Überlastung der Lehrerschaft: GEW fordert Kürzung der Stundentafel

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LEIPZIG. Volle Klassen, fehlende Lehrer, steigender Druck: Schulen stehen vor einer Belastungsprobe – auch in Sachsen. Die GEW im Freistaat warnt vor dramatischen Unterrichtsausfällen und fordert dringend Maßnahmen.

Weniger ist mehr – meint die GEW. Symbolfoto: Shutterstock

Angesichts des anhaltenden Lehrermangels in Sachsen hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) das Kultusministerium erneut zu Verhandlungen über ein neues Bildungspaket aufgefordert. «Der Teufelskreis aus Überlastung und Lehrkräftemangel dreht sich weiter», sagte der Landesvorsitzende Burkhard Naumann. «Die Lehrkräfte und Schulleitungen geben trotz der enormen Herausforderungen ihr Bestes für die Schülerinnen und Schüler. Das geht auf Kosten ihrer Gesundheit und kostet immens viel Kraft.»

Zudem stünden die Schulen mehr und mehr unter dem Druck, gesellschaftliche Probleme – wie etwa die gestiegene Zahl rechtsextremer Vorfälle – aufzufangen. Naumann: «Die gestiegene Zahl rechtsextremer Vorfälle und die zunehmende Gewalt an Schulen sind nur die Spitze des Eisbergs. Die nationalen und internationalen Konflikte wirken sich unmittelbar auf den Schulalltag aus. Doch es fehlt schon die Zeit, um das Mindestmaß der Lehrpläne zu erfüllen. Demokratiebildung und aktuelle Debatten kommen mit Blick auf Noten- und Prüfungsdruck zu kurz.»

«Angesichts der besorgniserregenden Entwicklungen fordert die GEW Sachsen die Landesregierung auf, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen»

Mehr als 3.300 Lehrkräfte fehlen nach Angaben der Bildungsgewerkschaft zum Ende des Schulhalbjahres in Sachsen, um den Unterricht inklusive Vertretung vollständig abzudecken. Der planmäßige und ungeplante Unterrichtsausfall erreiche weiterhin Höchststände. Um diesem Problem entgegenzuwirken, schlägt die GEW Verhandlungen über ein Bildungspaket vor. Das solle «Kürzungen in der Stundentafel, verbunden mit einer Überarbeitung des Lehrplans sowie attraktive Angebote für ältere Lehrkräfte vor, um sie länger im Beruf zu halten» beinhalten. Zudem müsste die Anzahl der Schulassistenten und die Schulsozialarbeit weiter ausgebaut werden, damit jede Schule davon profitiert.

«Angesichts der besorgniserregenden Entwicklungen fordert die GEW Sachsen die Landesregierung auf, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen», betonte Naumann. Ziel müsse es sein, tragfähige Lösungen zu erarbeiten, um aus der Belastungsspirale auszubrechen und die Bildungsqualität nachhaltig zu sichern. Mit Blick auf Conrad Clemens (CDU), seit Dezember an der Spitze des Kultusministeriums, fordert die GEW:  «Statt Mangelverwaltung sollte der neue Kultusminister diese Probleme unmittelbar angehen. Wir benötigen gemeinsame Lösungen für die angespannte Situation.» News4teachers

Im Teufelskreis: Lehrermangel, Druck, Flucht aus dem System, noch mehr Lehrermangel

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Unfassbar
7 Monate zuvor

Wie soll eine Kürzung der Stundentafel die Arbeitsbelastung der Lehrer reduzieren? Aus meiner Sicht würden das nur eine nennenswerte Absenkung des Deputats, kleinere Klassen, weniger Verwaltungsarbeit usw. ermöglichen. Im Idealfall kommen noch Schuldezernate und Gerichte im Hintergrund dazu, die voll hinter den Lehrern und Schulleitungen stehen, egal welche Maßnahmen die Disziplinarkonferenzen aussprechen.

Ulrike M.
7 Monate zuvor
Antwortet  Unfassbar

Nur eine Kürzung der Stundentafel ermöglicht aktuell eine Reduzierung des Stundendeputats der Lehrer. Darum geht es. Ein geringeres Stundendeputat wäre sehr wohl eine Entlastung der Lehrer. Ich unterstütze das deshalb.

