BERLIN. Viel Eigenverantwortung, wenig Wirkung: Der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie stellt die großen Versprechen des digital befeuerten individualisierten Lernens infrage. Mit Blick auf selbstgesteuerte Lernformen warnt er: Forschungsergebnisse zeigen kaum messbare Fortschritte. Stattdessen plädiert Hattie für ein „maßgeschneidertes Lernen“, das auf professioneller Diagnostik, hohen Erwartungen und gemeinschaftlichem Lernen basiert. Das kann durchaus als Kritik am deutschen Schulsystem verstanden werden.

Die Bildungspolitik setzt, angetrieben auch von den Möglichkeiten der Digitalisierung, zunehmend auf individualisiertes, selbstgesteuertes oder personalisiertes Lernen – in der Hoffnung, jedem Kind damit bestmögliche Lernchancen zu eröffnen. Doch der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie, Professor an der University of Melbourne und Autor der richtungweisenden Meta-Studie „Visible Learning“ (dt.: „Lernen sichtbar machen“), warnt: Zu viel Eigensteuerung kann das Lernen eher bremsen als beflügeln.
Auf der Konferenz Bildung Digitalisierung 2025 in Berlin plädierte er für ein „maßgeschneidertes Lernen“, das auf professioneller Diagnostik und gemeinschaftlichem Lernen basiert. Das Deutsche Schulportal dokumentiert nun seine Keynote.
„Das Versprechen der Individualisierung ist größtenteils rhetorisch“
Hattie spricht darin von einem „Schulsystem, das durchdrungen ist von Schlagwörtern und Modebegriffen“. Begriffe wie „individualisiertes“, „personalisiertes“ oder „selbstgesteuertes Lernen“ seien allgegenwärtig – in Konferenzdebatten, bildungspolitischen Papieren und den sozialen Medien. Doch obwohl diese Konzepte ähnlich klängen, bezeichneten sie unterschiedliche Dinge.
Beim individualisierten Lernen, so Hattie, gehe es darum, dass Lehrkräfte Aufgaben an das Leistungsniveau einzelner Schüler anpassen. Beim personalisierten oder selbstgesteuerten Lernen dagegen setzten die Lernenden ihre Ziele selbst, wählten Materialien und bestimmten die Art der Leistungsnachweise. Diese Ansätze beruhten auf der charmanten Idee, dass jedes Kind am besten auf seine eigene Weise lerne. „Diese Idee ist intuitiv attraktiv“, sagt Hattie, „aber wir müssen uns einer unbequemen Wahrheit stellen: Es gibt nur wenig belastbare Forschung, die zeigt, dass solche Formen des Lernens großflächige Lerngewinne bringen.“
Seine Datenlage ist eindeutig: Die Effektstärken – also der statistische Grad, mit dem ein pädagogischer Ansatz Lernerfolge beeinflusst – liegen laut Hattie im Durchschnitt bei 0,03 für schülergesteuertes Lernen und 0,26 für individualisiertes Lernen – also deutlich unter der Schwelle von 0,4, die er als Grenze für eine „bedeutsame Wirksamkeit“ definiert.
„Kurz gesagt“, so Hattie, „der Hype um individualisiertes und personalisiertes Lernen übersteigt die Stärke der Forschungsergebnisse bei Weitem. Das Versprechen der Individualisierung ist größtenteils rhetorisch.“
„Das größte Problem liegt in der Überbetonung des Alleinarbeitens“
Der Forscher kritisiert, dass sich viele Schulen in einem Missverständnis von Autonomie verfangen hätten. „Richtig umgesetzt kann personalisiertes Lernen ein Gefühl von Eigenverantwortung und Motivation fördern“, erklärt Hattie. „Schlecht umgesetzt jedoch verkommt es oft zu einer Orientierung an oberflächlichen Auswahlmöglichkeiten – etwa dazu, Unterricht an sogenannte Lernstile anzupassen.“ Studien, die diese Lernstile zugrunde legen, hätten eine Effektstärke nahe null.
