MÜLHEIM AN DER RUHR. Wie kann eine Schule räumlich so gestaltet werden, dass sie qualitative ganztägige Bildung ermöglicht – ohne Neu- oder Umbau, aber mit Konzept? Die Grundschule am Dichterviertel in Mülheim an der Ruhr hat es vorgemacht. Der neue Ganztag ist der jüngste Teil einer Entwicklung, in der aus einer maroden Schule ein Lernort wurde, der bundesweit Maßstäbe setzt: pädagogisch, architektonisch und organisatorisch.

„Räume eröffnen andere Perspektiven, andere Möglichkeiten“, sagt Nicola Küppers, Schulleiterin der Grundschule am Dichterviertel in Mülheim an der Ruhr, im Interview mit dem Deutschen Schulportal. „Auch für das Lehrkräfteteam und unser multiprofessionelles Team.“ Schon vor Jahren habe ihre Schule begonnen, Räume so zu verändern, dass sie gutes Lernen ermöglichen. „Gutes Lernen ist im Raum verankert – durch das Material und durch die Art, wie wir Möbel bauen und hinstellen. Eine heterogene Schülerschaft, die selbstgesteuert und individuell lernt, benötigt trotzdem sehr viel Struktur und Klarheit – und Räume können genau das ermöglichen.“
Diese Schule weiß, was Wandel bedeutet. Als Küppers vor zehn Jahren die Leitung übernahm, stand das Dichterviertel kurz vor der Schließung. Nur 13 neue Anmeldungen, 98 Prozent der Kinder auf der niedrigsten Kompetenzstufe – und eine Stadt, die das Grundstück bereits verkaufen wollte. Heute dagegen zählt die Schule zu den innovativsten Grundschulen Deutschlands, wurde zweifache Preisträgerin des Deutschen Schulpreises (2021 und 2023) und gilt als Modell für Inklusion, Potenzialentfaltung und ganztägiges Lernen.
Eine Schule für alle Kinder
Das Motto der Grundschule am Dichterviertel lautet: „Eine Schule für alle Kinder.“ Rund zwei Drittel der Schüler*innen haben eine Zuwanderungsgeschichte, mehr als die Hälfte spricht zu Hause kein Deutsch. „Wenn die Kinder zu uns kommen, dann haben sie Entwicklungsunterschiede von bis zu vier Jahren“, so Küppers. Statt auf homogene Lerngruppen setzt die Schule deshalb auf jahrgangsübergreifendes und individualisiertes Lernen, auf starke Strukturen und kooperative Formate.
„Individualisierter Unterricht braucht sehr starke Strukturen, um die Tiefenstrukturen, die guten Unterricht ausmachen, zu verankern“, betont Küppers. Das gelingt nur mit einem Kollegium, das konsequent zusammenarbeitet. Jede Woche finden feste Teamzeiten statt, um Unterricht zu planen, Materialien zu entwickeln und Förderangebote abzustimmen. „Wir haben die Verantwortung, darüber nachzudenken, wie wir die beste Schule mit der geringsten Arbeitsbelastung werden können“, sagt Küppers. „Und das geht nur, wenn wir zusammenarbeiten.“
Mit Erfolg: Seit 2013 haben sich die Anmeldezahlen vervielfacht. Die Leistungen liegen heute über dem Landesschnitt, deutlich mehr Kinder erhalten eine Gymnasialempfehlung.
Nicht jedes Kind braucht einen Tisch und einen Stuhl
Mit der Verleihung des Deutschen Schulpreises kam auch öffentliche Aufmerksamkeit – und schließlich die Beteiligung am Pilotprojekt „Ganztag und Raum“ der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft. Ziel: Schulen fit zu machen für den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab dem Schuljahr 2026/2027 – und zwar im Bestand, nicht durch An- oder Neubauten.
