“Schon Grundschüler haben antisemitische Bilder im Kopf” – Handreichung für Lehrkräfte

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Schüler in Mecklenburg-Vorpommern sollen sich früher als bisher mit den Themenbereichen Antisemitismus und Nationalsozialismus befassen – auch schon in der Grundschule. Sie sollen so besser gegen diskriminierende Einstellungen gewappnet sein. Wie Bildungsministerin Simone Oldenburg in Schwerin mitteilte, liegt dafür jetzt eine Handreichung für den Unterricht in den Klassen eins bis sechs vor. 

Die deutsche Geschichte ist vom Antisemitismus geprägt. Foto: Shutterstock

Darin erhielten Lehrkräfte aller Fachrichtungen Anregungen, wie sie Schüler auf jüdisches Leben in Vergangenheit und Gegenwart aufmerksam machen, Hintergründe des fortwährenden Antisemitismus erklären und für ein solidarisches Miteinander werben können.

«Schulen sind Orte, in denen das Zusammenleben in Vielfalt, Toleranz und gegenseitigem Respekt erlebt und gelebt wird. Antisemitismus ist mit einer demokratischen Schulkultur unvereinbar», betonte die Linke-Politikerin. Extremistische Einstellungen äußerten sich an den Schulen insbesondere in der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole. Sie appelliert an Lehrkräfte: «Ihnen kommt hierbei sowohl als Fachlehrkräfte als auch als Pädagoginnen und Pädagogen eine herausgehobene Verantwortung zu. Schule vermittelt nicht nur die Geschichte des Holocaust, sie klärt ebenso Schülerinnen und Schüler über Hintergründe und Formen des gegenwärtigen Antisemitismus auf und macht gleichzeitig jüdisches Leben als einen Teil unserer vielfältigen demokratischen Gesellschaft sichtbar.»

Antisemitismus-Beauftragter: Judenhass früh entgegenwirken

Das Land habe die gut 80-seitige Handreichung mit zahlreichen Beispielen, Texten, Hinweisen und Arbeitsblättern zusammen mit dem Anne Frank Zentrum in Berlin herausgegeben. Bei einer Erstauflage von insgesamt 1.200 Exemplaren gingen jeweils ein bis zwei davon an jede Grundschule und Schulen mit Orientierungsstufe. Weitere Hefte könnten bei der Landeszentrale für politische Bildung bestellt werden, die Handreichung stehe zudem online auf dem Bildungsserver des Landes als Download zur Verfügung.

Nach Angaben von Nikolaus Voss, Antisemitismus-Beauftragter des Landes und Initiator der Handreichung, hat sich seit dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel im Oktober 2023 auch in Mecklenburg-Vorpommern die Zahl antisemitischer Vorfälle erhöht. Neben Schmierereien mit NS-Symbolen seien vermehrt auch Schmähungen im Rahmen von Sportveranstaltungen registriert worden.

«Die Beschäftigung mit dem Thema Judenhass kann nicht früh genug beginnen, um Kinder widerstandsfähig gegen antisemitische Stereotype und Bilder zu machen», betonte Voss. Die Handreichung für Schulen sei eine konkrete Maßnahme aus dem Landesaktionsplan gegen Antisemitismus, den die Landesregierung im November 2024 beschlossen habe.

Schon Kinder kommen mit Antisemitismus in Kontakt

«Schon Kinder im Grundschulalter haben antisemitische Bilder im Kopf», sagte Katinka Meyer vom Anne Frank Zentrum Berlin. Solch diskriminierende Vorstellungen ließen sich aber in jungen Jahren noch vergleichsweise leicht hinterfragen. Ziel der Handreichung sei es, Kinder und Jugendliche für die Folgen von Ausgrenzung zu sensibilisieren und sie für Solidarität und Menschenrechte zu gewinnen.

Laut Oldenburg haben seit dem vergangenen Jahr auch mehr Schülerinnen und Schüler der oberen Klassen Gelegenheit, an mehrtägigen Fahrten in die ehemaligen deutschen Vernichtungslager in Polen teilzunehmen. Das Land habe die Mittel dafür von jährlich 50.000 auf 150.000 Euro erhöht. Auch die Besuche von Gedenkstätten für NS-Opfer im Land seien Teil einer vielgestaltigen Erinnerungskultur. News4teachers / mit Material der dpa

Hier geht es zur Handreichung.

„Judenhass entfaltet sich ungehemmt“: Lehrkräfte und Eltern mobilisieren gegen Antisemitismus an Schulen

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DerechteNorden
6 Monate zuvor

Was ich mich gerade wieder frage, ist, wie man eigentlich gegen die Elternhäuser ankommen soll. Denn dort liegt doch das Problem.
Man darf nicht vergessen, dass Kinder die meiste Zeit mit ihren Familien verbringen und die diese prägend sind.
Wenn ich mir überlege, was wir in Schulen bereits tun, um Diversität als gut zu vermitteln, und das dann den “Misserfolgen” gegenüberstelle sowie ermittle, wie die Hintergründe der “Misserfolge” aussehen, muss ich konstatieren, dass wir kaum etwas ausrichten können.
Ich glaube nicht, dass man das Problem mit noch mehr und noch intensiver wird lösen können.

Ja, man sollte gegen Ausgrenzung an arbeiten, aber man sollte den Schulen nicht noch mehr aufbürden, was sowieso nichts zur Lösung beiträgt.
Das eigentliche Problem sitzt ganz woanders.
Zwar habe ich Ideen, wie man da vorgehen könnte, aber äußerte ich die, würde man mit vorwerfen, die Meinungsfreiheit einschränken zu wollen.
Zur Meinungsfreiheit: Wir müssen dringend darüber sprechen, wie Meinungsfreiheit definiert sein soll.

Rainer Zufall
6 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Sie und wir können nicht alles im Alleingang richten, wir machen Lernangebote.

Allerdings gibt es auch Untersuchungen die zeigen, dass auch ein einziger Mensch positiven Einfluss auf die Biografie haben kann.

OB unsere Arbeit Früchte tragen wird, sehen wir in der Regel nicht. :/
Könnte schlimmer sein

Unverzagte
6 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Kinder verbringen nicht generell Zeit überwiegend in ihren Familien, da sie oftmals keine haben. Elternhäuser sind zudem Mikroelemente eines komplexeren Systems. Das Problem kann also sicher nicht privatisiert werden.
Zudem wird Antisemitismus längst auch in Primarschulen thematisiert. Entsprechende Literatur liegt seit Jahrzehnten vor. So gesehen kommt die Handreichung doch sehr verspätet.

Dejott
6 Monate zuvor

Wann lernen wir endlich,dass man mit Handreichungen keine Probleme löst?

Konfutse
6 Monate zuvor
Antwortet  Dejott

Nun, es löst die Probleme der oberen Etage: Die Kultusbehörden zeigen, dass sie das Problem erkannt UND das Problem gebannt haben (in Form von Hochglanzbroschüren, die z.B. von Lehrkräften, die in der Bundeszentrale für politische Bildung oder im ZSL dafür abgeordnet werden und die uns in den Schulen fehlen). Der Rest, also „Drecksarbeit“, die ist dann für die untere Etage…

Rainer Zufall
6 Monate zuvor
Antwortet  Dejott

Ich finde die Handreichung erstmal besser als warme Worte und “Vorderungen” nach Eigenverantwortung.
Aber nach Oben ist durchaus Luft

Rainer Zufall
6 Monate zuvor

Danke.