MÜNCHEN. „Nehmt uns endlich ernst!” Unter diesem Motto demonstrierten nach Angaben der Veranstalter 500 bayerische Schülerinnen und Schüler für die Abschaffung von unangekündigten Leistungstests. Hintergrund ist eine Petition, die von der 17-jährigen Schülerin Amelie aus München gestartet wurde und mittlerweile von fast 54.000 Menschen unterschrieben wurde.
Schülerin Amelie sagt: „Der riesige Erfolg unserer Petition ist ein klares Signal an die Politik: Wir Schülerinnen und Schüler leiden unter Angst und Stress durch unangekündigte Abfragen und Exen. Sie hindern uns, nachhaltig zu lernen und bereiten uns nicht auf die Zukunft vor. Die Welt ändert sich rasant, aber die Schulen in Bayern arbeiten mit Methoden aus dem letzten Jahrhundert.“
Ministerpräsident Markus Söder hatte auf der CSU-Fraktionsklausur im Herbst letzten Jahres erklärt, Exen und Abfragen würden selbstverständlich bleiben. Dieses Machtwort stieß auf öffentliche Kritik (News4teachers berichtete).
Die Forderungen der Schülerinnen und Schüler seien berechtigt – wie Schulpädagogik-Experte Prof. em. Ludwig Haag nun auf der Bühne erklärte: „‘Ein wenig Angst schadet nicht’ – diese Aussage ist schlichtweg falsch, viele tausend Studien belegen das. Unangekündigte Exen verursachen nachgewiesenermaßen einen höheren Angstpegel. Ein Schulsystem, das auf Ängsten aufbaut, erzeugt kein günstiges Lernklima. Wo im Leben werden sonst noch unangekündigte Leistungen erhoben? Richtig, nirgends!“
Das unterstrich auch Margret Rasfeld, langjährige Schulleiterin und renommierte Bildungsreformerin. „Ich habe noch kein Kind erlebt, das nicht lernen will. Lernen braucht Beziehung, Zutrauen, Eigenverantwortung – das ist das Gegenteil von Angst, Druck und Demütigung. Wir brauchen Schulen, die nicht nur auf Wissen setzen, sondern Zuversicht und Zukunftskompetenzen vermitteln, die Herzensbildung betreiben“, meinte sie.
„Wir brauchen dringend eine neue Lernkultur, um die jungen Menschen fit für die Zukunft zu machen”
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist neben dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) sowie dem Bayerischen Elternverband (BEV) eine von vielen Unterstützer-Organisationen, die diese Perspektive teilt.
Martina Borgendale, selbst Lehrerin und Vorsitzende der GEW Bayern, unterstrich: „Wir brauchen dringend eine neue Lernkultur, um die jungen Menschen fit für die Zukunft zu machen. In Zeiten von künstlicher Intelligenz ist ‘Bulimielernen’ nicht mehr gefragt, bei dem Wissen kurzfristig ins Hirn gestopft, abgerufen und dann schnell wieder vergessen wird. Schülerinnen und Schüler müssen stattdessen grundlegende Zusammenhänge verstehen und Kompetenzen erwerben. Und da passen Abfragen und Exen einfach nicht mehr in unsere Zeit.”
Tausende von Schülerinnen und Schüler haben sich seit dem Start der Petition der Bewegung angeschlossen. Sie fordern eine zeitgemäße Lern- und Prüfungskultur, eine Schule ohne Angst – als ersten Schritt hin zu dringend nötigen, grundlegenden Veränderungen im bayerischen Bildungssystem. Dass sie sich von der Politik ignoriert fühlen, verursacht Unmut. Ayush Yadav, stellvertretender Landesschülersprecher der bayerischen Gymnasien: „Die Politik muss uns ernstnehmen, wir vertreten 1,7 Millionen Schülerinnen und Schüler in Bayern! 73 Prozent unserer Anträge in den letzten zwei Jahren wurden abgelehnt. Das ist das Gegenteil von demokratischer Mitgestaltung!“
Petitions-Initiatorin Amelie: „Die Demo heute ist der Anfang einer Bewegung. Wir haben einen langen Atem und wir werden immer mehr. Die Politik muss uns Schülerinnen und Schüler ernst nehmen. Wir haben ein Recht auf ein Bildungssystem, das der Realität junger Menschen gerecht wird und uns wirklich auf die Zukunft vorbereitet. Es ist unsere Zukunft!“ News4teachers
