GEW warnt vor Doppelkrise im Bildungswesen: Lehrermangel – und kein Geld

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DRESDEN. Nach Ansicht der Bildungsgewerkschaft GEW steht das neue Schuljahr in Sachsen unter düsteren Vorzeichen. Der Lehrermangel im Freistaat spitzt sich dramatisch zu – und nun fehlt auch noch das Geld. GEW-Landeschef Burkhard Naumann warnt vor einem „gefährlichen Kurs zulasten der Bildungschancen junger Menschen“. Ministerium und Lehrergewerkschaften liefern sich zum Schuljahresstart einen offenen Schlagabtausch.

Wird eng. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Lehrermangel und kein Geld: Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnt vor Folgen einer Doppelkrise im sächsischen Bildungswesen. Lehrermangel sei schon seit Jahren ein Problem, sagte GEW-Chef Burkhard Naumann. «Neu ist: Jetzt gibt es auch kein Geld (…) Das ist ein gefährlicher Kurs zulasten der Bildungschancen junger Menschen in Sachsen. Viele Schulen stemmen ihren Alltag nur noch mit größter Kraftanstrengung.»

Nach Einschätzung der GEW müssten für eine komplette Unterrichtsversorgung inklusive Ergänzungsbereich über 4.000 Lehrerinnen und Lehrer zusätzlich eingestellt werden. Hinzu käme noch Ersatz für Lehrkräfte, die im vergangenen Schuljahr ausgeschieden seien. Allein durch die steigende Schülerzahl im neuen Schuljahr seien 770 weitere Lehrer erforderlich. Laut Kultusministerium gibt es nun 438 Menschen mehr im Schuldienst als im vergangenen Schuljahr.

Kritik an überhasteter Abordnung von Lehrkräften

Die Gewerkschaft listete eine ganze Reihe von Auswirkungen als Folge finanzieller Kürzungen auf. Die individuelle Förderung werde massiv eingeschränkt, der versprochene Ausbau der Schulassistenz bleibe aus. Um den Mangel besser zu verteilen, würden Lehrkräfte an andere Schularten und für andere Fächer abgeordnet. Die Kritik sei nicht, dass es Abordnungen gebe. Sie würden aber völlig überhastet gemacht, anstatt planvoll vorzugehen.

Laut GEW konzentriert sich das Kultusministerium auf die Quantität des Unterrichtes statt auf die Qualität der Bildung. Ohne ausreichend Personal sowie Geld für Förderung, Vertretung oder Unterstützung laufe das System «auf Verschleiß». Man brauche eine Neuausrichtung der Bildungspolitik. «Die Krise kann nur gemeinsam bewältigt werden», sagte Naumann. Ministerium, Gewerkschaft, Eltern und Schüler müssten an einen Tisch.

Dauerstress und Resignation in den Lehrerkollegien

GEW-Vize Claudia Maaß äußerte sich zum Maßnahmenpaket des Kultusministeriums, um den Unterrichtsausfall zu minimieren. Es gebe Unruhe und Unsicherheit an vielen Schulen. «Lehrkräfte, die bereits am Limit arbeiten, sollen noch mehr schultern.» Es sei kein Ende, keine Besserung in Sicht. Dauerstress und Resignation seien die Folge. Ständig gebe es neue und kurzfristige Maßnahmen, die mit den Betroffenen nicht abgesprochen seien.

Das Kultusministerium hatte am Mittwoch seine Pläne für das am kommenden Montag beginnende Schuljahr vorgestellt. Kultusminister Conrad Clemens (CDU) zeigte sich optimistisch, den bisherigen Unterrichtsausfall von etwa neun Prozent aller Stunden zu senken.

Lehrerverband verweist auf Verunsicherung, Frust und Unmut

Der Sächsische Lehrerverband (SLV) – neben der GEW die zweite große Interessenvertretung der Lehrkräfte – warnte vor falschem Optimismus. «Statt Aufbruchstimmung herrscht vielerorts Verunsicherung, Frust und Unmut. Das Maßnahmenpaket stößt auf breite Ablehnung und die Lage an den Schulen ist angespannter denn je», betonte SLV-Landeschef René Michel.

«Mit einer radikalen Abordnungsstrategie werden Lehrkräfte derzeit wie Spielfiguren auf einem Schachbrett hin und her geschoben mit dem Ziel, den Unterrichtsausfall gleichmäßig zu verteilen – aber nicht ihn zu verhindern», so Michel. Dadurch würden funktionierende Teams auseinandergerissen, Abläufe gestört und ganze Kollegien verunsichert.

