Erkrankungen viele Medikamente nur eine Zulassung für Erwachsene haben. Off-label-Einsätze könnten selbstverständlich, aber sie müssen keineswegs ein vorwerfbarer Fehler sein. Es wird darum gehen, ob ein Einsatz begründet werden kann, ob ein Medikament nicht übermäßig lange eingesetzt wurde und ob es eine ordnungsgemäße Aufklärung gab. Außerdem wird von Winterhoff angeführt, dass von ihm behandelten Patienten keine körperlichen Schäden durch die Behandlung erlitten haben sollen.
Kann sich jemand vorstellen, wie viel Geld sich mit Heimkindern verdienen lässt? So wie in der Altenpflege die Weichen schon früh so gestellt wurden, dass für Bettlägerige mehr bezahlt wurde als für Heimbewohner, die noch auf den Beinen waren, so gab es auch eine Diskrepanz zwischen Kindern ohne eine psychiatrische Diagnose und denen, die aufgrund einer Diagnose medikamentös behandelt wurden…
So ausgiebig wie über den Fachkräftemangel in Kitas wurde über den Fachkräftemangel in Heimen und die damit einhergehenden Fehlentwicklungen wahrlich nicht berichtet. Ich kann mir gut vorstellen, dass Heimerzieher, die fertig mit den Nerven waren oder nicht alles mittragen wollten, was in Heimen ablief, in Kitas abgewandert sind oder aber als fachliche Schulbegleitung angefangen haben. Wenn es einen entsprechenden Trend gegeben haben sollte, was ich mir vorstellen kann, dann hat der forcierte Betreuungsplatzausbau auch noch die Situation der Heimkinder verschlechtert.
Nicht vorstellbar. Wenn man überlegt, was so manches Heimkind erlebt hat, und dann eine Turbodiagnose und medikamentöse Therapie, ohne Sorgfalt und ernst genommen werden, nur um zu funktionieren…..
Peinlich fand ich, wie oft Sachverständige bei den zuerst verhandelten Fällen davon gesprochen haben, dass die Behandlung “nicht Goldstandard” gewesen sei, aber…
Noch Jahre nach dem Verfahren hat eine für den kleinen Muck tätige Fachkraft bekundet, dass sie immer noch keinen Beipackzettel des Medikaments gelesen hatte. So gut habe Winterhoff alles erklärt, meinte sie und auch, dass sie ihm nicht hörig gewesen sei.
Die gängige Floskel weckt bei mir Erinnerungen an eine sehr alte Nonne, die in unserem Mathematikkurs alle nach ihren Noten gefragt hat. Die “Einser” waren ihre “Goldsternchen”, die Zweier ihre “Silberfischchen” und als sie bei “fünf” angelangt war, frug eine Kandidatin, ob sie jetzt ihr “Blechsternchen” sei.
Übrigens haben schon einige Schülergruppen mit ihren Lehrern für einen Vormittag am Strafverfahren als Beobachter teilgenommen. Bislang aber noch keine Klasse einer Bonner oder Kölner Erzieherfachschule.