
Ein Schüler hat vor einem Gericht erfolgreich gegen den Leistungstest Kompass 4 geklagt, der in diesem Jahr erstmals ein Kriterium für die verbindlichere Grundschulempfehlung war. Eine Kammer des Verwaltungsgerichts Sigmaringen habe einem Eilantrag des damaligen Viertklässlers teilweise stattgegeben, teilte das Gericht mit.
Das Land sei verpflichtet worden, dem Schüler bis Ende Oktober eine erneute Teilnahme an dem Test zu ermöglichen. Der Beschluss ist laut Gericht noch nicht rechtskräftig, das Land kann dagegen noch Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim einlegen.
Der Schüler hatte im November vergangenen Jahres an Kompass 4 teilgenommen und danach das grundlegende Niveau für die Hauptschule bescheinigt bekommen. In der Grundschulempfehlung bekam der Schüler das M-Niveau (Realschule) bescheinigt. Danach nahm er erfolglos am Potenzialtest für das Gymnasium teil. Auch gegen diesen klagte der Schüler – allerdings ohne Erfolg.
Gesetz war zum Zeitpunkt des Tests noch nicht beschlossen
Die Kammer des Verwaltungsgerichts begründet ihren Beschluss damit, dass das Schulgesetz, das den Kompass-4-Test als verpflichtend einführte, erst Anfang Februar 2025 in Kraft trat – einige Monate, nachdem der Test durchgeführt worden war. Die Kammer sei deswegen zu dem Ergebnis gekommen, dass der Test nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei, weil im November keine Rechtsgrundlage dafür bestanden habe, sagte ein Gerichtssprecher.
Hätte das Land gewollt, dass der im November durchgeführte Test zählen solle, hätte es das in das Gesetz oder die entsprechende Verordnung schreiben müssen, erklärte der Gerichtssprecher. Das sei aus Sicht der Kammer nicht geschehen.
Ministerium will Entscheidung prüfen
Kultusministerin Theresa Schopper sagte, man werde die Entscheidung des Gerichts prüfen. «Dem müssen wir nochmal in aller Tiefe nachgehen», sagte die Grünen-Politikerin in Stuttgart. Man werde dann informieren, wie man reagieren werde.
Der Leistungstest Kompass 4 ist ein Kriterium der verbindlicheren Grundschulempfehlung, die in diesem Jahr erstmals zur Anwendung kam. An Stelle des reinen Elternwillens steht nun ein Modell aus drei Komponenten: Lehrerempfehlung, Leistungstest und Elternwunsch. Stimmen zwei aus drei überein, gibt das den Ausschlag. Wollen die Eltern ihr Kind dennoch aufs Gymnasium schicken, muss das Kind künftig einen weiteren Test absolvieren, den Potenzialtest. Verbindlich ist die Empfehlung allerdings nur für das Gymnasium.
«Wesentliche Entscheidungen im Schulwesen muss der Gesetzgeber selbst treffen und sie dürfen nicht der Schulverwaltung überlassen werden»
Sowohl Kompass 4 als auch der Potenzialtest sind umstritten. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte bereits Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Potenzialtests geäußert. Es bestünden nicht unerhebliche Bedenken in Bezug auf die Rechtsgrundlage und damit dessen Rechtmäßigkeit, heißt es in einem Beschluss vom April (News4teachers berichtete).
Staatliche Bestimmungen müssten einen Sachverhalt umso detaillierter regeln, je intensiver der entsprechende Eingriff in Grundrechte sei, argumentierten die Richter. «Wesentliche Entscheidungen im Schulwesen muss der Gesetzgeber selbst treffen und sie dürfen nicht der Schulverwaltung überlassen werden.» Weder das Schulgesetz noch die Aufnahmeverordnung legten Mindestvoraussetzungen des Tests vor, um an einem Gymnasium aufgenommen zu werden. Stattdessen werde das dem Institut für Bildungsanalysen Baden-Württemberg (IBBW) überantwortet.
Das Gericht hatte über mehrere Eilanträge von Eltern zu entscheiden, die erreichen wollten, dass für ihre Kinder noch die alte Regelung zum Übergang aufs Gymnasium gilt. Diese Anträge lehnte das Gericht ab, äußerte aber dennoch seine Bedenken. Knapp ein Drittel der 2.075 Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg hatte den sogenannten Potenzialtest bestanden. Insgesamt 639 Kinder haben nach Angaben des Kultusministeriums bei der speziellen Prüfung dann doch noch ein gymnasiales Anforderungsniveau erreicht.
Auch Kompass 4 sorgte für Aufregung. Vor allem an den Mathe-Aufgaben hatte es nach dem Test, der an allen Grundschulen im Land verpflichtend durchgeführt wurde, massive Kritik gegeben. Diese seien zu schwierig gewesen, kritisierte die Lehrergewerkschaft GEW. Es habe zu wenig Zeit zum Bearbeiten gegeben, hieß es laut Gewerkschaft von Lehrkräften. Zudem seien die Textaufgaben für Kinder mit Sprachdefiziten kaum zu bewältigen gewesen (News4teachers berichtete).
Eine Auswertung der Testergebnisse ergab laut Kultusministerium, dass nur sechs Prozent der Viertklässler das Niveau für eine Gymnasialempfehlung erreicht hätten und gerade mal rund acht Prozent das mittlere Niveau. Die GEW sprach von einem «sinnlosen Grundschul-Abi». News4teachers / mit Material der dpa