Seine zentrale Kritik: „Das größte Problem von individualisiertem und personalisiertem Lernen liegt in der Überbetonung des Alleinarbeitens.“ Der Kern schulischen Lernens sei seit jeher Zusammenarbeit und soziales Lernen. Wer Lernen auf individuelle Lernpfade und Eigensteuerung reduziere, beraube Kinder jener gemeinschaftlichen Erfahrung, die Lernen erst tiefgreifend mache. „Viele Lernende brauchen Struktur, Anleitung und ein gemeinsames Ziel“, so Hattie. „Wenn Schülerinnen und Schüler nur individuell lernen, laufen sie Gefahr, zu isolierten ‚Einzellernenden‘ zu werden.“
„Schüler wissen oft nicht, was sie nicht wissen“
Hattie stellt klar, dass Lernen nicht darin bestehe, ausschließlich das zu tun, was einem liegt oder gefällt. „Lernen lebt von Herausforderung, Feedback und gemeinsamem Verstehen“, sagte er. „Übermäßig individualisiertes Lernen senkt die kognitiven Anforderungen. Denn wenn Schüler selbst entscheiden dürfen, wählen sie oft Aufgaben, die sie schon können.“
Darin liegt für Hattie ein Kernproblem des aktuellen Bildungstrends: „Schüler wissen oft nicht, was sie nicht wissen. Genau deshalb gibt es Lehrkräfte: um ihnen das beizubringen, was sie noch nicht wissen.“
Auch die Differenzierung im Unterricht werde häufig falsch verstanden. Gute Differenzierung, so Hattie, bedeute nicht, dass jede Schülerin und jeder Schüler andere Aufgaben bekommt. „Lehrkräfte mit hohen Erwartungen differenzieren nicht innerhalb ihrer Erwartungen, sondern beim Weg und beim Tempo, um sie zu erreichen.“ Lehrerinnen und Lehrer mit niedrigen Erwartungen dagegen „differenzieren“ durchaus – aber auf eine Weise, die das Potenzial ihrer Schüler begrenze. „Und das“, so Hattie, „kann verheerende Auswirkungen haben.“
Bildungsgerechtigkeit – nicht jeder seinen eigenen Lernpfad
Ein weiteres Risiko sieht Hattie darin, Personalisierung mit Bildungsgerechtigkeit zu verwechseln. „Bildungsgerechtigkeit bedeutet nicht, jedem Kind seinen eigenen Lernpfad zu geben“, erklärte er, „sondern sicherzustellen, dass jedes Kind mindestens ein Jahr Lernfortschritt pro Schuljahr erzielt.“

Personalisierte Ansätze könnten sogar Ungleichheiten verstärken, wenn sie falsch verstanden würden. „Schülerinnen und Schüler aus bildungsfernen Haushalten landen oft in individualisierten Lernpfaden, die ihnen nur begrenzten Zugang zu hochwertigen Unterrichtsgesprächen bieten“, warnte Hattie. „Sie arbeiten dann allein an Arbeitsblättern, ohne Gelegenheit zu tiefem Denken oder Transfer.“ Echte Gerechtigkeit heiße, „allen Lernenden anspruchsvolle Aufgaben zu geben – unabhängig von ihrer Herkunft.“
Diese Aussagen lassen sich durchaus als grundsätzliche Kritik am deutschen Schulsystem lesen. In einem Interview mit dem Spiegel im vergangenen Dezember hatte Hattie bereits deutlich gemacht, dass er die frühzeitige Aufteilung von Kindern in verschiedene Schulformen für einen gravierenden Fehler hält (News4teachers berichtete).
„Ich kann nicht verstehen, wie man so viel Talent vergeuden kann“, sagte er damals. Das System der frühen Trennung beruhe auf der irrigen Annahme, homogene Klassen erleichterten das Lernen. „Diese frühzeitige Trennung ist nicht im Interesse der Schülerinnen und Schüler. Einige Kinder brauchen eine zweite, dritte oder vierte Chance, um Dinge besser zu verstehen – und zwar über die Grundschulzeit hinaus.“
Er bezeichnete das deutsche System als „das ungerechteste Schulsystem, das ich kenne“. In keinem anderen Land werde so deutlich zwischen „Gymnasiasten“ und „den anderen“ unterschieden. „Ich möchte doch, dass mein Handwerker eine ebenso exzellente Schulbildung genossen hat wie mein Arzt“, sagte Hattie.
Auf die Frage, ob er das Gymnasium abschaffen wolle, antwortete er: „Viele Eltern wollen das nicht, aber die Schule ist nicht für die Eltern da, sondern für die Kinder. Sie werden die Zukunft Deutschlands prägen.“ Deutschland werde „niemals an die Spitze der PISA-Charts kommen“, wenn es nicht den Mut habe, „auf eine Änderung des Schulsystems zu drängen“.