„In zeitgemäßer Pädagogik geht es um einen guten ganzen Tag“, sagt Küppers im Interview mit dem Deutschen Schulportal. „Und letztendlich muss man sich vorstellen, dass Schule nicht mehr Schule ist, sondern hoffentlich irgendwann der beste Ort des Aufenthalts für alle Kinder sein wird. Also ein wirklicher Kernort des Lebens und Lernens.“
Küppers’ Schule ist dabei ein Labor für genau das: Sie denkt Unterricht, Organisation und Architektur neu. „Wir brauchen gar nicht unbedingt für jedes Kind einen Tisch und einen Stuhl“, sagt sie. „Davon bin ich fest überzeugt – zumindest gilt das für die Grundschule –, sondern vor allem einen Versammlungsort. Unterschiedliche Lernhandlungen brauchen individuell unterschiedliche Plätze.“
In der Praxis bedeutet das: Statt klassischer Tischreihen gibt es „Lernwaben“, Rückzugsinseln und Bewegungsräume. Einige Kinder schreiben im Liegen, andere lernen auf Wackelstühlen, wieder andere in der „Bibliothekswabe“, einem kleinen Rückzugsort aus Holz und Stoff. „Wir haben mit ganz wenigen Mitteln versucht, den ganzen Lernraum so zu gestalten, dass es verschiedene Lerninseln gibt. Gute Orte, wo unterschiedliche Lernhandlungen durchgeführt werden können.“
Ein Schulhaus wird neu gedacht
Mit dem Start des Projekts „Ganztag und Raum“ im September 2023 begann ein intensiver Beteiligungsprozess. Unter Leitung der Pädagogin Karin Babbe und der Architektin Fee Kyriakopoulos, die von der Montag Stiftung beauftragt wurden, den Prozess vor Ort zu gestalten, wurden alle Beteiligten einbezogen: Schulleitung, Lehrkräfte, pädagogische Mitarbeitende, Kinder, Eltern, Jugendhilfe, Bauverwaltung und Immobilienservice.
„Es galt, die spezifische DNA der Schule zu ergründen und die identifizierten Ressourcen und Potentiale für die weitere Arbeit zu nutzen“, schreiben Babbe und Kyriakopoulos in einem Blogbeitrag. Besonders eindrucksvoll: die sogenannte „Wunderfrage“, mit der die Prozessbegleiterinnen am Ende jedes Interviews die Beteiligten einluden, sich vorzustellen, wie ihre Schule aussähe, wenn über Nacht ein Wunder geschehen und alle Wünsche in Erfüllung gegangen wären. „Was würden sie am nächsten Morgen wahrnehmen? Was wäre anders – im Unterricht, im Gebäude, in der Atmosphäre?“
Aus den Antworten dieser „Wunderfrage“ entstand ein Füllhorn an Ideen: von mehr Rückzugsorten und Licht im Gebäude über ein stärkeres Miteinander von Vormittag und Nachmittag bis zu einem durchlässigen Ganztag mit Musik, Bewegung und Werkstätten. Diese Visionen verdichteten die Prozessbegleiterinnen zu einer Hörgeschichte mit dem Titel „Wunder-Voll“, die in einem Podcast umgesetzt wurde. Darin erleben imaginierte Kinder einen Schultag der Zukunft – om Morgenkreis bis zum Forschen im „grünen Labor“. Beim Anhören, so die Dokumentation, konnten alle Beteiligten „ihre eigenen Vorstellungen einer guten Schule sinnlich und emotional erfahren“ – ein entscheidender Schritt auf dem Weg zum Nutzungskonzept.
Neue Modelle für einen neuen Tag
Im Verlauf der weiteren Arbeit wurde der Aspekt der Rhythmisierung des Schultages besonders virulent“, heißt es in der Dokumentation. Vier neue Rhythmisierungsmodelle wurden entwickelt. Ziel war ein „Nutzungskonzept für die gute inklusive Schule den ganzen Tag lang“ – partizipativ, realistisch und pädagogisch fundiert.
Die Modelle greifen zentrale Fragen auf: „Wie kann Lernen, Bewegung, Erholung und Betreuung über den Tag hinweg ineinandergreifen – ohne Brüche, ohne Wechselstress?“ Die Montag Stiftung beschreibt sie als „pädagogische und räumliche Taktungen“, die das Verhältnis von Unterricht, freiem Lernen und Freizeit neu ordnen.
Ein Modell etwa sieht „wechselnde Lernphasen und Erholungszeiten“ vor, die nicht nach dem alten Vormittags-Nachmittags-Schema getrennt sind, sondern fließend aufeinander folgen. Ein anderes Modell verschränkt „Projekt- und Fachunterricht mit Phasen selbstgesteuerten Lernens und gemeinsamer Reflexion“. Auch Formen der „Teamzeit für Lehr- und OGS-Kräfte“ wurden darin verankert, um pädagogische Absprachen innerhalb des Tagesrhythmus zu ermöglichen.
Allen Modellen gemeinsam ist das Ziel, die Kinder „den ganzen Tag lang in einen lernförderlichen Rhythmus zu bringen“, der Anspannung und Entspannung, Konzentration und Bewegung ausbalanciert. So entstehen Lernräume, die nicht nur funktional, sondern auch biografisch und emotional anschlussfähig sind – wie die Stiftung schreibt: „Ein guter ganzer Tag entsteht dort, wo sich pädagogische Haltung, räumliche Qualität und gemeinsames Tun begegnen.“
Geringe Umbauten, große Wirkung
Am Ende des Prozesses entstand ein integriertes Nutzungskonzept, das Pädagogik, Raum und Organisation miteinander verzahnt. „Multiprofessionelle Teamarbeit, eine kindgerechte Rhythmisierung, ein anderes Brandschutzkonzept und eine darauf angepasste Möblierung ermöglichen die Verzahnung von Vormittag und Nachmittag bei geringen Umbaumaßnahmen“, heißt es in der Pressemitteilung der Stadt Mülheim.
