Sondervermögen steht! Philologen-Chefin sieht “historische Chance”, die Bildung endlich zukunftsfähig zu machen

11

BERLIN. Das Milliarden-Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur ist beschlossene Sache. Nun geht es darum, wie zusätzliche Mittel konkret verteilt werden – es gibt Vorschläge und Begehrlichkeiten. Die Philologen-Chefin sieht eine «historische Chance», das Bildungssystem auf Vordermann zu bringen.

Plötzlich im Wunderland? Illustration: Shutterstock

Nach dem Bundesratsbeschluss für ein riesiges Finanzpaket werden Forderungen zur Verteilung der Mittel laut. Bildungsverbände schlagen vor, eine feste Summe aus dem neuen Sondervermögen für die Digitalisierung von Kitas, Schulen und Universitäten zu veranschlagen. Der Städtetag rief dazu auf, das Geld aus dem Sondervermögen möglichst schnell und nach einem einfachen Vergabeverfahren an Länder und Kommunen zu verteilen.

Der Hauptgeschäftsführer des Städtetages, Helmut Dedy, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: «Je einfacher das Verfahren ist, desto schneller haben wir das Geld auf der Straße, und die Menschen merken, dass etwas passiert. Das muss oberste Priorität sein.»

«Jetzt ist der Zeitpunkt, um die Bildungsinfrastruktur umfassend zu erneuern und zukunftsfähig zu machen»

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sprach sich im RND und im ZDF-«Heute Journal» dafür aus, die Mittel aus dem Sondervermögen über den sogenannten Königsteiner Schlüssel zu verteilen. Bei dem Verteilschlüssel wird das Steueraufkommen der Länder zweifach, die jeweilige Einwohnerzahl einfach gewertet. Das Verfahren wird häufig bei Bund-Länder-Finanzierungen genutzt.

Nach dem Bundestag hatte am Freitag auch der Bundesrat den Weg für das Finanzpaket frei gemacht, mit dem über neue Schulden Milliardenbeträge in Verteidigung und Infrastruktur investiert werden können. Es wird die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse gelockert für Ausgaben in Verteidigung, Zivilschutz, Nachrichtendienste und Cybersicherheit.

Zudem wird ein Sondervermögen geschaffen, für das die Schuldenbremse nicht gilt und das mit Krediten bis zu 500 Milliarden Euro gefüttert wird. Daraus soll die Instandsetzung der maroden Infrastruktur bezahlt werden. 100 Milliarden Euro sollen an die Länder gehen, weitere 100 Milliarden Euro sollen fest in den Klimaschutz und in den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft fließen. Die Länder dürfen künftig zusammen Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen – das wären in diesem Jahr ungefähr 15 Milliarden Euro. Bisher gilt für die Länder eine Schuldengrenze von null.

Auf das Finanzpaket hatten sich Union, SPD und Grüne nach tagelangem Ringen verständigt. Die Grünen wurden für die Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat gebraucht. Das Gesetz muss jetzt noch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf sein verfassungsgemäßes Zustandekommen geprüft und unterschrieben werden.

«Die digitale Transformation unserer Schulen stockt, weil Bund und Länder sich nicht einigen können»

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Stefan Düll, sprach sich dafür aus, die Mittel für den neuen Digitalpakt für die Schulen auf 10 Milliarden Euro bis 2030 zu verdoppeln, um veraltete Geräte zu ersetzen und laufende Kosten zu finanzieren. «Die digitale Transformation unserer Schulen stockt, weil Bund und Länder sich nicht einigen können», kritisiert Düll. Die bisher geplanten Mittel reichen bei weitem nicht aus, um Schulen flächendeckend mit moderner Technik auszustatten und Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler im Umgang damit zu schulen.

Im Bereich der Digitalisierung ist es ihm zufolge allerdings mit einer einmaligen Investition nicht getan: Geräte müssten regelmäßig ersetzt, Lizenzen verlängert werden, außerdem entstünden Personalkosten für die IT-Administration.

Die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands, Susanne Lin-Klitzing, sprach von einer «historischen Chance»: «Es ist unerlässlich, einen substanziellen Teil des Sondervermögens massiv in Bildung zu investieren, um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu sichern», erklärte sie in einer Pressemittelung.

«Bildung ist unser wichtigstes Gut. Wir haben kein Öl wie Saudi-Arabien, kein Gas wie Russland, wir sind nicht China und nicht Indien. Wenn wir in der Welt der Zukunft bestehen wollen, brauchen wir Menschen mit klugen Ideen. Diese müssen wir exzellent fördern und fordern – und dafür brauchen wir neben guten Konzepten jetzt das in Aussicht gestellte Sondervermögen!», so sagte sie.

