Kompass 4: Nach dem Test-Debakel fordern Verbände Aussetzen der “verbindlicheren Grundschulempfehlung”

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STUTTGART. „Die Einführung von Kompass 4 und der verpflichtenden Grundschulempfehlung hat in Baden-Württemberg bei Eltern, Kindern, Schulleitungspersonen und Lehrkräften für Chaos, Überlastung und Vertrauensverlust gesorgt“, so heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung von Grundschulverband und dem Verein für Gemeinschaftsschulen. Sie fordern klare Konsequenzen – nämlich ein sofortiges Aussetzen der sogenannten „verbindlicheren Grundschulempfehlung”.

86 Prozent des Jahrgangs gehören laut Kompass-4-Test auf die Hauptschule – mmhhhhh. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Erstmals mussten Viertklässlerinnen und Viertklässler in Baden-Württemberg verpflichtend einen Leistungstest absolvieren – als Kriterium für die sogenannte „verbindlichere Grundschulempfehlung“, die den Zugang zum Gymnasium begrenzen soll. Die Ergebnisse waren verheerend: Eine erste Auswertung der Testergebnisse in Mathematik ergab laut Kultusministerium, dass nur sechs Prozent der Viertklässler das Niveau für eine Gymnasialempfehlung erreicht hätten und nur rund acht Prozent das mittlere Niveau. 86 Prozent der Viertklässler erreichte demnach in Mathe nur eine Empfehlung für das grundlegende Niveau. In Deutsch fiel der Test demnach besser aus. Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) kündigte an, den Test überarbeiten zu lassen. Was mit den vorliegenden Ergebnissen passiert? Unklar.

„Chaos in der Umsetzung, große organisatorische Mehrbelastung, fehlende Transparenz und sowohl fachliche als auch pädagogische Fragezeichen“

Eine aktuelle Befragung unter fast 1000 Lehrkräften und Schulleitungen im Bereich der Primarstufe zum neuen Verfahren zeigt einer Pressemitteilung von Grundschulverband und dem Verein für Gemeinschaftsschulen zufolge nun: „Die Stimmung an unseren Schulen könnte schlechter kaum sein. Ein überstürzter Prozess, geprägt von organisatorischen Mängeln, fachlichen Fehleinschätzungen und unzureichender Kommunikation, hat die entscheidenden Akteure unserer Schulen in große Bedrängnis gebracht.“

„Chaos in der Umsetzung, große organisatorische Mehrbelastung, fehlende Transparenz und sowohl fachliche als auch pädagogische Fragezeichen“ – so beschrieben Lehrkräfte die aktuelle Situation. „Diejenigen, die die Kinder am besten kennen, nämlich die Lehrkräfte, werden durch zentralisierte Tests wie Kompass 4 an den Rand gedrängt“, kritisiert Edgar Bohn vom Grundschulverbands Baden-Württemberg: „Ihre pädagogische Einschätzung ist nur als Ausputzer gefragt, während das Vertrauen der Eltern in den gesamten Prozess schwindet.“

Ein mangelhafter Kommunikationsprozess des Kultusministeriums habe die Lage verschärft. Schulen hätten Informationen zum Kompass 4-Verfahren zu spät oder in unklarer Form erhalten. Bei sofort eingeforderten Eltern- und Schülergesprächen hätten die Lehrkräfte keine Antworten auf drängende Fragen gehabt: 81,2 Prozent der Befragten fühlen sich auf die Aufgaben unzureichend vorbereitet, 77,4 Prozent beklagen die hohe Belastung durch das neu eingeführte Verfahren. 91,7 Prozent der Befragten beklagen, dass ihre Expertise als Schulpraktiker nicht ausreichend gehört worden sei und gut vier Fünftel werten die Arbeit der Kultusverwaltung als unzureichend.