Konkret heißt das: Flure werden zu Lernzonen, Räume werden geöffnet, Materialien so platziert, dass sie gemeinsam genutzt werden können. Statt getrennter Nutzung von Schul- und OGS-Bereichen entsteht ein gemeinsamer Lern- und Lebensraum. „Das Projekt zeichnet sich dadurch aus, dass es von Anfang an Architektur und Pädagogik zusammendenkt und so zeitgemäße Lehr- und Lernformen in den bestehenden Räumlichkeiten ganztägig möglich macht“, betont Barbara Pampe, Vorständin der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft.
Die Kinder selbst haben Ideen beigesteuert, die nun Gestalt annehmen. Sie wünschen sich, dass jede Etage ein eigenes Thema bekommt: das Meer, den Wald, den Himmel. „Sie kommen morgens ins Erdgeschoss, hören Meeresrauschen, und es riecht nach Meer“, erzählt Küppers. „In der ersten Etage liegt der Wald, der sie mit Vogelzwitschern und einem erdigen Geruch begrüßt.“ Diese symbolische Gliederung soll Orientierung schaffen – und Geborgenheit. „Die Kinder wollen, dass die ganze Schule Ebenen mit unterschiedlichen Namen bekommt. Sie wünschen sich, dass sie von Farben, Namen und Gerüchen geleitet werden.“
Vom Lernraum zum Lebensraum
Mit dem Startchancen-Programm des Bundes erhält die Schule nun zusätzlich Fördermittel, um ihre baulichen Ideen umzusetzen. „Im Planungsprozess muss man gucken, dass man das Geld nicht zu schnell rausschießt und erst alles bis zum Ende durchdenkt“, sagt Küppers. Viele Möbel werden eigens angefertigt, andere aus Projekten der Baupiloten übernommen.
Geplant sind neue Lernwaben für Bibliotheken, Rückzugsorte und Gemeinschaftsbereiche – aber auch neue Teamzonen. „Bei uns gibt es schon mal kein Lehrerzimmer, sondern nur ein Teamzimmer“, erklärt Küppers. „Wir planen Areale, wo nichts – auch kein blöder Tisch – steht. Orte, an denen Lehrkräfte in kleinen Gesprächsgruppen im Austausch sein können und in denen auch mal eine echte Pause gemacht werden kann.“
Nebenbei entstehen neue Arbeitsräume für das Kollegium und die Eltern: „Co-Learning Spaces, die wir uns mit den Kindern teilen. Das sind Einzelarbeitsplätze, die von Erwachsenen und Kindern, aber auch von Eltern genutzt werden können, um dort konzentriert zu arbeiten.“
Ein guter ganzer Tag
Für Küppers ist die räumliche Veränderung mehr als Architektur – sie ist Ausdruck einer pädagogischen Haltung. „In zeitgemäßer Pädagogik geht es um einen guten ganzen Tag“, sagt sie. „Das heißt, dass Schule nicht mehr nur Unterrichtsstätte ist, sondern ein Ort des Lebens, Lernens und Zusammenkommens.“ Sind die Ideen übertragbar? „Mal eben nicht“, betont Küppers. „Man kann nicht Tische und Stühle rausschmeißen, wenn man noch kein Konzept des selbstgesteuerten Lernens hat.“ Jede Schule müsse ihren eigenen Weg finden.News4teachers
Hier lässt sich die vollständige Dokumentation des Projekts herunterladen.
Die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft unterstützt News4teachers bei der inhaltlichen Gestaltung dieses und weiterer Beiträge des Themenmonats „Schulbau und Schulausstattung“.
Hier geht es zu allen Beiträgen des Themenmonats “Schulbau & Schulausstattung”.
Und noch ein Rekord… Das neue Redaktionskonzept von News4teachers zieht!









So beeindruckend ich die Vorstellung der Schulen finde, die das bestehende Gebäude nutzbar machen, um so schwieriger finde ich Überschriften, die mit einer Schlagzeile intendieren, man hätte kein Geld investiert.
Die Schulträger und Landkreise müssen ab 2026 den Ganztagsanspruch ab Klasse 1 umsetzen, haben an vielen Orten geschlafen, aufgeschoben, auf Stur geschaltet und dann kommen Schlagzeilen, die zu einer Haltung beitragen, man, nein, die Lehrkräfte an den Schulen (!) könnten den Ganztag ohne Mittel umsetzen.