Die Bildungseinrichtungen in Deutschland stünden vor massiven Herausforderungen: Der kommunale Investitionsstau in Schulgebäuden belaufe sich auf rund 55 Milliarden Euro, bei Kindertagesstätten auf weitere 13 Milliarden Euro. Eine umfassende Sanierung und Modernisierung der Bildungseinrichtungen seien unumgänglich.

«Jetzt ist der Zeitpunkt, um die Bildungsinfrastruktur umfassend zu erneuern und zukunftsfähig zu machen», so Lin-Klitzing weiter. «Dazu gehört konzeptionell auch eine Verbesserung des Verhältnisses der inneren und äußeren Schulfinanzierung, so dass Bundesgelder endlich auch direkt in Schulen in benachteiligten Kommunen fließen können. Schulbau und Digitalisierung sind hier die ausbaufähigen Kooperationsprojekte, die Schülerinnen und Schüler und ihren Lehrkräften zugutekämen! Denn der Politik ist bewusst, dass ein solches Sondervermögen sehr, sehr wichtig ist, aber das Geld allein nicht alle Herausforderungen im Bildungsbereich lösen wird. Die größte Baustelle bleibt das Problem der strukturell so unterschiedlichen Schulfinanzierung durch Bund, Länder und Kommunen, die Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten zementiert. Hier muss die Politik an nachhaltigen Lösungen arbeiten.»

Weiter sieht der Deutsche Philologenverband (DPhV) die dringende Notwendigkeit, die Mittel gezielt für mehr Chancengerechtigkeit einzusetzen. Dazu gehören Förderprogramme sowohl für benachteiligte Kinder und Jugendliche als auch für neue Exzellenzförderprogramme durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für leistungsorientierte, begabte Schülerinnen und Schüler. Lin-Klitzing: «Der DPhV appelliert eindringlich an die politischen Entscheidungsträger: Nutzen Sie die historische Chance dieses Sondervermögens, um für unsere Schülerinnen und Schüler und ihre Lehrkräfte die Bildungslandschaft in Deutschland nachhaltig an den richtigen Stellen zu stärken und zukunftsfähig zu gestalten!» News4teachers / mit Material der dpa

Kommt jetzt der große Wumms für Kitas und Schulen? VBE-Chef Brand warnt die Politik vor “Projektitis”

Anzeige

Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

11 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Rainer Zufall
6 Monate zuvor

Ich kann die Zuversicht nicht teilen.
Woher nehmen die Betroffenen die Annahme, die Kultusministerien würden dieses Mal besser arbeiten?
Werden zusätzliche Stellen durch dieses Gekd dauerhaft finanziert?
Bedeuten mehr iPads irgendeine Entlastung bezüglich des Lehrkräftemangels?

Wir hatten keinen Plan, jetzt haben wir Geld und keinen Plan -__-

447
6 Monate zuvor

Ich glaube an solche Nachrichten wenn…

– die Handwerker die neuen Fliesenspiegel und dichte Toiletten in meiner Schule installiert haben…und keine Sekunde früher.

– kaputtgetretene Türen erneuert eingehängt wurden…und keine Sekunde früher

– an meiner Schule das WLAN immer und schnell (!) funktioniert, weil gute Kabel, gute accesspoints und eine richtige Leitung anliegen…und keine Sekunde früher

– die bisher mühsam geretteten, immer wieder zur Diskussion stehenden Schulsozialarbeiterstellen permanente Stellen geworden sind …und keine Sekunde früher

– die Geizung im Winter heizt, in allen Räumen…und keine Sekunde früher

Die Sekunden ticken.
Werden zu Minuten, Stunden, Tagen, Wochen…
Scan läuft.

P.S.: …und keine Sekunde früher!

Spirale
6 Monate zuvor

Das Geld sollte zuallererst mal in die Taschen der Bediensteten gehen. Und zwar von Kitas, Schulen und Universitäten.

Wenn ihr Chancengleichheit wollt, dann sorgt für eine Bibliothek und Ruhreraum an jeder Schule für die Schüler. Das genug Ausleihgeräte und IT-Personal zur Verfügung steht.

Carsten
6 Monate zuvor

Die Bildungsinfrastruktur ist “zukunftsfähig”, wenn sie auf eine jetzt schon bekannte Zukunft zugerichtet wird ?