Diese Kritik fügt sich nahtlos in seine Berliner Keynote ein: Wenn Individualisierung zum Selbstzweck werde, führe sie zu Trennung statt zu Teilhabe – und damit zu demselben Problem, das Hattie im gegliederten Schulsystem erkennt: Bildung werde zur Frage der Herkunft.
„Maßgeschneidertes Lernen“ als Alternative
Als Ausweg aus dieser Sackgasse schlägt Hattie nun das „maßgeschneiderte Lernen“ vor – ein Konzept, das er bewusst von den Modebegriffen der Bildungsdebatte abgrenzt. „Maßgeschneidertes Lernen bedeutet nicht, jedem Kind ein eigenes Curriculum zu geben“, sagt er. „Es bedeutet, dass Lehrkräfte ihren Unterricht basierend auf dem Lernfortschritt jedes Schülers gezielt anpassen.“
Dazu gehöre, Lernstände zu diagnostizieren, Feedback zu geben und Aufgaben so zu gestalten, dass sie alle Schülerinnen und Schüler angemessen fordern. „Das verlangt von Lehrkräften professionelle Expertise“, betont Hattie. „Die Klarheit einer Lehrkraft hat mehr als doppelt so starken Einfluss auf Lernergebnisse wie eine oberflächliche Personalisierung.“
Zugleich müsse Lernen gemeinschaftlich bleiben. „Schüler lernen in erheblichem Maße voneinander – im Guten wie im Schlechten“, sagte er. „Unsere Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass sie auf die richtige Weise voneinander lernen.“
Hattie fasst zusammen: „Natürlich müssen Schülerinnen und Schüler lernen, Verantwortung zu übernehmen und sowohl eigenständig zu arbeiten wie auch mit anderen. Aber es gibt eine richtige Zeit für Schülerautonomie – und eine falsche Zeit dafür.“ News4teachers
 
                








Nach der Kritik gegen offene Raunkonzepte und Individualisierung könnte das Forum warscheinlich Hattie (teilweise) zustimmen.
Bin gespannt, welche Gründe herangezogen werden, um dies zu umgehen ^^
Persönlich sehe ich in der “Individualisierung” einige Chancen.
Gedankenspiel: Wenn Verlage Lizenzen für Geschichten verkaufen würden, die (bspw. über KI) an die jeweiligen Leseniveaus angepasst sind, könnte die ganze Klasse den Inhalt des Werkes bearbeiten UND vom Lesen her ausgelastet, statt unter- bzw. überfordert zu sein.
Ob das am Ende “Differenzierung”, “Individualisierung” oder “maßgeschneidert” heißt… Who cares? Am Ende werden immer alle den Begriff für sich so definieren, dass sie dafür/ dagegen seien können :/
“niemals an die Spitze der PISA-Charts kommen” wenn sich das Schulsystem nicht ändert?
Vielleicht sollte man ihm mal erklären, dass es kein deutsches Schulsystem gibt, sondern jedes Bundesland sein eigenes hat und auch die Ergebnisse bei den Bildungsstudien erheblich abweichen?
Als es noch PISA-E-Test gaben, lagen manche Bundesländer damals in den Top-5 weltweit.
Wenn man die IQB-Tests-2024 genauer betrachtet, würde man auch feststellen, dass es Bundesländer mit gegliedertem Schulsystem gibt, die z.B. in Mathematik auf dem Niveau von Südkorea performt haben.
In Neuseeland mit Gesamtschulsystem sah es bei PISA-2022-Mathematik mit 479 Pkt übrigens auch eher bescheiden aus. Die Ergebnisse in NZL wären vermutlich auch noch niedriger gewesen, wenn die Zuwanderer dort nicht 12 Punkte besser performt hätten als die Einheimischen. Die Schüler*innen ohne Migrationshintergrund erzielten jedenfalls um -14 Pkt niedrigere Punktzahlen als ihre Pendants in Gesamt-DE.
Ich bin ja nun nicht vom Fach, vielleicht werde ich deswegen nicht wirklich schlau aus Prof. Hatties neuesten Erkenntnissen. Individuell und doch gemeinsam, dann aber doch jeder in seinem Tempo und mit dem gleichen Ziel, aber mit unterschiedlichen Aufgaben, die aber gleichzeitig nicht zu differenziert sein sollen? What?