Marie
7 Monate zuvor
Antwortet  Ulrike M.

Eine Kürzung der Stundentafel würde nur bewirken, dass die Stunden, die derzeit wegen Lehrermangels ausfallen, nicht mehr in der Statistik erscheinen und natürlich auch, dass die Kinder weniger Unterricht haben. Weniger Stundenverpflichtung für Lehrer kommt deswegen noch lange nicht.

Lapislazuli
7 Monate zuvor
Antwortet  Marie

Dieser ausfallende Unterricht, der ja selten generell ausfällt, muss auch nicht mehr vertreten werden, z.B. durch Sie.

Unfassbar
7 Monate zuvor
Antwortet  Ulrike M.

Ja, ein geringeres Deputat ist eine Entlastung. Ab wie vielen Stunden ist die Entlastung denn spürbar? Ich setzte da mindestens einen schriftlichen Kurs und kompakte Stundenpläne mit wenigen Springstunden an. (Bei voller Stelle habe ich aktuell sieben Springstunden und zehn, sobald die Abiturienten weg sind)

Bermudadreieck
7 Monate zuvor
Antwortet  Unfassbar

Naja, wenn weniger Stunden abzudecken sind, weil es weniger gibt, fällt doch auch weniger Vertretung und Mehrarbeit an, mittels derer sie abgedeckt werden. Es fällt ja nicht alles einfach aus, wenn der Lehrer fehlt.

DerechteNorden
7 Monate zuvor
Antwortet  Ulrike M.

Wir Lehrkräfte werden in SH kein geringeres Stundendeputat haben, obwohl die S*S ab dem nächsten Schuljahr sechs Stunden weniger Unterricht in der Sek I erhalten.
Was auch nicht bedacht wird, ist der Stress, der entsteht, weil man viel weniger Zeit hat, um wichtigen Stoff durchzunehmen.
Aus der GS kommen lauter Kinder an die GemS, die wesentliche Dinge nicht können. Nach der letzten IGLU-Studie wurde uns noch verkündet, dass wir an den GemS die Defizite aus der GS ohne zusätzliche Mittel aufarbeiten müssten.
Und jetzt haben wir auch noch viel weniger Zeit.
Ach ja, außerdem müssen vier weitere Stunden durch Informatik ersetzt werden.

Man darf nie vergessen, den Ministries geht es immer nur ums Geld sparen und nicht darum, Lehrkräfte zu entlasten.

Bermudadreieck
7 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Zu wenig Zeit? Da will ich mal die Ulrike zitieren, die aufzeigt, wo alles Zeit verloren geht und keinen kümmert’s:

———————————————-
“Ulrike M.
 14 Stunden zuvor

In den Schulen findet vieles statt, was nicht unbedingt die Schule machen muss bzw. hochbezahlte Lehrkräfte. Da wird so viel Zeit verbraucht, in der kein Unterricht stattfindet. Beim gemeinsamen Frühstück bei uns gehen z.B. jeden Tag 10 Minuten Unterricht verloren. Das macht 50 Minuten pro Woche. Das macht 40x 50 Minuten pro Schuljahr, also je nach Klassenstufe 1,5 – 2 Wochen Unterrichtszeit.
Dazu kommen dann noch Ausflüge, Wandertage, Klassenfahrten, Projekttage, Studientage, Elternsprechtage… Ist alles schön, aber am Ende fehlt uns um die 1 Monat Unterrichtszeit. Ein ganzer Monat. Das bedenke man mal.
(Ganz abgesehen von dem Unterrichtsausfall wegen Erkrankungen. Der kommt ja noch dazu !!!) So ist dann unter Umständen bis zu 2 Monate vom Schuljahr kein Unterricht erteilt worden!
Haben das wenigstens die Lehrplan-Macher bedacht?”

DerechteNorden
7 Monate zuvor
Antwortet  Bermudadreieck

In der Grundschule MUSS aber vieles stattfinden, was der Gymnasial-Mathelehrer vielleicht unnütz findet.