Man kann Ganztag nicht ohne Lehrkräfte umsetzen, wieder ein Teil der Arbeitszeit, den niemand sehen will,
man kann den Ganztag aber ich nicht umsetzen, wenn Landkreis und. Gemeinde sich nicht engagieren wollen
und ebenfalls nicht, wenn Ganztag als Konzept zum Sparen verkommt.
Natürlich, die Zeit läuft ab (Recht auf Ganztag), also schiebt man die Verantwortung denen zu, die sich nicht wehren können (oder wollen?).
„Flure werden zu Lernzonen, Räume werden geöffnet, Materialien so platziert, dass sie gemeinsam genutzt werden können“ Und was genau ist daran jetzt neu? Das machen wir seit vielen Jahren so.
“Wir planen Areale, wo nichts – auch kein blöder Tisch – steht. Orte, an denen Lehrkräfte in kleinen Gesprächsgruppen im Austausch sein können und in denen auch mal eine echte Pause gemacht werden kann.“ Sorry, aber wer will denn in einem komplett leeren Raum Pause machen? Wenn ich den ganzen Vormittag durch den Klassenraum wusele, brauche ich in der Pause zumindest mal eine Sitzgelegenheit. Aber eine, die in der Höhe zum Tisch passt (s. bild oben, die Bänke sind viel zu hoch) und an der ich mich rückenentlastend auch mal anlehnen darf.
Wir haben unsere Lounge mit Sofas und Hochtischen mit Hochbönken und Stühlen ausgestattet (ähnlich einem american Diner)…..darin erinnert nichts an ein Lehrerzimmer….und wird von allen gerne genutzt….
Die Lounge würde ich auch nehmen. Leider ist bei uns auch das letzte Zipfelchen Platz anderweitig genutzt, wir müssten anbauen.
“Sorry, aber wer will denn in einem komplett leeren Raum Pause machen?”
Da alles für den “Ganztag” gebraucht wird, kommt demnächst wohl der Vorschlag, die Pause einfach im Freien zu machen…
Welche Pause?
Na, alles außerhalb des Pflicht-Deputats (2X x 45 Minuten). Ist doch die offiziell anerkannte Definition…
Aber ergonomische Arbeitsplätze – ggf. mit höhenverstellbaren Tischen – sind doch viel zu teuer. Wer soll das denn bezahlen. Dann doch lieber ein paar zusätzliche Entfallstunden wegen orthopädischer Probleme des Personals. Belastet eben nicht den schulischen Etat sondern den des Gesundheitressorts.
Nur mal so für nen Freund gefragt:
Wenn nicht jeder Schüler einen Tisch und einen Stuhl hat, von dem er die Tafel sehen kann – wie genau erstelle ich dann ein Tafelbild mit der Klasse, das anschließend ins Heft übertragen wird?
Ist das etwa gar nicht mehr vorgesehen??
Wie wirkt sich das auf die pädagogische Freiheit der Lehrer aus?
“Ist das etwa gar nicht mehr vorgesehen??
Wie wirkt sich das auf die pädagogische Freiheit der Lehrer aus?”
Nööööö. Tafelbild und pädagogische Freiheit – nicht mehr vorgesehen.
Ein Tafelbild? Viel zu strukturiert. Das setzt ja voraus, dass alle Schülerinnen und Schüler gleichzeitig hinschauen, zuhören und dann auch noch das Gleiche ins Heft übertragen. Wo bleiben da die individuelle Entfaltung und Selbstwirksamkeit? Die pädagogische Freiheit?
Heute gilt: Jeder Lernende entscheidet selbst, was, wie, wann und mit wem gelernt wird. Oder ob überhaupt. Die Tafel ist ein Relikt aus autoritären Zeiten, das Heft ein koloniales Instrument der Reproduktion. Und Sie als Lehrkraft? Sie sind nicht mehr Wissensvermittler, sondern Lernbegleiter auf dem Weg ins Ungefähre.
Und das Raumkonzept? Das ist selbstverständlich lernoffen, bewegungsfreundlich und maximal störanfällig. Tische und Stühle? Optional. Tafel? Luxus. Die Lehrkraft? Ein Störfaktor im selbstorganisierten Lernprozess. Wer lehren will, stört die freie Entfaltung. Wer Struktur bietet, gefährdet die Raumharmonie. Wer Inhalte vermittelt, sabotiert die Prozessqualität.
Die pädagogische Freiheit liegt nicht mehr bei Ihnen – sie gehört den „anders Lernenden“. Sie dürfen frei entscheiden, wie Sie sich an deren Entscheidungen anpassen. Und wenn Sie Glück haben, dürfen Sie am Ende sogar noch das Tafelbild aufmalen – für sich selbst. Als Erinnerung an eine Zeit, in der Unterricht noch ein Konzept war.