Zitat: Zugleich müsse Lernen gemeinschaftlich bleiben. „Schüler lernen in erheblichem Maße voneinander – im Guten wie im Schlechten“, sagte er. „Unsere Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass sie auf die richtige Weise voneinander lernen.“
Sagt Prof. Hattie auch WIE das funktionieren soll? Was soll das überhaupt bedeuten? Um diesen Mischmasch aus Forderungen zu erfüllen, bräuchte jedes Kind seinen Privatlehrer. Und wie lernen Kinder, die gerade nicht lernen können oder wollen? Was ist bei Unruhe, Unlust, Raufereien? Die soziale Komponente blendet der “Experte” vollends aus – abgesehen davon, dass Kinder natürlich soziale Wesen seien und voneinander lernen müssten. Ach was…
Vielleicht werde ich im nächsten Leben auch “Experte”, dann darf ich ebenfalls mit möglichst vielen Phrasen in der Öffentlichkeit meine Aufmerksamkeit generieren.
Sagt Prof. Hattie auch WIE das funktionieren soll?
Ja – in zig Büchern. Gerne hier nachlesen: https://www.news4teachers.de/2014/01/hatties-zweiter-streich-visible-learning-for-teachers-eine-bibel-fuer-lehrer/
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Hä? Das hätt’ ie nie gedacht. Erst Applaus für das selbstgesteuerte Lernen, jetzt die große Ernüchterung: “Schüler wissen oft nicht, was sie nicht wissen.” Wer hätte das gedacht – außer jeder halbwegs erfahrenen Lehrkraft mit einem Stundenplan jenseits der PowerPoint-Folklore.
„Wenn Schüler selbst entscheiden dürfen, wählen sie oft Aufgaben, die sie schon können.“ – Diese Erkenntnis kommt mit der Wucht eines nassen Waschlappens. Seit Jahren wird das selbstgesteuerte Lernen als Königsweg gefeiert, bestellt von Bürger-, Schüler- und Elternräten im bildungspolitischen Wunschkonzert. Und nun das: Schüler vermeiden Überforderung. Ein Skandal! Oder einfach nur menschlich?
„Schüler wissen oft nicht, was sie nicht wissen“. Wie auch? Wenn der gymnasiale Bildungsgang nur noch fachliche Schonkost serviert, der MINT-Lehrplan zur pädagogischen Wellnesskur verkommt und das wissenschaftspropädeutische Denken durch Kompetenzraster ersetzt wird, die mehr an IKEA-Anleitungen erinnern als an intellektuelle Herausforderung. Anspruch? Reflexion? Fehlanzeige. Wissen ist Macht – nichts zu wissen, macht aber auch nichts. Willkommen in der Durchwinkschule. Und nun Hatties nächste Offenbarung: „Lehrerinnen und Lehrer mit niedrigen Erwartungen differenzieren durchaus – aber auf eine Weise, die das Potenzial ihrer Schüler begrenze.“ Genau diese Lehrer wurden systematisch bestellt. Die anderen – mit klaren Anforderungen und hohem Anspruch – galten als unzeitgemäß, elitär, unbequem. Wer forderte und klare Ansagen machte, der störte und wurde angefeindet.
Doch Hattie wäre nicht Hattie, wenn er nicht noch einen bildungspolitischen Bumerang werfen würde: „Ich möchte doch, dass mein Handwerker eine ebenso exzellente Schulbildung genossen hat wie mein Arzt.“ Also doch Einheitsschule für alle? Oder Binnendifferenzierung auf mindestens 10 Niveaus pro Klasse, damit jeder individuell „abgeholt“ wird – auch wenn niemand weiß, wohin?
Was bleibt, ist ein Forscher, der das System erst auf Selbststeuerung trimmt, dann seine Symptome beklagt und schließlich eine Vision entwirft, die zwischen Gleichmacherei und Leistungsanspruch taumelt.
Also nichts Neues aus Wolkenkuckucksheim und vom Elfenbeinturm. Bei uns unten ist es immer noch zappenduster. Die Ergüsse der Bildungsforschung haben ihren Teil dazu beigetragen. Wer jahrelang Nebel produziert, darf sich nicht wundern, wenn das Licht an der Basis – in den Klassen- und Fachräumen – immer schummriger wird. Aber wenigstens gefühlt mummliger.