„Wie sollen Lehrkräfte Eltern beruhigen, wenn sie aufgrund der überstürzten Einführung und einer fachlichen Fragwürdigkeit von Kompass 4 selbst noch keine Antworten auf zentrale Fragen haben?“, fragt Matthias Wagner-Uhl, Vorsitzender des Vereins für Gemeinschaftsschulen BW – und selbst Schulleiter einer Gemeinschaftsschule. Der Vertrauensverlust bei Eltern, die die Ergebnisse von Kompass 4 nicht nachvollziehen können, sei ebenso alarmierend wie der organisatorische Mehraufwand. Statt auf Unterstützung zu zählen, müssten Lehrkräfte die Fehler der Kultusverwaltung ausbaden – und das mitten im laufenden Schuljahr.

Ein Versuch des Kultusministeriums, die entstandenen Spannungen durch eine Videokonferenz abzufedern, sei gescheitert. „Weit über 2000 Teilnehmende hatten hinterher mehr Fragen als Antworten“, so heißt es. 83,5 Prozent der Befragten bemängelten in der Umfrage dann auch, dass sie in der Video-Frontal-Beschallung zu Kompass 4 keine ausreichenden Möglichkeiten für Nachfragen hatten. So berichten Teilnehmende, dass die Chat-Funktion abgeschaltet und im Chat adressierte Fragen für andere Teilnehmende nicht einsehbar waren. „Das war ein Versuch der Schadensbegrenzung, der an der Realität der Schulen vorbeiging und der jede Wertschätzung für die Praktiker:innen an unseren Schulen vermissen lässt“, so die Verbände.

Sie machen unmissverständlich klar, dass es zeitnah strukturelle Veränderungen brauche, um das Vertrauen in die Kultusverwaltung wiederherzustellen, nämlich:

  • „Sofortige Aussetzung der verpflichtenden Grundschulempfehlung bis eine tragfähige und rechtlich sichere Grundlage geschaffen ist und die fachlichen Mängel von Kompass 4 beseitigt sind. Die Einführung solch tiefgreifender Veränderungen muss immer wissenschaftlich unterfüttert sein.
  • Reduktion des bürokratischen Aufwands durch vereinfachte Abläufe und digitale Verfahren.
  • Transparente Kommunikation rund um Kompass 4 und den kommenden Potenzialtest sowie klare Handlungshinweise für Lehrkräfte und Schulleitungen.
  • Verlässliche Einbindung der Praxisexperten: Lehrkräfte und Schulleitungen direkt aus der Schulpraxis müssen aktiv in die Weiterentwicklung der Verfahren einbezogen werden. Gerne machen die betroffenen Interessensvertretungen konkrete Vorschläge.
  • Mehr Ressourcen für guten Unterricht, um die individuelle Förderung von Kindern in den Mittelpunkt zu stellen und Bildungsgerechtigkeit zu mehr als einem Buzzword zu machen. Datengestützte Schul- und Unterrichtsentwicklung ist nur ein allererster Schritt, um Bildungsgerechtigkeit zu fördern.
  • Respekt und Wertschätzung für den enormen Einsatz und die wichtige Arbeit der Lehrkräfte und Schulleitungen.“

„Bildung ist der Schlüssel zu unserer Zukunft“, betont Grundschulvertreter  Bohn. „Doch wenn wir die Expertise der Lehrkräfte ignorieren, sie mit organisatorischen Hürden belasten und einem noch angespannteren Verhältnis mit den Eltern aussetzen, gefährden wir ihre Motivation – und damit die Zukunft der Kinder.“ Gemeinschaftsschulsprecher Wagner-Uhl ergänzt: „Lehrkräfte und Schulleitungen sind letztlich diejenigen, die die Zukunft des Landes sichern. Sie verdienen Unterstützung, keine zusätzlichen Lasten – hier muss die Kultusverwaltung entscheiden, ob sie obrigkeitshörige Befehlsempfänger oder zukunftsbereite und entwicklungsorientierte Herzblutpädagog:innen will.“

Die GEW hatte vor der Veröffentlichung der Testergebnisse ebenfalls eine Umfrage (unter rund 1.100 Lehrerinnen und Lehrern) initiiert – die zu ähnlichen Resultaten gekommen war. „80 Prozent der befragten Lehrkräfte sehen bei den Ergebnissen größere Abweichungen zur eigenen Einschätzung der Schüler*innen, ein Großteil der Schüler*innen konnte die Mathematik-Aufgaben in der vorgegebenen Zeit nicht beantworten und zwei Drittel der Lehrer*innen bezeichnet das neue Verfahren als überflüssig und wenig sinnvoll“, sagte Landesvorsitzende Monika Stein.