Der SLV rät allen Lehrkräften eindringlich, auf ihre Gesunderhaltung zu achten und arbeitsrechtliche Vorgaben genau zu prüfen. Wer sich durch dienstliche Anweisungen überfordert oder unrechtmäßig behandelt fühle, solle sich an die Personalräte oder die Rechtsabteilung des SLV wenden. Wer überfordert werde, müsse sich wehren, hieß es. News4teachers / mit Material der dpa

Lehrermangel: Kultusminister kündigt Abordnungen von Grundschulen und Gymnasien an Oberschulen an

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9 Kommentare
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Katze
2 Monate zuvor

“Nach Ansicht der Bildungsgewerkschaft GEW steht das neue Schuljahr in Sachsen unter düsteren Vorzeichen.”

Düster? Nö stockfinster – besonders am Fuße des Elfenbeinturmes für das gemeine Fußvolk, genannt sächsische Leerkräfte.
Alle Jahre wieder, wenn die Sommerferien sich dem Ende neigen und die Sonne sich langsam hinter den düsteren Vorzeichen des neuen Schuljahres verkriecht, beginnt in Sachsen das große Bildungsschach. Die Spielfiguren? Lehrkräfte. Die Strategie? Abordnungen. Das Ergebnis? Schachmatt – für alle Beteiligten.
Der Lehrermangel, der sich hartnäckiger hält als der letzte Rest Kreide an der Tafel, feiert auch dieses Jahr ein triumphales Comeback. Die Bildungsgewerkschaft GEW sieht schwarz und das nicht nur, weil die Tafeln in einigen Klassenzimmern noch nicht durch Whiteboards zum digitalen Selbstlernen mit YouTube ersetzt wurden. Nein, es ist die permanente Frustration, die als einziger Arbeitslohn bleibt, wenn man wieder einmal mit drei Fächern, zehn Klassen und null Pausen jongliert. Gern noch weitere Klassen “hybrid zugeschaltet”.
Und während die Oberschulen zur Auffangstation für abgeordnete Lehrkräfte mutieren, rast der Kultusminister – liebevoll „der rasende Clemens“ genannt – mit 80 Sachen durch die bildungspolitische Fußgängerzone. Bremsen? Fehlanzeige. Rücksicht? Ein Fremdwort. Hauptsache, die Schlagzeile stimmt: „Wir haben alles im Griff.“ Nur fragt sich: Was genau?
Die Abordnungen sind inzwischen so kreativ, dass man sich fragt, ob demnächst auch die Hausmeister an den sächsischen Oberschulen zum Matheunterricht antreten müssen. Immerhin kennen sie sich mit Zahlen aus – zumindest mit denen auf dem Thermostat.

Unsere Bildungslandschaft wird sich weiter ändern, und zwar drastisch. Und ich freue mich gar nicht drauf.

Realist
2 Monate zuvor
Antwortet  Katze

Ich freue mich in gewisser Weise darau. Bin aber auch nicht in Sachsen…

Seit der großen Finanzkrise bereite ich mich auf den Zusammenbruch von diesem ganzen … vor. Meinetwegen kann dieser kommen, mein Exit-Plan steht.

Rainer Zufall
2 Monate zuvor

Soll das ein Witz sein?

“Kein Geld” ist eine politische Entscheidung.
Erhöht die Steuern, nehmt Kredite auf, verteilt (klimaschädliche) Subventionen um.
Das die Regierung nicht mehr Geld ausgeben will, ist im Gegensatz zum Lehrkräftemangel ein “schnell” lösbares Problem.
Ich halte es für problematisch, beides in die gleiche Kiste zu werfen :/

Carsten
2 Monate zuvor

Geld ist genug da – für Panzer und Raketen.

Ureinwohner Nordost
1 Monat zuvor
Antwortet  Carsten

Fehlt also nur noch das Kanonenfutter.
Da reicht jedoch auch das billige.

Dejott
1 Monat zuvor
Antwortet  Carsten

Populistischer Quatsch

Dejott
1 Monat zuvor

Gemeinsam. Das Wort ist dem sächsischen Kultus und seinem Minister fremd. Man setzt auf Zwang, Anordnungen und Abordnungen von oben und Mehrarbeit. Danach stellt man sich hin und dankt den Lehrkräften für ihre Bereitschaft um der Kinder Willen.

ExLehrerin
1 Monat zuvor
Antwortet  Dejott

Doch, doch. Gemeinsam schaffen es die LEErkräfte sowieso. Das haben sie schon früher viel aus eigener Tasche finanziert (Schul-, Anschauungs- und Büromaterial). Warum denn nicht weiter? Oder haben die neuen Quer- und Seiteneinsteiger aus der Wirtschaft höhere Ansprüche, was das Arbeitsmaterial angeht und wollen nicht mehr aus eigenem Nettolohn das Ganze finanzieren?

Gebrüder
1 Monat zuvor

…warnt vor Doppelkrise im Bildungswesen: Lehrermangel – und kein Geld!

Häää, warnt…haben wir doch schon
Plan B!!!