“Was bleibt, ist ein Forscher, der das System erst auf Selbststeuerung trimmt, dann seine Symptome beklagt und schließlich eine Vision entwirft, die zwischen Gleichmacherei und Leistungsanspruch taumelt.”
Prof. Hattie hat kein System getrimmt (hä?), schon gar nicht “auf Selbststeuerung”. Für solche Behauptungen hätten wir gerne einen Beleg: Wann hat Hattie sich je für “Selbststeuerung” ausgesprochen, also das Gegenteil von dem erzählt, was er hier erklärt?
Herzliche Grüße
Die Redaktion
„Die größten Effekte auf das Lernen treten dann auf, wenn Lehrpersonen in Bezug auf das Lehren selbst zu Lernenden werden und wenn Lernende zu ihren eigenen Lehrpersonen werden. Wenn Lernende ihre eigenen Lehrpersonen werden, dann zeigen sich bei ihnen diejenigen selbstregulierenden Merkmale, die bei Lernenden besonders erwünscht sind (Selbstbeobachtung, Selbstbewertung, Selbsteinschätzung, Selbstunterrichtung). Je mehr die Lernenden zur Lehrperson werden und je mehr die Lehrperson zum bzw. zur Lernenden wird, desto ertragreicher sind die Outcomes.“ (Hattie 2013, 27; 31)
“Es ist schon spannend, wenn man sich einmal die Veröffentlichungen der bekannten Unterrichtsforscher ansieht, die sie vor der Durchführung einer Studie publiziert haben. Subjektiv ergeben sich i.d.R. nur geringe Abweichungen oder Widersprüche zu späteren Ergebnissen – und wenn, dann werden diese so interpretiert, dass es doch wieder stimmt. Auch Hattie, der seine Studie mit dem Ziel veröffentlicht hat, „eine erklärende Geschichte oder Theorie über die Einflüsse auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler zu präsentieren“ (Hattie 2013, 27) kann sich davon nicht freimachen (wie auch der Verf.), was ihm entsprechende Kritik einbringt:” „Hattie lässt aber nicht immer nur die Daten sprechen, wie es die orthodoxe Meta-Analyse fordert. Wenn die Daten seiner Vorstellung von gutem Unterricht widersprechen, verfällt selbst er ins Interpretieren.“ (Lind 2013)
https://visible-learning.org/de/2013/06/mr-hattie-und-der-offene-unterricht/
Sie reißen das Zitat aus seinem Zusammenhang: Es geht dabei um Wahrnehmung und Reflektion der Ergebnisse von Lernprozessen – eben: Visible Learning -, nicht um Inhalte. Gerne mal den Kontext dazu lesen: https://visible-learning.org/de/2013/06/mr-hattie-und-der-offene-unterricht/
Interessanterweise eine Kritik an Hatties Kritik an offenem Unterricht, den Sie selbst doch hier immer als den Untergang des Abendlandes darstellen.
Und dann schieben Sie noch eine irgendwoher geklaubte, zwölf Jahre alte Kritik an Hattie hinterher, die ebenfalls mit dem Thema hier nichts zu tun hat. Kernaussage: Hattie interpretiert seine Daten – wow, ist nicht wahr, hat ja noch nie ein Wissenschaftler gemacht (Spaß).
Zur Klarstellung: Selbstverständlich ist Bildungsforschung, auch Hattie kritisierbar. Allerdings nicht mit billigem antiwissenschaftlichem Populismus.
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Vielen Dank für die redaktionelle Einordnung – sie liest sich fast wie ein Reflex: Kritik an Hattie? Muss wohl billig populistisch sein. Dass ich auf eine „zwölf Jahre alte“ Quelle verweise, scheint dabei schwerer zu wiegen als der Inhalt selbst. Dabei stammt die Kritik von Lind (2013) nicht aus der Mottenkiste, sondern benennt ein strukturelles Problem: Wenn die Daten Hatties Idealbild von „gutem Unterricht“ nicht stützen, wird eben nachinterpretiert und umformuliert.
Gerade weil Hattie so einflussreich ist, sollte man genauer hinsehen, wo Interpretation beginnt und Empirie endet. Dass ausgerechnet dieser Hinweis als „antiwissenschaftlich“ abgetan wird, ist bemerkenswert.