„Wir brauchen kein neues Grundschul-Abi, das Kinder und Eltern mit fragwürdigen Inhalten unnötig unter Druck setzt“

Kritisiert wurde auch das Bewertungsschema des Tests. Die Tests seien auch zu lang gewesen, Klassenarbeiten in der 4. Klasse haben meist deutlich weniger als zehn Seiten Umfang. Zur grundsätzlichen Frage, ob ein verpflichtender Test sinnvoll ist, gehen die Meinungen auseinander. Gut 40 Prozent sehen dies als hilfreich an, knapp 60 Prozent bewerten es negativ. Die Schulleitungen und Sekretariate monierten den hohen Verwaltungsaufwand. Die Aufgaben mussten an drei verschiedenen Tagen online heruntergeladen und ausgedruckt werden. Nach dem Test waren die Ergebnisse der einzelnen Schülerinnen und Schüler von Hand aus einer Excel-Tabelle in das Verwaltungsprogramm des Kultusministeriums zu übertragen.

Stein appellierte an die Kultusministerin: „Frau Schopper, hören Sie auf Tausende pädagogische Profis in Ihren Grundschulen, vertrauen Sie in deren Beratungskompetenz und stoppen Sie dieses übereilt eingeführte Verfahren. Wir brauchen kein neues Grundschul-Abi, das Kinder und Eltern mit fragwürdigen Inhalten unnötig unter Druck setzt.“ News4teachers

“Totalausfall”: Nur sechs Prozent der Kinder (angeblich) fürs Gymnasium geeignet – Viertklässler-Test fällt durch

 

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Rüdiger Vehrenkamp
4 Monate zuvor

„Frau Schopper, hören Sie auf Tausende pädagogische Profis in Ihren Grundschulen, vertrauen Sie in deren Beratungskompetenz und stoppen Sie dieses übereilt eingeführte Verfahren. Wir brauchen kein neues Grundschul-Abi, das Kinder und Eltern mit fragwürdigen Inhalten unnötig unter Druck setzt.“

Seit wann hören Bildungspolitiker und die Leute in den Ministerien auf Personen vor Ort? Das tun sie doch sonst auch nicht. Lieber holt man sich “Experten” aus der Wissenschaft mit ihren Theorien.

Grundsätzlich begrüße ich die Entscheidung, aufs Gymnasium nur Schüler zu lassen, die den dortigen Anforderungen entsprechen. Selbes wünsche ich mir für die Realschulen.

Dejott
4 Monate zuvor

Glaube kaum,dass das Anschwellen der Hauptschulen politisch durchsetzbar wäre. Und woher sollen die Lehrer für diese Schulen kommen?

RSDWeng
4 Monate zuvor

Ich stimme Ihnen uneingeschränkt zu und möchte beim Elternwillen noch ergänzen, dass er sehr oft nichts anderes als reines Wunschdenken ist – das auf Biegen und Brechen durchgesetzt wird.

Jan
4 Monate zuvor

Was ich krass finde: Über die Ergebnisse wird hier und an anderen Stellen geschrieben und referiert und wir als Eltern kennen die Ergebnisse unserer Kinder noch gar nicht. Nach knapp einem Monat. Was soll das?

JoS
4 Monate zuvor
Antwortet  Jan

Man hat ja offensichtlich erst eine Stichprobe ausgewertet. Ich kenne das Verfahren nicht und frage mich schon, wie das sein kann. Gab es denn keine digitale Einreichung der Ergebnisse? Falls ja, wäre die Auswertung doch normalerweise eine Sache von Sekunden.

Sim Si
4 Monate zuvor
Antwortet  JoS

Die Auswertung ist ja im Prinzip auch fertig. Die Stichprobe entspricht einer Hochrechung bei einer Wahl. Da ändert sich hinterher auch nix mehr groß.

Jan
4 Monate zuvor
Antwortet  JoS

Ja, aber eine Korrekturzeit von einem Monat ist ja lang genug, damit die Ergebnisse auch mitgeteilt werden können. Mir geht es ja um die Rückgaben der Arbeiten und die Mitteilung der Ergebnisse.