Auch an GemS müssen wir Lehrkräfte Prävention und verschiedene Projekte durchführen. Pädagogische Arbeit beinhaltet nicht nur Fachunterricht.
Zwar könnte man besser koordinieren, das würde aber nicht ausgleichen, was das Streichen von Stunden angeht.

Ohne Worte- ohne mich, ketzerisch
7 Monate zuvor

Liegt Leipzig nicht in dem Bundesland, wo die GEW dem Bildungsministerium applaudiert für die Regelung zur erleichterten Abordnung von Lehrkräften zum Löcher stopfen?! Oder war das in Thüringen?

Achin
7 Monate zuvor

Offensichtlich geht es GEW-Funktionären nicht darum, Schüler*innen eine umfassende Bildung zu vermitteln. Bildungsaufstieg ist immer mit Leistung verbunden, nicht nur mit Verständnis.

Katze
7 Monate zuvor
Antwortet  Achin

So ist es. Noch mehr Leerstellen in den Lehrplänen und Stundentafeln bezüglich ernsthafter fachlicher Bildung und zugunsten von schwammigem Kompetenzgedüdels frustriert besonders ältere Lehrkräfte.
Abitur 2025 im MINT-Bereich erstmals nach IQB-Bildungsstandards – wir können uns vor Begeisterung kaum noch halten. Sicherung von Bildungsqualität und Leistungsanspruch sehen anders aus.

Schrankwandine
7 Monate zuvor
Antwortet  Achin

Das ist rein theoretisch. In einem Unterricht, in dem es über Tische und Bänke geht, kann auch keiner was lernen. Was tun wir also, damit die Kollegen wieder mehr unterrichten können? Wie befähigen wir sie dazu?

Lera
7 Monate zuvor

Oh, eine sinnvolle Forderung der GEW!

Wird gleich rot im Kalender markiert.

Schrankwandine
7 Monate zuvor

In den Zeiten, in denen es aufgrund des Lehrermangels nicht möglich ist, das Stundensoll der Lehrer zu senken, bleibt nur die Kürzung der Stundentafel für die Schüler, um die Belastung der Lehrer zu senken. Man meine, dann fiele zu viel Unterricht aus/weg? Nicht, wenn man verfügen würde, dass auch Ausflüge, Wandertage, Klassenfahrten ausgelagert werden, in den Hort oder in die Ferien oder…? Mindestens könnte man das reduzieren.

An meiner Schule gibt es so viele Projekttage, zu Weihnachten, zu Ostern, zum 11.11., zum Fasching usw. Da fallen immer ganze Unterrichtstage aus. Man kann das alles dem Hort überlassen oder in die Freizeit verlegen.

Marie
7 Monate zuvor
Antwortet  Schrankwandine

Warum genau senkt es meine Belastung, wenn meine Drittklässler nur noch zB. 22 statt 25 Stunden haben? Meine zu erteilende Unterrichtszeit bleibt doch gleich. Im Gegenteil, wenn ich in der eigenen Klasse weniger Stunden habe, kommt noch eine weitere Fachklasse dazu, das erhöht eher meine Belastung.

Lapislazuli
7 Monate zuvor
Antwortet  Marie

Die Entlastung erfolgt schon alleine dadurch, dass bei weniger Stunden für die Schüler weniger Unterricht vertreten werden muss, der nur wegen des Lehrermangels (nicht wegen Erkrankung) nicht anders besetzt werden kann.

Aber sicherlich ist ja auch angedacht, dass das Stundensoll der Lehrer sinken kann, wenn die Stundentafel gekürzt wird.

Ulrike M.
7 Monate zuvor

In den Schulen findet vieles statt, was nicht unbedingt die Schule machen muss bzw. hochbezahlte Lehrkräfte. Da wird so viel Zeit verbraucht, in der kein Unterricht stattfindet. Beim gemeinsamen Frühstück bei uns gehen z.B. jeden Tag 10 Minuten Unterricht verloren. Das macht 50 Minuten pro Woche. Das macht 40x 50 Minuten pro Schuljahr, also je nach Klassenstufe 1,5 – 2 Wochen Unterrichtszeit.