Tafelbilder darf es generell nicht mehr geben, weil dies eine extrem lehrerzentrierte Unterrichtsform darstellt und die SuS bei der freien Entfaltung ihrer Fähigkeiten einschränkt und ggf. sogar zu lebenslangen, multiplen Traumata führt. Es ist daher nur folgerichtig, dass die Lernräume so gestaltet werden, dass die aktive Schädigung der SuS durch uns Lehrkräfte verunmöglicht wird.
Ja, … nach der gerne propagierten Lernform stellen Tafelbilder quasi eine bewusste Körperverletzung dar. 😉
Wahnsinn mit Methode …
Blödsinn nach pädagogischem Konzept …
Schwachsinn nach universitären Vorgaben …
Stumpfsinn nach ideologischer Anmaßung …
… die “heilige Vierfaltigkeit” bildungswissenschaftlicher Ergüsse zur Lösung unserer Zukunftsprobleme.
In der Grundschule erstellt man in den seltensten Fällen ein Tafelbild, das dann von den Kindern ins Heft übertragen wird.
Vielleicht liegt genau hier das Problem…
seufz.
Ja, lang, lang ist’s her. Früher gab es das. Da wurden auch schon in der 2. Klasse mehrere ganze Sätze aus dem Buch oder von der Tafel abgeschrieben. Und auch ganze Mathepäckchen. Da wurden nicht nur Wörter in Lückentexte eingesetzt, oder nur das Ergebnis der Aufgabe ergänzt. Unvorstellbar!
Und das ist heute anders, oder wie? Ich weiß nicht, an welchen Schulen sich manche Leute hier herumtreiben.
Das is heute tatsächlich anders. Unser Deutschlehrwerk besteht z.B. nur aus Arbeitsheften, da muss nur ganz selten was ins Heft abgeschrieben werden. Die Mathebücher für Klasse 1 und 2 sind so gestaltet, dass (fast) alle Aufgaben im Buch gelöst werden können und nur das Ergebnis eingetragen wird.
Wer ist denn bei Ihnen für die Lehrmittelauswahl zuständig?
Und wer entscheidet bei Ihnen, welches Arbeitsmaterial in der Klasse ausgegeben wird?
Hier gibt es Arbeitsheftee, die zu einem großen Teil daraus bestehen, ganze Sätze abzuschreiben, Wortreihen zu schreiben etc. Fast so wie in der guten alten Zeit.
Genau das meinte ich und kenne es (leider) so von meinen letzten 12 Dienstjahren an einer Brennpunkt-GS und auch in Klasse 3 und 4 werden kaum mehr als 2 vollständige Sätze geschrieben.
“Ich weiß nicht, an welchen Schulen sich manche Leute hier herumtreiben.” – Komisch, das frage ich mich bei manchen Artikeln und Kommentaren hier bei n4t auch ständig 🙂 Es gibt halt sehr unterschiedliche Schulen, Curricula, … und dazu noch den Föderalismus im Bildungswesen.
… und die Baumschulen nicht vergessen.
Es gibt immer alles. Es gibt sogar explodierende Sonnen…und davon noch nicht einmal wenige.
Wenn wir in die Quantenmechanik einsteigen gibt es sogar immer alles und das Gegenteil gleichzeitig.
Aber es wäre schon ein Anfang, wenn man einmal die Fragen, die man stellt beantwortet werden.
Sie formulieren selbst im unpersönlichem Passiv.
“Es gibt halt sehr unterschiedliche Schulen, Curricula, … und dazu noch den Föderalismus im Bildungswesen.”
Wenn wir uns denn darauf einigen und wenn Sie das wissen, warum beanspruchen Sie und andere stets und ständig für Ihre Erfahrungen eine Allgemeingültigkeit?
Ich habe meine Beobachtungen und Erfahrungen aus 40 Dienstjahren beschrieben.
Was ist dagegen zu sagen?
Am besten noch mit bunter Kreide und über das gesamte Tryptichon … daran haben meine SuS erkennbar Freude, wenn man am Ende einer lebhaften Stunde die Ergebnisse dergestalt ubd nachvollziehbar mit nach Hause nehmen kann.
“Tafelbild” ?
Entweder da lebt eine Schule noch in der Kreidezeit oder benutzt umweltschädliche, da immens viel Strom verbrauchende, elektronische Tafeln.
Also: Tafeln sind entweder rückwärtsgewandt oder umweltschädlich. Eine gute Lehrkraft kann Unterricht auch ohne Tafel!
Ich denke an “Unser Lehrer Dr. SPECHT” aus den 80ern mit Robert Atzorn in der Hauptrolle.
Der kam immer in die Klasse, schrieb das Wort “Goethe” an die Tafel und dann gingen zutiefst anregende, intellektuelle, fachlich fundierte und persönlich betroffene Unterrichtsgespräche auf höchstem Niveau vonstatten.