Sim Si
4 Monate zuvor
Antwortet  Jan

Das Gesamtergebnis sagt so oder so nix über das einzelne Kind aus. Allerdings können Sie sich aufgrunddessen schon denken, wie Ihr Kind abgeschnitten hat. Wenn es nicht der absolute Überflieger ist, wird es in Mathe auf G-Niveau rauskommen und D entspricht ziemlich genau der Einschätzung der Lehrer. Aber da Mathe zu schwer war, ist das Kompass-Ergebnis eh nicht valide und es bleibt nichts, als der Einschätzung der Lehrer zu vertrauen, die die Kinder seit 2-4 Jahren kennen. Das Problem, warum wir Kompass überhaupt brauchen, ist ja, dass zu viele Eltern der Einschätzung der Lehrer nicht vertrauen bzw. deren Einschätzung ihnen völlig schnuppe ist!

Jan
4 Monate zuvor
Antwortet  Sim Si

Ich stimme Ihnen grundsätzlich mit allem zu. Es wäre nur schön, wenn ein solcher Test in angemessener Zeit korrigiert und zurückgegeben wird. Und der Einschätzung der Lehrerinnen unserer Kinder bringen wir sehr großes Vertrauen entgegen.

Stoffel
3 Monate zuvor
Antwortet  Jan

1. wird der Test nicht zurückgegeben, sondern wird lediglich einsehbar sein.
2. gibt es für die zeitliche Herausgabe der Ergebnisse klare Vorgaben. Dies liegt nicht an der Korrekturzeit.

447
4 Monate zuvor

Natürlich, was auch sonst.

Unser geplanter Weihnachtsbraten wird auch immer fetter, je öfter ich ihn modern und kompetenzorientiert wiege.

Unfassbar
4 Monate zuvor
Antwortet  447

Besonders wenn man nicht mehr dazu in der Lage ist, die Waage a) zu bedienen und b) die angezeigte Zahl im Sachkontext interpretieren zu können.

447
4 Monate zuvor
Antwortet  Unfassbar

Haaaaallo?
Was sind das für Worte, bitte?
“Sachkontext”, “Zahlen”, “bedienen KÖNNEN” ?!

Meldung an BzReg ist raus!!11einelf

PaPo
4 Monate zuvor
Antwortet  447

Hmmm…. lecker Kompetenzbraten!

447
4 Monate zuvor
Antwortet  PaPo

Mit Bratenkompetenz hergestellt … uuuuund enthält Elektrolyte!

PaPo
3 Monate zuvor
Antwortet  447

Ich will aber Frühstückscerealienpanade!

447
3 Monate zuvor
Antwortet  PaPo

Frühstückscerealien sind ein bourgeoischistisches Konzept zur Reeifizierung von fossilem Kapitalustimus!
Es enthält CO2!

Konfutse
4 Monate zuvor

„Frau Schopper, hören Sie auf Tausende pädagogische Profis in Ihren Grundschulen, vertrauen Sie in deren Beratungskompetenz (…)“
Aber die wurde doch schon 2011 mit der Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung infrage gestellt, die Kompetenz der GS-Kräfte. Mit dem Verweis, dass Eltern ihre Kinder besser kennen würden als die Lehrer. Beklatscht und unterstützt von der GEW. Die Folge: Die Grundschulen wurden zur erweiterten KiTa.
Insgesamt hat die Landesregierung eine verheerende Bilanz in der Bildungspolitik zu bieten. Und jetzt festhalten: Mit dem neuen Schulgesetz, das im Januar klammheimlich abgestimmt werden soll, wird es noch viel, viel schlimmer. Wir dachten schon, wir sind am Nullpunkt, aber nein, die schaffen die Minuslatte!