Dazu kommen dann noch Ausflüge, Wandertage, Klassenfahrten, Projekttage, Studientage, Elternsprechtage… Ist alles schön, aber am Ende fehlt uns um die 1 Monat Unterrichtszeit. Ein ganzer Monat. Das bedenke man mal.

(Ganz abgesehen von dem Unterrichtsausfall wegen Erkrankungen. Der kommt ja noch dazu !!!) So ist dann unter Umständen bis zu 2 Monate vom Schuljahr kein Unterricht erteilt worden!

Haben das wenigstens die Lehrplan-Macher bedacht?

talisman
7 Monate zuvor
Antwortet  Ulrike M.

Ich glaube, es ist sich keiner bewusst, wie viel Unterrichtszeit durch all die von Ihnen genannten Dinge verloren geht.

Unfassbar
7 Monate zuvor
Antwortet  Ulrike M.

Profitipp: Vermeidbaren Unterrichtsausfall kann man vermeiden.

Schwarzwalder
7 Monate zuvor
Antwortet  Ulrike M.

Wenn man das liest, glaubt man es kaum. Ich bin überrascht, aber Sie haben Recht!

Schwarzwalder
7 Monate zuvor
Antwortet  Ulrike M.

In Ihrer Rechnung fehlt Unterrichtszeit, die wegen Unterrichtsstörungen verloren geht. Nehmen wir an, in jeder Stunde 5 Minuten. Dann sind Sie – ich rechne nicht, ich schätze einfach (täglich z.B. 30 Minuten) – bei noch 1 Monat weniger Unterricht pro Schuljahr!

Tigrib
7 Monate zuvor
Antwortet  Schwarzwalder

Nur 5?

Realist
7 Monate zuvor
  • Hat die Bahn nicht genügend Personal, fallen die Züge aus und der Fahrplan wird angepasst.
  • Hat der Handwerker nicht genügend Personal, lehnt er Aufträge ab.
  • Hat das Bauamt nicht genügend Personal, bleiben die Bauanträge liegen und Bauvorhaben des Staates werden auf die lange Bank geschoben.
  • Hat die Bundeswehr nicht genügend Personal, macht sie weniger Auslandseinsätze.
  • Hat das Finanzamt nicht genügend Personal, werden Unternehmen nicht ausreichend geprüft.
  • Haben Krankenhäuser nicht genügend Personal, machen sie ganze Abteilungen dicht und der Rettungswagen fährt zwei Stunden eine Extra-Schleife
  • Hat die Post nicht genügend Personal, hängt an der Filiale ein Schild: “Heute geschlossen wegen Personalmangel”

Nur bei den Lehrern ist alles anders: Haben die Schulen nicht genügend Personal, machen sie Ganztagsschule, Inklusion, individuelle Förderung, Projekte, Klassenfahrten, Berichtstzeugnisse, Tage der offenen Tür, …. und keint Unterricht soll ausfallen. Und das alles ohne Mehrkosten für den Dienstherren. Irgendwie bekloppt…

Bermudadreieck
7 Monate zuvor
Antwortet  Realist

Ihre Rechnung stimmt aber nicht an der Stelle, dass kein Unterricht ausfällt (ausfallen soll), denn es fällt ja Unterricht aus und nicht zu knapp. Ich lese zu NRW: “Der landesweite Unterrichtsausfall im ersten Schulhalbjahr 2018/19 beträgt demnach über alle Schulformen hinweg 4,8 Prozent.” Das klingt eigentlich wenig. Ich glaube es aber nicht. Da wird auch gemauschelt und eine Vertretungsstunde, in der dann nur gespielt wird, ist ja auch nicht wirklich vertretener Unterricht.

ginny92
7 Monate zuvor
Antwortet  Realist

Es ist tatsächlich bekloppt und es wird noch wilder dadurch, dass die Gesellschaft immer „noch mehr“ haben möchten.

potschemutschka
7 Monate zuvor

Wie motiviert man Lehrkräfte und zeigt seine Wertschätzung für die Arbeit an Brennpunktschulen? Der Berliner Senat macht´s vor.
Eine Lehrerin berichtet:
https://www.berliner-zeitung.de/open-source/berliner-lehrerin-wer-bei-der-bildung-kuerzt-spart-auch-an-der-zukunft-li.2291550