„Verstehe nicht, warum ich so viel weniger verdiene als ein Lehrer“: Kita-Fachkräfte vor dem Absprung

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BERLIN. Sie fördern, bilden, trösten – und verdienen deutlich weniger als Lehrkräfte (auch dann, wenn sie studiert haben): Erzieherinnen und Erzieher kämpfen seit Jahren um mehr Anerkennung und eine gerechtere Bezahlung. Die Zeit greift das Thema aktuell auf – mit der Geschichte einer Kita-stellvertretenden Leiterin, die hart am Limit arbeitet und sich trotz akademischer Ausbildung und hoher Verantwortung nicht angemessen honoriert fühlt. Das Problem ist grundsätzlicher Natur.

Die Belastung der Kita-Fachkräfte ist hoch. Illustration: Shutterstock

„Ich verstehe nicht, warum ich so viel weniger verdiene als Lehrer.“ Levke Weikert (Name geändert), 30 Jahre alt, stellvertretende Leiterin einer Kindertagesstätte, liebt ihren Beruf – und ringt dennoch mit der Frage, wie lange sie ihn unter diesen Bedingungen noch ausüben kann. „Wenn sich die Rahmenbedingungen nicht deutlich ändern, glaube ich nicht, dass ich diesen Beruf noch 20 Jahre mache“, sagt sie in einem nun in der Zeit erschienenen Protokoll.

Weikert beschreibt einen Alltag, der zwischen pädagogischem Anspruch und organisatorischer Dauerbelastung schwankt. „Ich betreue die Kinder, sitze aber auch viel im Büro und schließe Betreuungsverträge, erfasse Krankmeldungen, werte Statistiken aus“, erzählt sie. „Wenn ich die Tür zu meinem Büro schließe, geht sie nach ein paar Minuten wieder auf: Eine Kollegin braucht Hilfe, weil sich ein Kind übergeben hat, Eltern haben eine dringende Frage oder es sind so viele Kolleginnen krank, dass ich einspringen muss.“

Gerade in den Wintermonaten, sagt sie, sei immer jemand krank, „mehr Personal würde helfen“. Doch stattdessen wächst die Bürokratie: „Schulen haben ein Sekretariat, die Kita-Leiterin und ich müssen das zusätzlich erledigen. Weil die Zeit dafür nicht reicht, machen wir das oft abends oder am Wochenende.“ Routine? Fehlanzeige. „Ein Tag ist einfach zu unberechenbar“, sagt sie.

Weikert arbeitet 33 Stunden pro Woche, offiziell 85 Prozent, faktisch deutlich mehr. Ihr Gehalt: 3.930 Euro brutto, 2.560 Euro netto. „Meine Arbeit ist nicht weniger wichtig: Wenn wir einen schlechten Job machen, haben sie später mehr Arbeit mit den Kindern“, sagt sie.

Dabei hat Weikert selbst einen akademischen Weg eingeschlagen: Nach dem Abitur studierte sie Erziehungswissenschaften – ein Studium, das sie gezielt auf die Arbeit mit Kindern vorbereitete. Schon währenddessen engagierte sie sich ehrenamtlich in der Jugendarbeit und arbeitete in einer Kita, die sie nach ihrem Bachelorabschluss übernahm.

Nach der Geburt ihres Kindes zog sie um, begann in einer neuen Einrichtung – und übernahm bald die stellvertretende Leitung. „Die Möglichkeit, das Konzept der Einrichtung mitbestimmen zu können, hat mich gereizt“, sagt sie. Eigentlich habe sie in Teilzeit einsteigen wollen, „aber um die Stelle zu bekommen, musste ich mindestens 30 Wochenstunden arbeiten“. Die Realität sei dann weit über das hinausgegangen, was sie erwartet habe: „Aus der ruhigen Konzeptionsarbeit wurde nichts – wir haben wegen Personalausfällen in einer anderen Kita ausgeholfen.“

Eine alte Forderung – neu erhoben

Dass das Gehaltsgefälle zwischen schulischer und frühkindlicher Bildung als ungerecht empfunden wird – und immer wieder Thema in den Kita-Kollegien ist – belegt ein ähnliches Protokoll, das bereits im vergangenen Jahr im Spiegel erschienen ist. Dort berichtete eine Erzieherin von ihrem Gehalt und ihren Ansprüchen an gerechte Bezahlung.