Deshalb:

https://www.rlv-bw.de/volksantrag-2024

Sim Si
4 Monate zuvor
Antwortet  Konfutse

Genau! Die GEW fordert die Abschaffung von Kompass 4, weil man den Lehrer-Experten vertrauen soll. Genauso fordert sie aber, dass die Nicht-Verbindlichkeit weiter bleibt, weil “die Eltern am Besten wissen, was gut für ihr Kind ist”. Kompass 4 und die Verbindlichkeit brauchen wir aber, weil zu viele Eltern offenbar nicht wissen, was gut für ihr Kind ist. Irgendwas passt da bei der GEW nicht zusammen und der Grund lässt sich ganz einfach mit “Ideologie” zusammenfassen.

Hannah Halloumi
4 Monate zuvor
Antwortet  Sim Si

Wenn jemand jemandem anderen ideologische Motive vorwirft, dann denke ich oft: “naja, immerhin… da kämpft jemand für ein abstraktes, höheres Ziel: besser als purer Eigennutz”.

Insofern wäre eine ideologische Motivation der GEW (und anderen) in ihrem Kampf für die Freigabe des Elternwillens also in einem gewissen Grad noch ehrenwert, weil man für eine Idee kämpft, die losgelöst ist von den eigenen Interessen.

Aber: ich traue dem Braten nicht. Können wir wirklich davon ausgehen, dass die bildungspolitischen Ziele von GEW & Co. (z.B. Elternwillen freigeben, alle Schulformen zu einer zusammenlegen, teilw. auch Schulnoten abschaffen) tatsächlich altruistischer Natur sind? Oder stecken dahinter nicht am Ende doch Utilitarismus und Klientelpolitik? Wenn ja, inwiefern würde ein durchschnittliches GEW-Mitglied von solchen Maßnahmen profitieren? Klar, es wäre dann leichter, die eigenen Kinder ggf. trotz nicht wegzudiskutierender Defizite auf dem Gymnasium unterzubringen… aber dann würde man wohl kaum gleichzeitig dessen Abschaffung und die Errichtung eines alternativlosen Gesamtschulwesens fordern, wie es ja mehr oder weniger explizit Konsens zu sein scheint…

Mimü
4 Monate zuvor

Das ist gründlich misslungen -keine Frage. Aber es lohnt sich trotzdem, nicht gleich in Schnappatmung zu verfallen. Wenn Grundschullehrkräfte jetzt z.B. den Verwaltungsaufwand (Herunterladen, Ausdrucken, Excel-Tabellen etc) beklagen, dann machen die sich einigermaßen lächerlich. Der Zweck von Kompass 4 war doch, dass Kinder, deren Leistungsvermögen von der Grundschullehrkraft unterschätzt wird, eine andere Chance auf einen Platz am Gymnasium bekommen. Der Effekt, dass Kinder mit unangepasstem Benehmen, unschöner Handschrift etc. unbewusst aber systematisch auch in ihren intellektuellen Fähigkeiten schlechter bewertet werden, ist doch x mal nachgewiesen. Da kann man man sich auch als pädagogischer Profi nur begrenzt vor sich selbst schützen.
Ich finde es tragisch, dass diese zweite Chance manchen Kindern jetzt faktisch genommen wurde (der Potentialtest an den Gymnasien kommt ja erst sehr viel später).
Mir ist trotzdem unverständlich, warum sich Grundschullehrkräfte jetzt so aufregen. Ihre Empfehlung hat ja jetzt sogar einen höheren Stellenwert bekommen. Wäre der Test sehr leicht ausgefallen, hätte ich eher eine Wutreaktion nachvollziehen können, da ihr „Urteil“ dann keine Rolle mehr spielt. Wer sich ereifern könnte, sind z. B. Eltern unangepasster Jungen mit Migrationsgeschichte.

Sim Si
4 Monate zuvor
Antwortet  Mimü

Weil die GS-Lehrkräfte sich jetzt mit “Sie sind schuld”, “Ihr Unterricht ist schlecht, wenn mein Kind so schlecht abschneidet” und “Wir verklagen die Schule/ Sie, wenn mein Kind keine Gym-Empfehlung bekommt” rumärgern müssen anstatt eine valide dritte Säule (nämlich einen Test, der die Leistungsfähigkeit der Kinder einigermaßen zuverlässig abbildet) zu haben?!