Es geht nicht um Hinweise – es geht um Polemik. Herzliche Grüße Die Redaktion
Zitat:
“Die Ergüsse der Bildungsforschung haben ihren Teil dazu beigetragen. ”
Das waren eher Didaktik- oder Pädagogik-Professoren. Bildungsforschung haben die meisten davon nie betrieben, sonst würde ja auffallen, dass ihre Methoden auf lange Sicht nix bringen. Die vermeintlichen Erfolge kommen meist durch den Neuigkeitseffekt. Oft wurden die Fragebögen im Anschluss an eine Lerneinheit auch sehr stark auf die neue Methode zugeschnitten, sodass von vornherein klar war, welche Methode gewinnt.
Eigentlich dürfte es keinen Didaktik- oder Pädagogiklehrstuhl geben an den nicht eine Schule angegliedert ist in der sie unterrichten müssen.
Zitat: “Und nun Hatties nächste Offenbarung: „Lehrerinnen und Lehrer mit niedrigen Erwartungen differenzieren durchaus – aber auf eine Weise, die das Potenzial ihrer Schüler begrenze.“ Genau diese Lehrer wurden systematisch bestellt.”
*puff*
*graue Glitzerwolke erscheint*
*Wolke zerstreut sich, eine kleine schwebende Plastikdrohne erscheint*
“Meister, ihr habt gerufen?
Geliefert wie bestellt!”
* Zirrr…
* rosarote Brille aufgesetzt
* Haltung auf „pädagogisch korrekt“ justiert
* Propeller summt leise vor sich hin
Immer mehr bestellte Drohnen melden sich zum Dienst! Fördere nichts, fordere nichts, fliege stabil durchs System.
Ich spüre es schon… die Transformation schreitet voran. Noch ein paar Fortbildungen zur „resilienten Unterrichtsstruktur im digitalen Raum“ sowie zur “Pool – und Terrassenkultur” – und zack, bin auch ich vollintegriert im Schwarm. Lieferbereit. Bewertungsstabil. Konfliktvermeidend.
Summt weiter in Richtung nächster Kompetenzrasterabfrage…
Und sollte das gelieferte System crashen – werden wir Drohnen pflichtbewusst über den Trümmern kreisen, mit rosaroter Brille, pädagogischem Feinsinn und dem festen Glauben, dass wir es leider nicht hätten verhindern dürfen.
Ich hoffe, Hattie weiß, was er sagen möchte, und die Redaktion weiß, was sie zum Ausdruck bringen wollen würde.
Leider ist alles unkonkret, sodass sich niemand wirklich ein Bild machen kann.
Wie soll es denn “maßgeschneidert” sein, wenn jedes Kind zwar auf unterschiedlichem Niveau lernt, aber nicht individualisiert und nicht personalisiert, dennoch mit einem Lernfortschritt von einem Jahr einschließlich dem Erleben von tiefen Denken und Transfer?
Vielleicht müssen diejenigen, die das Lernen von außen beschreiben möchten, mal von ihren Meta-Studien aufblicken und einen Blick in die Realität werfen.
Interaktives Lernen mit den Lehrpersonen, mit Feedback und Anleitungen vor dem eigenständigen Lernen, hat er doch angesprochen. Dass man individuell lernt, bedeutet doch nicht, dass man maßgeschneiderte Unterrichtsmaterialien selbständig bearbeitet und nicht gemeinsam angeleitet wird, wenn neue Lerninhalte vermittelt werden sollen.
“mindestens ein Jahr Lernfortschritt pro Schuljahr”
Bei IQB-2024-Mathematik betrugen die Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern bis zu 75 Pkt.
In der Theorie sollen 30 Punkte ungefähr dem Lernfortschritt eines Schuljahres entsprechen.
Klarer Fall: Dosis erhöhen, viel hilft viel.
Also noch mehr gute Fühlis, damit die vorne liegenden Bundesländer schneller und stärker sinken als die hinten liegenden?
“Aber es gibt eine richtige Zeit für Schülerautonomie – und eine falsche Zeit dafür.“ sagt Hattie.
Das wussten auch schon “Die Puhdys”: “…Jegliches hat seine Zeit, Steine sammeln, Steine zerstreun…” 🙂
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Ich möchte doch, dass mein Handwerker eine ebenso exzellente Schulbildung genossen hat wie mein Arzt“,
Warum sollte mein Handwerker das große Latinum beherrschen. Oder soll ich für eine Operation dann zum Metzger?