Gut, dass ich da bereits auf dem Weg ins Lehramt war – so kann ich mich zumindest davon frei machen, wegen Dr Specht Lehrer geworden zu sein. 😉
Wir brauchen unbedingt mehr Propagandafilme a la “Dr. Specht” um den Lehrermangel zu beheben…
“Großstadtrevier” fällt mir dabei auch gleich ein: Die Polizei sucht ja auch verzweifelt nach Nachwuchs, der Lesen, Schreiben und Laufen kann…
Meiner Meinung nach wird die mangelnde Ergebnissicherung die Leistungen der Schüler noch erheblich verschlechtern. Und die Schüler von Eltern, die jene nicht Nachhilfe geben können, werden noch mehr abgehängt.
Das Tafelbild hat dann doch eh jeder auf dem Tablet. Bei Ausfall des WIFI können es die SuS am Ende der Stunde ja notfalls abfotografieren.
Was Du auf good-notes abgelegt hast, kannst Du getrost nach Hause tragen.
Wissen ist halt Macht. – Nicht-Wissen macht aber auch nichts.
Das müssen die Kinder auch nicht mehr. Geht alles digital, wozu Schreiben und Lesen lernen, von Rechnen ganz zu schweigen! Die können dann zwar nichts, aber ihre Work-Life-Balance ist gewährleistet.
mit 4-Tage Woche
natürlich 30 % Homeschooling
sowie digitalen Konferenzen für die Lehrkräfte, also GK und DB!
Die Gehälter leiden gerade sehr, hohe Kaufkraftverluste, wenige Anreize
0 Extravergütung!
Jaja keiner will es hören, aber es trifft den Kern.
Deswegen kommt kaum Nachwuchs und die Stimmung ist mies.
Fünf mal so viele Anmeldungen
Doppelt so viele Anmeldungen am Gymnasium
Wie passt das zusammen? Im Extremfall bezogen auf die zahlendes Artikels könnte das von 1 Gymnasiast von 13 Abmeldungen zu 2 Gymnasiasten von 65 Abmeldungen „gewachsen“ sein.
Ich verstehe berufstätige Eltern, die sich besser fühlen, wenn sie ihr Kind betreut wissen. Das würde mir auch so gehen. Ich finde schrecklich, dass der Lebensalltag von Kindern und Jugendlichen nur noch aus Schule bestehen soll. Deshalb wäre ich für die Ganztagsschule nur im Grundschulbereich (Berlin bis Klasse 6) und am besten eigentlich nur als Hort, wo man unter Betreuung Hausaufgaben erledigt und ansonsten eine “schöne Zeit” hat (spielen mit Freunden).
In Berlin ist die Hortbetreuung bis Klasse 6 an Grundschulen möglich. Ich stelle fest, dass ab Klasse 5 immer weniger Kinder in den Hort gehen und dass immer mehr nach Unterrichtsschluss und bei Ausfall alleine nach Hause gehen dürfen. Sprich, die Eltern selbst trauen das ihren Kindern ab diesem Alter immer mehr zu und erlauben es. Wozu dann Kinder in den Ganztag zwingen?
“ohne Neu- oder Umbau, aber mit Konzept? ”
Ich habe größten Respekt vor Schulkollegien, die es schaffen, sich im permanenten Sparzwang und unter der Prämisse “Lehrer sind für alles verantwortlich- aber für nix zu gebrauchen” tatsächlich zu solchen Konzepten durchzuringen.
ABER:
Das sind auch genau die Kollegien, auf die die Kultusbürokratie setzt, die sich chronisch selbst ausbeuten, die – wenn sie sich zu weit vor wagen – gnadenlos zurück- und zusammengepfiffen werden.
Wozu braucht es einen Themenmonat “Das Gebäude als wichtiger Pädagoge”, wenn es scheinbar mit dem “richtigen Konzept” auch ohne kostspielige Umbauten geht, wenn man sogar soweit geht, dass “nicht jede(r) SuS einen Stuhl benötigt?
Vor vielen Jahren gab es an unserer Anstalt schon einmal die Situation, dass SuS auf der Fensterbank sitzen mussten, weil die Räume nicht genügend Sitzplätze zur Verfügung stellen konnten – die Räume waren schlicht zu klein.
Klar kann ich versuchen, quasi alle Flächen als Unterrichts- und Lernflächen einzuplanen … aber spätestens in den Wintermonaten, wenn die Flure, die Freiflächen nicht mehr angemessen beheizt werden können (14 bis 17 Grad) dann finden “alternative und offene Raumkonzepte” ihre justiziablen Grenzen.
Blasenentzündungen als Krankmeldungsgrund sind da – denke ich – eher ungünstig.