Die 33-Jährige, die zuvor in einem anderen Beruf tätig war, arbeitet heute Vollzeit im Kindergarten und verdient 43.012 Euro brutto im Jahr. „Mein Bruttomonatsgehalt liegt bei 3.463 Euro“, sagte sie dem Spiegel. Zusätzlich erhalte sie eine Benefit-Karte, auf die monatlich 50 Euro geladen würden, sowie ein Deutschlandticket und einmal jährlich eine steuerfreie Sonderzahlung von 950 Euro plus 500 Euro Urlaubsgeld.

Von ihrem Einkommen könne sie „gut leben“, sagte sie – aber sie wisse, dass das mit Familie schnell anders aussehen würde. „Hätte ich drei Kinder, sähe das anders aus. Mein Einkommen wird daher sicher auch meine Familienplanung beeinflussen.“ Vor allem aber empfinde sie die Bezahlung im Vergleich zu anderen Bildungsberufen als ungerecht: „Fair wäre, wie Lehrer bezahlt zu werden. Schließlich haben wir denselben Bildungsauftrag – da sollte es keinen Unterschied geben.“

Und weiter: „Menschen in Vorstandspositionen übernehmen sicher wichtige Aufgaben, aber ihre Arbeit ist nicht relevanter als frühkindliche Bildung. Ohne die würde schließlich das ganze System ins Wanken geraten.“

Wie belastend die Arbeit in den Kitas ist, zeigt aktuell eine Untersuchung des Instituts Arbeit und Wirtschaft (iaw) im Auftrag der Bremer Bildungsbehörde und der Arbeitnehmerkammer (News4teachers berichtete). Die Forscherinnen und Forscher befragten Kita-Beschäftigte zu Arbeitszufriedenheit, Belastung und beruflichen Perspektiven.

Das Ergebnis fällt deutlich aus: Rund 58 Prozent der Beschäftigten in Bremer Kitas arbeiten in Teilzeit, meist zwischen 30 und 35 Stunden pro Woche. 40 Prozent dieser Teilzeitkräfte wären grundsätzlich bereit, ihre Arbeitszeit zu erhöhen – aber nur, wenn sich die Arbeitsbedingungen verbesserten. Etwa ein Drittel der Fachkräfte plant in den kommenden Jahren eine Stundenreduzierung oder den Berufsausstieg. Besonders betroffen sind jüngere Beschäftigte und solche mit gesundheitlichen Problemen.

Als Hauptgründe nennen die Befragten die hohe Arbeitsbelastung, fehlende Vertretungsregelungen, mangelnden Gesundheitsschutz und zu große Gruppen. Auch das Arbeitsklima und ungelöste Konflikte im Team werden häufig genannt. Schon in der Ausbildung zeigten sich Probleme: Geringe Vergütung, unzureichende Verzahnung von Theorie und Praxis und fehlende Unterstützung im Umgang mit Konflikten führten dazu, dass viele den Beruf nicht dauerhaft ausüben wollen. Das Fazit der Forschenden: Ohne strukturelle Verbesserungen droht der frühkindlichen Bildung eine Erosion – in Qualität und Personalbestand.

Akademisierung als Schlüssel – und Herausforderung

Vor diesem Hintergrund fordern Fachleute seit Jahren, den Beruf der frühkindlichen Pädagogik strukturell aufzuwerten – nicht nur finanziell, sondern auch in seiner Ausbildung. Professorin Frauke Mingerzahn und Professor Jörn Borke von der Hochschule Magdeburg-Stendal sehen in der Akademisierung der Kindheitspädagogik einen zentralen Hebel, wie sie bereits 2021 in einem Interview für das Kita-Handbuch erklärten.