Lisa
4 Monate zuvor
Antwortet  Mimü

Ja, um migrantische und benachteiligte Kinder besonders zu fördern oder ihre Begabungen zu entdecken, umfassten die Prüfungen sehr viele Seiten UND waren sehr textlastig.
Ich wäre eher dafür, dass die Gymnasien selbst Aufnahmeprüfungen durchführen.

Realo
4 Monate zuvor

Meine Güte! Überarbeitet doch den Test und lasst in diesem Jahr die Lehrkräfte eine verbindliche Empfehlung aussprechen. Zur Not gibt es immer noch die Aufnahmetests. Zudem gibt VERA schon Hinweise, ob die Kinder geeignet sein könnten oder nicht.

Mika
4 Monate zuvor

Was mir noch nicht klar ist:
Wollen die Grundschullehrer einen in den Übertrittsprozess einzubindenden Test oder lehnen sie einen solchen generell ab?
Ich meine mich zu erinnern, dass viele Grundschullehrkräfte wegen der endlosen Diskussionen mit den Eltern ein Verfahren wollten, welches nicht nur die Empfehlung der Grundschule zur Basis der Übertrittsmöglichkeiten berücksichtigt. Das jetzige Verfahren beruhte doch auf diesem Wunsch. Der Test müsste halt anders zusammengestellt werden.
Was sagen denn die Testersteller zum Ausfall des diesjährigen Tests?

Sim Si
4 Monate zuvor
Antwortet  Mika

Stand doch drin, dass die Lehrer da unentschieden sind. Ich persönlich finde Kompass 4 an sich ganz gut, wenn das KM es schafft, das valide hinzukriegen, dass ca. 30 % auch in M auf Gym rauskommen.

Ureinwohner Nordost
4 Monate zuvor
Antwortet  Sim Si

Da widerspreche ich Ihnen.
Das Ziel ist nicht 30%

Ziel ist, geeignete Schüler gymnasial zu unterrichten.
Und wenn das heutzutage 5 – 10% sind, dann ist das so.

Biologisch bereite Schüler können weder weg- noch hergehext werden.

Lisa
4 Monate zuvor

Biologisch bereit? So wie mit dem Philippinermaß? 😉

potschemutschka
4 Monate zuvor
Antwortet  Lisa

🙂

AlterHase
4 Monate zuvor
Antwortet  Sim Si

Köller verglich: „Wofür ein Gymnasiast 2009 eine Vier bekommen hat, bekommt er heute eine Zwei. Das kann nur mit Absenkung des Anspruchsniveaus zu tun haben.“

Das steht so in dem Artikel bei n4t mit dem Titel “Schulsystem in der Krise …” vom 19.12.2024.

Nick
4 Monate zuvor

Die Defizite lassen sich – vielleicht – mit einem G10 kompensieren. Also los liebe Eltern, einfach mal die Ärmel hochkrempeln und laut von der Politik fordern, und klar, auch vom Steuerzahler.

Lisa
4 Monate zuvor
Antwortet  Nick

G10 kann man machen, in dem man sich von der Gemeinschaftsschule quer versetzen lässt, also 6. Klasse zu 6.Klasse Gymnasium. Diese diversen Bildungswege sollten offen stehen. Während es überall bunter werden soll, soll die Schullandschaft immer einheitlicher werden, was ich eh nicht verstehe, außer es liegt eine bestimmte Ideologie zu Grunde, die den Massenbetrieb favourisiert.

Nick
4 Monate zuvor
Antwortet  Lisa

Das G10 war Ironie von mir… Ein tolles Abitur kann man auch im 2. Bildungsweg erreichen. Wenn eine Vielzahl von Schülern die Voraussetzungen (zunächst) nicht mitbringen, sollten sie nicht auf einem Gymnasium beschult werden. Eine Verlängerung auf G9 hilft denen auch nicht, insbesondere wenn neben den Leistungsdefiziten auch noch die Pubertät dazu kommt.

Rainer Zufall
4 Monate zuvor

Wurde das eigentliche Ziel den wirklich verfehlt?
Ziel war es doch – mehr oder weniger – den Elternwunsch bezüglich des Gymnasiums ignorieren zu können, wenn die Lehrkraft es nicht so sieht = Zugang zum Gymnasium beschränken…

ed840
4 Monate zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

In dem Fall bliebe immer noch der Potenzialtest, in dem die Betroffenen beweisen könnten, dass sie trotz fehlender Grundschulempfehlung und nicht ausreichenden Leistungen bei Kompass-4 , die für den Besuch des Gymasiums notwenigen Begabungen und Leistungen mitbringen würden.