Ja, wir sind gefordert, gegen die maroden Situationen an vielen unserer Schulen vorzugehen, unsere didaktischen Konzepte vom klassischen Klassenunterricht zu lösen, Räume kreativ und anders zu nutzen … aber die altbackenen LernHäuser geben i.d.R. nicht die minimalen Varianten über ein gesamtes Schuljahr wieder.
Wir – LuL – sollen die Versäumnisse / resp. die Bildungsphantasien der Elfenbeintürmler in die Praxis bringen … für die SuS denke ich – ja, das haben die verdient, dafür mache ich das – für die Gesamtsituation konstatiere ich mittlerweile:
Ja, ich arbeite – im Sinne des gewünschten Ergebnisses – aber was nicht geht / was zuviel abverlangt, das geht eben nicht bzw. ist nicht zumutbar:
Der Architekt legt den Bauarbeitern fünf Ziegelsteine hin und sagt ihnen: “Was wir wollen und brauchen ist ne 8-Zimmer-Villa mit drei Bädern, Dachterrasse und nem schönen Wintergarten! Sie wollen doch auch, dass die Bewohner sich wohl fühlen?!”
Wie wird der Meeres- oder Waldgeruch simuliert? Hängen da überall “Duftbäume” oder wird mit Raumsprays gearbeitet? … Das würde mich wirklich interessieren.
Einfach einen gammelnden Fisch an die Decke hängen und schon ist der erste Teil realsiert.
Den Waldgeruch simuliert man mit laufenden Benzinkettensägen…
Zum Thema “Erdgeruch” meinte mein Mann : “Einfach ein paar Boomer (wie wir) in die Flure setzen. Die riechen eh schon nach Erde und köönen auch noch die Aufsicht übernehmen.” Böse”! Ich weiß, aber er ist halt manchmal ein Zyniker und kein Pädagoge. 🙂
Ist der Eventmanager und bereitet Halloween vor?
Nee, aber kann ich ihm ja als Nebenjob zum Aufbessern der Rente vorschlagen. 🙂
Für den Flur mit Meeresrauschen hatte er übrigens auch wieder eine Recycling-Idee für uns Boomer – wir könnten ja dort die Kreidefelsen darstellen, sollen ja alle schon ziemlich verkalkt sein.
Das ist eine gute Frage.
Wenn der mal ne fast-morbide Band braucht, die ein Event musikalisch untermalt, dann ständen ich und meine Mitmusiker gerne zur Verfügung.
Für diesen Termin könnte ich dann endlich meinen Wunsch auf Bandnamenänderung durchsetzen – ich plädiere seit längerem für “One foot in the grave” – ein toller Name für eine in die Jahre gekommene Blues- und Rockkapelle.
Wie war das? Jetzt kommen die (Boomer) schon zum Sterben mit der eigenen Band.
Besser ne eigene als ne gekaufte .
Als wenn Oldies näher am Grab stehen würden…meine Großcousine erkannte bereits als Teenager, dass “nur weil man jung ist, nicht bedeutet, dass man auch alt wird” .
Iggy Pop hat sich übrigens auch schon mit 30 alt gefühlt .
Bin sicher, Sie finden noch einen tollereren Namen…wie wäre es z.B. mit “Hysterican & his Hypers “?
Genau mein Humor … wir hätten viel Spaß miteinander. 🙂
Apropos “Kettensägen” – wer bedient die?
“Es gibt gute und weniger gute Tage mir eine Kettensäge in die Hand zu geben.”
(trifft auf Lehrer sicher auch zu.) 🙂
Last chainsaw Massaker by Potschemutschka ?
Ach, so schön zu lesen, wie die LuL hier im Forum offen für andere Wege sind – Ironie off.
Warum denkt keiner: wow, da macht sich eine Schule auf den Weg und nimmt alle Akteure mit. Schön, dass sie sich genau überlegen, dass alle was vom Startchancenprogramm haben. Schon mal überlegt, dass vielleicht das ganze (kleine) LuL Kollegium voll hinter dem Konzept stehen könnten und weiter räumlich gestalten wollen, weil sie sehen, wie gut das mit ihren SuS klappt? Aber auch, dass sie selber unter diesen Bedingungen lieber arbeiten? Der Erfolg gibt ihnen doch recht. Und selbst wenn nur anstelle eines nun 2 SuS aufs Gym gingen, wäre das ein kleiner Erfolg. Wieso muss immer gleich alles mies gemacht werden – das Kollegium hat sich doch wohl dafür entschieden und bestimmt gut überlegt, ob sie lieber Lernbegleiung anstelle von Lehre mache wollen, ob sie in so einem offenen Konzept arbeiten wollen. Das ist bestimmt nichts für Jedermann/-frau, aber das heißt nicht, dass man es mies machen muss.
Ich ziehe jedenfalls meinen Hut vor so viel Engagement. Der Entwicklungsprozess war bestimmt anstrengend, aber er klingt auch nach Freude, Mitgestalten-können und vermutlich auch Stolz. Also, weiter so!