vhh
6 Monate zuvor

Die alten Akteure mit den alten Rezepten. Digitalisierung ist kein neuer Schulansatz, es sind andere Werkzeuge. In die echte Transformation, neue Unterrichtskonzepte, wird kaum ein Gedanke investiert, das entwickeln dann die Lehrer nebenbei, natürlich ohne das laufende Geschäft zu vernachlässigen. Man müsste auch mal an die Lehrpläne, man könnte auch digitale Medien zur Arbeit in schulübergreifenden, virtuellen Gruppen einsetzen, man könnte vieles… Förderung von Kooperation mit ausländischen Schulen? Digitale Projekte zu eigenen Interessen gemeinsam mit französischen und spanischen Schülern? Wirtschaftsverbände, die ihre Mitglieder dabei unterstützen, nicht nur sich selbst auf Ausbildungsmessen zu verkaufen, sondern sich, auch digital, an echter Bildung beteiligen? Neues Geld für Schulträger, aber das Problem bleibt, auch in den schönen renovierten Schulen die Schüler nicht zu erreichen. ‘Mehr Digital’ in der bisherigen Form unterstützt, verstärkt und belohnt nur die bestehende Suchtproblematik; fehlende inhaltliche Arbeit an digitalem Unterricht kritisieren bei uns schon seit Jahren nicht wenige. Der Schulleitung gefallen die ‘neuen Präsentationsformen’ gut, das Niveau des Inhalts hat sich im Vergleich zu früheren Plakaten eher verschlechtert.
Mehr Förderprogramme sind eine lustige Idee, wer genau soll die personell betreuen? Aber es wird sicher eine großartige, befriedigende Aufgabe, diese Programme mit genügend Finanzkraft in wichtigen Arbeitsgruppen entwickeln zu dürfen.

447
6 Monate zuvor
Antwortet  vhh

Ich wäre schon über funktionierende Fenster, Heizungen, Decken, Türen froh.

Lera
6 Monate zuvor

Tablets und Beton sind Bildungsinvestitionen.

Schau an.

Ein Lehrassistent pro Lehrer (—> durchgängig e Doppelbesetzung) wäre hingegen eine konsumtive Ausgabe.

Überhaupt: Menschliche Arbeit ist per Definition immer Konsum.

Joah. Die IT- und Bauindustrie wird es freuen.

Mit ein bisschen Glück wird beim Verballern der Kohle an der ein oder anderen Stelle etwas PÄDAGOGISCH Sinnvolles gekauft/gebaut.

Da die Strukturen der Vergabe und Beschaffung jedoch genauso sch… bleiben, wie sie eben sind, ist damit nicht zu rechnen.

Beim Digitalpakt hat man uns ungefragt ein halbes Tablet pro Kind (ohne nennenswerten Speicher, dafür aber auch ohne jegliche Anwendung) sowie ein Smartboard vor die Füße gekippt. Dazu funktionierendes WLAN, aber kein Netzwerk, kein Server, kein Intranet.

Beim Ganztagsausbau werden schicke „Mensen“ aus Glas hingestellt, in denen dann ein Mal am Tag für maximal 45 Minuten geliefertes Essen verzehrt wird.

Alles total sinnvoll investiert!

Bitte so weiter machen, das örtliche Bauunternehmen braucht noch Aufträge – und darum geht’s doch bei der Bildung, oder?

Realist
6 Monate zuvor
Antwortet  Lera

Ein Lehrassistent pro Lehrer (—> durchgängig e Doppelbesetzung) wäre hingegen eine konsumtive Ausgabe.”

Wenn man den “Lehrassistenten” nicht direkt einstellt, sondern zum dreifachen Preis bei einer externen Firma (die diesen beschäftigt) die Dienstleistung “Assistenz beim Unterrichten” einkauft, ist das durchaus als Sachinvestition verbuchbar.

Ist im IT-Bereich im öffentlichen Dienst gang und gäbe.

447
6 Monate zuvor
Antwortet  Realist

In anderen Ländern wird eben im Restaurant noch diskret eine gut gepolsterte, geschmackvolle Ledermappe übergeben – das hat wenigstens Stil und es ist klar, wer wen bezahlt…

447
6 Monate zuvor
Antwortet  Lera

1) Strukturen nicht ändern – sowas “populistisches” machen wir in Schland nicht.

2) Eeeeeeeerrstmal alles überprüfen, beantragen, verwalten, zurückschicken, gegenzeichnen, brandschutzbeurteilen, TÜV-zertifizieren und evaluieren…wenn dann noch immer was gemacht werden müsste (also in 5-10 Jahren, bis dahin stauen sich dann die nächsten Probleme an und der Kreislauf beginnt von vorne): “Gelder nicht abgerufen!”-Karte ziehen.

3) Nächster und letzter Schritt: Mehr Fantastilliarden abkippen, meeeeeeeaaahhr!
Diesmal aber so richtig!

ginny92
6 Monate zuvor

Ich sehe es wie die meisten die hier kommentieren, es muss dringend mehr als nur ein bisschen Geld geben. Es muss pädagogisch Sinnvoll eingesetzt werden können. Es müsste möglich sein damit Stellen zu schaffen und aus zu bauen etc.
Allerdings muss ich sagen so ein sanierte und modernisierte Schultoilette mit warm Wasser und Seife, wäre doch zumindest ein guter Anfang das man überhaupt sieht das etwas passiert.