„Etwa seit Beginn der 2000er-Jahre lassen sich zwei Tendenzen beobachten“, sagt Mingerzahn. „Zum einen eine Professionalisierung – sichtbar in den Hochschulstudiengängen und in überarbeiteten Fachschulcurricula –, zum anderen aber Deprofessionalisierung durch den Fachkräftemangel und den massiven Ausbau der Kitas.“

Die Zahlen sprechen für sich: Zwischen 2004 und 2017 stieg die Zahl der Bachelorstudiengänge im Bereich Frühpädagogik von drei auf 72, dazu kommen 13 Masterstudiengänge. Mit ihnen, so Mingerzahn und Borke, komme „stärker wissenschaftlich ausgebildetes Personal“ in die Einrichtungen – Menschen, die Bildungsprozesse reflektierter begleiten und konzeptionell mitgestalten könnten.

Akademikerinnen und Akademiker brächten „vertieftes Fachwissen, eine andere Sprache und eine wissensbasierte Begründung ihres Handelns“ mit. Dadurch verändere sich auch der Habitus in den Teams. Mingerzahn betont: „Mit ihrer stärker wissenschaftlich basierten Urteils- und Reflexionsfähigkeit tragen Kindheitspädagoginnen zu einer weiteren Professionalisierung der Teams bei.“

Doch das birgt Spannungen. In der Praxis gebe es immer wieder Vorurteile: „Praktikerinnen sagen, Akademikerinnen könnten keine Gruppen führen, Studierende halten sich für besser ausgebildet.“ Diese gegenseitigen Zuschreibungen seien hinderlich. „Nur wenn Träger und Leitungen die Unterschiede produktiv gestalten, kann die Heterogenität im Team zur Stärke werden“, sagt Borke.

Akademiker*innen in der Kita – und trotzdem schlecht bezahlt

Hinzu kommt ein Widerspruch: Wer ein Studium der Kindheitspädagogik absolviert, verdient meist nicht mehr als klassische Erzieherinnen und Erzieher. „Träger haben durch berufsbegleitende Studiengänge die Chance, gut ausgebildetes Personal an sich zu binden – wenn sie die Studierenden unterstützen und nach dem Studium eine professionelle und finanzielle Weiterentwicklung ermöglichen“, erklärt Mingerzahn.

Genau das geschehe jedoch selten. Und so verlassen viele akademisch qualifizierte Fachkräfte den frühkindlichen Bereich wieder – in Richtung Hochschule, Verwaltung oder Familienbildung. Die Akademisierung sei eine große Chance, so Borke. Aber sie werde nur dann wirken, wenn sie mit echter Aufwertung verbunden ist. News4teachers 

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JonasG
3 Stunden zuvor

Warum verdienen nicht einfach alle das Gleiche? Einheitslohn!!! Dann sind alle zufrieden. Ausbildung und Qualifikation? Egal.

DumDiDum
1 Stunde zuvor

Dass jemand mit einem Studium der Kindheitspädagogik mehr verdienen sollte als ein normaler Erzieher, halte ich für stimmig. Dass allgemein Erzieher zu wenig erhalten, gerade mit Blick auf die doch sehr lange Ausbildung, halte ich auch für richtig.

Aber meiner Einschätzung nach sind Lehrer einfach die falsche Bezugsgröße für Erzieher. Ja, wir haben alle mit Kindern zu tun – aber das hat der Schulbusfahrer auch.

Chris
24 Minuten zuvor

Wie weit hat sie denn studiert? Bachelor oder Master? Wenn man ihr Netto-Gehalt mit einem A13 Beamten vergleicht, der in der GKV versichert ist, und berücksichtigt, dass sie Teilzeit arbeitet und eben nicht 41 Wochenstunden, ist ihr Gehalt gar nicht so gering.

Vor 12 Jahren bin ich als frisch gebackener A13 Studienrat in Vollzeit mit GKV mit 1.980€ netto nach Hause gegangen.