Ich verstehe die Diskussion nicht so ganz. Es ist ja nicht so, als ob die Gebäude, Räume nach Schulschluss gesprengt werden. Die stehen auch nachmittags zur Verfügung.
Man kann auch einmal dahin schauen, wo es seit geraumer Zeit flächendeckend Ganztagsbetreuung gibt.
Je nach Konzept und Struktur ist es kein Riesenproblem, die vorhandenen Räume auch am Nachmittag zu nutzen. Das ist dann nicht immer die Luxusvorzeigelösung, aber es geht. Auch wenn es hier und da einmal ruckelt oder eng wird.
Das einzige, was wirklich problematisch ist, ist die Bereitstellung einer Mensa ggf. mit Küche. Das lässt sich häufig nicht in die vorhandene Substanz quetschen, integrieren.
Jedenfalls im Grundschulbereich sehe ich da nicht die unüberwindbaren Schwierigkeiten.
Die Schwierigkeiten entstehen tatsächlich eher für LK, wenn nach dem Unterricht sämtliche Räume durch den Ganztag belegt sind. Dadurch entfällt die Möglichkeit, im eigenen Raum noch was für den nächsten Tag vorzubereiten oder in Ruhe Arbeiten durchzuschauen. Ganz schlimm ist es an Elternsprechtagen, da gibt es immer ein „Hauen und Stechen“, wer wann welchen Raum dafür nutzen kann.
“Die Schwierigkeiten entstehen tatsächlich eher für LK(…)”
Also einmal wieder Befindlichkeiten statt echter Probleme.
Aber immerhin sind Sie ehrlich.
Je nach Konzept reicht es auch, wenn man die Hälfte der Räume nutzt. In anderen Schulen wird ein Gebäude zum “Ganztagsgebäude” gemacht. Da gibt es durchaus konzeptionellen und organisatorischen Spielraum.
Wie immer im Leben hat alles Vor- und Nachteile. Wenn man darauf besteht, dass die Bezugsgruppen am Vor- und Nachmittag dieselben sind, lässt sich die Doppelraumnutzung aller Klassenräume nicht vermeiden, was hier ohnehin vertraglich so festgehalten ist.
Bei uns ist an LEG-Tagen unterrichtsfrei und Notbetreuung, sodass die Klassenräume zur Verfügung stehen.
Nach dem Unterricht ist eine Stunde Essenszeit. Da sind die Räume auch frei, abgesehen davon, dass die allermeisten sowieso um 13:00 verschwinden oder bereits verschwunden sind. Lehrerzimmer und Lehrerarbeitsräume gibt es auch.
Man kann natürlich zwanghaft Probleme herbeikonstruieren, wo keine sind.
Und ja ich weiß…bei Ihnen gibt es das alles nicht und bei Ihnen geht das alles nicht, sie arbeiten in Erdlöchern und wir hier sind im Paradies.
Man kann auch einfach mal feststellen, dass es in Schulen, in denen nicht mal einen Raum je Klasse gibt, dazu ein kleines Lehrkräftezimmer und eine Besenkammer für Materialien, schwierig wird, den Ganztag umzusetzen.
Und genau DAS hatte ich oben gemeint:
Am Ende bleibt nicht über, dass man mit viel Engagement – auch des Schulträgers – eine Schule umgestalten kann,
sondern dass Lehrkräfte mit eigenen Mitteln und eigener, zusätzlicher Zeit alles selbst arrangieren sollen.
Dann wird man das Ganztagskonzept auf die Gegebenheiten ausrichten müssen. Ist mir auch noch nicht untergekommen, dass es nicht für jede Klasse einen Raum gibt.
Im offenen Ganztag sind Lehrer auch gar nicht involviert und ob man offenen oder gebundenen Ganztag macht hat die Schule, die Schulkonferenz ja in der Hand, jedenfalls hier.
Was leider übersehen wird, nach der Grundschule gehen die SuS in andere Systeme über. Wie wird da der Lernort sein.? Auch in der Ausbildung werden sich die Schüler schwer tun, das in der Grundschulzeit Gewohnte weiter zu führen. Schön wäre es, wenn die Kolleginnen das dann einmal vormachen würden. Gemeinsames Abitur in Waben, Zentrale Prüfungen in der 10!
Die überall transparenten Lernräume dürften ADHS das Lernen nicht erleichtern.
Von der Sicherheitsfrage mal ganz abgesehen.
Was Schulbauten anbelangt, hat sich nur wenig dauerhaft bewährt. Architekten verwirklichen sich da nur selbst!
Hier ein schönes Beispiel, wie man es an einer weiterführenden Schule umsetzen kann:
https://www.fvsg-buende.de/