Rainer Zufall
4 Monate zuvor
Antwortet  ed840

Eben. Und das Ziel war ja die Begrenzung der Gymnasiast*innen, also mehr Durchfallende, um die Eltern zu überstimmen – wie ich es verstehe =/

ed840
4 Monate zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Glauben Sie tatsächlich wenn man zwei unterschiedliche Testmöglichkeiten anbietet um die fehlende Grundschulempfehlung überstimmen zu können , wäre das Ziel dadurch möglichst viele Kinder vom Gymasium abzuhalten? Das hätte man einfacher erreichen können, wenn man die Kinder z.B. nur mit Grundschulempfehlung oder nur mit Test aufs Gymasium lassen würde, statt mit einer der drei Alternativen aus Grundschulempfehlung oder Kompass-4 oder Potenzialtest.

Rainer Zufall
3 Monate zuvor
Antwortet  ed840

Es ist meine Meinung und die Ergebnisse (diesen Jahres) bestätigen dies.
Bin gespannt, ob Sie recht haben werden und es sich die Jahre anpassen wird

Nane
3 Monate zuvor

Die Aufgaben an sich waren nicht wirklich zu schwer. Warum haben trotzdem so viele Kinder so schlecht abgeschnitten?
Weil 1. der Zeitrahmen von 45 Minuten viel zu knapp bemessen war.
2. Sollten Kinder ihre Ergebnisse oft begründen. Diese Art der Aufgabenstellung ist ihnen aus dem Unterricht nicht geläufig. Lange Sätze zu formulieren kostet zudem viel Zeit, die leider nicht gegeben war.
3. Die Aufgabe zur Kombinatorik wäre für meine Tochter, die letztes Jahr in Klasse 4 war, im November nicht zu lösen gewesen, weil das Thema erstmals im Frühjahr des Folgejahres ausführlich behandelt wurde.
Da die Schulen nicht auf die Inhalte vorbereitet wurden, konnten Themen nicht vorgezogen werden.
4. Ein fairer Leistungsvergleich ist allein deshalb nicht möglich, weil alle Kinder unterschiedliche Lehrer haben mit ganz verschiedenen Ansätzen im Unterricht und in Klasse 4 auch mit einer unterschiedlichen Reihenfolge der behandelten Themen.
5. Die Art der Bewertung war ein weiterer Punkt, weshalb der Test zu schlecht ausfiel.

Nein, unsere Grundschüler sind nicht zu schlecht in Mathe. Der Test war leider ungeeignet, um den Lernstand und das Potenzial der Kinder fürs Gymnasium zu ermitteln.

Wenn man bezweckt, dass weniger Kinder auf die Gymnasien wechseln, sollte man einfach dazu stehen und wieder eine verbindliche Grundschulempfehlung einführen. Die Möglichkeit einer Klage seitens der Eltern und/ oder die Teilnahme am Potenzialtest bleiben ja weiterhin bestehen.
Das wäre ehrlicher, als den Eltern und Kindern zu versuchen, Kompass 4 als Chance zu verkaufen.

AlterHase
3 Monate zuvor
Antwortet  Nane

“4. Ein fairer Leistungsvergleich ist allein deshalb nicht möglich, weil alle Kinder unterschiedliche Lehrer haben mit ganz verschiedenen Ansätzen im Unterricht … ”

Genau deswegen sind ja Schulnoten nicht gerecht, und genau deswegen gibt es Bestrebungen, den Übergang auch von objektiveren Kennzahlen abhängig zu machen. Man kann nicht alles haben. Am Ende sollte eine Kombination der diversen Beurteilungen entscheiden.

HHa
3 Monate zuvor

In meiner 4.Klasse haben in Mathe und Deutsch jeweils mehr als 50% das E-Niveau erreicht.
Hätte nicht alle so gut eingeschätzt.
Kann nur positiv über den Test berichten.