Warnstreik trotz Abi – GEW und Bildungssenatorin liefern sich offenen Schlagabtausch

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BERLIN. Während in Berlin zentrale Prüfungen laufen, ruft die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin zum dreitägigen Warnstreik auf. Kritik am Zeitpunkt kommt von der Bildungssenatorin. Die Gewerkschaft sieht sich trotzdem im Recht: „Der Skandal sind […] die Zustände an den Schulen.“

Ring frei: Die GEW Berlin kontert die Kritik der Berliner Schulsenatorin am Zeitpunkt ihres heute beginnenden Warnstreiks. Illustration: Shutterstock

Berlins Bildungs- und Schulsenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) hat den heute beginnenden dreitägigen Warnstreik der Lehrergewerkschaft GEW kritisiert. Weil derzeit Abiturprüfungen und Prüfungen für den Mittleren Schulabschluss (MSA) anstehen würden, lasse die Gewerkschaft Verantwortungsbewusstsein und Sensibilität vermissen, sagte sie im RBB-Inforadio.

„Es geht um jahrelange strukturelle Missstände“

Nicht überraschend: Die GEW teilt diese Einschätzung nicht – und kontert mit einer Pressemitteilung. Darin erklärt Gökhan Akgün, Vorsitzender der GEW Berlin: „Verantwortungslos ist nicht unser Streik, sondern die Verweigerungshaltung der Bildungsverwaltung. Seit Jahren arbeiten unsere Kolleg*innen am Limit – doch der Senat ignoriert Vorschläge, sagt Gespräche ab und bleibt stumm. Über zahlreiche Streiktage hinweg haben wir für echte Entlastung, kleinere Klassen und faire Bedingungen gekämpft – ohne Antwort.“

Die Gewerkschaft kritisiert scharf, dass nun der Streiktermin im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte stehe statt der Ursache. „Es geht nicht um einen einzelnen Tag – es geht um jahrelange strukturelle Missstände. Der Skandal sind nicht die Streiktage, sondern die Zustände in unseren Schulen“, so Vorsitzender Akgün. Bereits die Ergebnisse der Arbeitsbelastungsstudie hätten eindrucksvoll belegt, dass die Beschäftigten unter enormem Druck stehen. Die bald erscheinende Arbeitszeitstudie werde voraussichtlich ebenfalls auf einen klaren Handlungsbedarf hinweisen, heißt es in der Pressemitteilung. „Wir liefern seit Monaten harte Daten. Doch der Senat reagiert nicht. Stattdessen erleben wir, dass Beschäftigte durch die bestehenden Bedingungen immer weiter zermürbt werden“, so Martina Regulin, Berliner GEW-Vorsitzende.

Kein flächendeckender Unterrichtsausfall zu erwarten

Um den Druck auf den Senat zu erhöhen hat die GEW die Beschäftigten an Schulen ab dem heutigen Dienstag bis Donnerstag zu einem dreitägigen Warnstreik aufgerufen. Das betrifft Lehrkräfte und auch Erzieher:innen, Sozialpädagogen oder Schulpsychologinnen. Der angekündigte Zeitraum betrifft unter anderem die Abiturprüfungen in Französisch sowie die MSA-Prüfungen in Mathematik.

Nach den Erfahrungen früherer Warnstreiks droht allerdings kein flächendeckender Unterrichtsausfall. Denn an solchen Arbeitsniederlegungen hatte sich zuletzt ein immer kleinerer Teil der angestellten Lehrkräfte beteiligt. Folgten beim Warnstreik im Oktober 2023 nach Gewerkschaftsangaben noch rund 3.300 Lehrer*innen sowie Sozialpädagog*innen dem damaligen Warnstreikaufruf der GEW, waren es im Dezember 2025 nur noch rund 2.000 Schulbeschäftigte. Hinzu kommt, dass verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer ohnehin nicht streiken dürfen. Die Senatsbildungsverwaltung will zudem gemeinsam mit den Schulen dafür sorgen, dass die zentralen Abiturprüfungen in Französisch sowie die MSA-Prüfungen in Mathematik trotzdem unter verlässlichen Bedingungen planmäßig stattfinden.

GEW beißt mit Forderungen seit Jahren auf Granit

Zum Hintergrund: Die GEW fordert seit rund vier Jahren einen sogenannten Tarifvertrag Gesundheitsschutz, der kleinere Klassen und andere Entlastungen für Beschäftigte umfasst. Immer wieder organisierte die Gewerkschaft seither Warnstreiks, um auf Anliegen aufmerksam zu machen.

Sie biss damit beim Senat allerdings auf Granit. Dieser vertritt den Standpunkt, Berlin könne nicht über derartige tarifvertragliche Festlegungen verhandeln, weil das Land Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) sei. Berlin könne hier keinen Alleingang machen, die TdL müsse über solche Vorhaben entscheiden.

Diese Argumentation übernahm zuletzt auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) und erteilte dem aktuellen Streikaufruf eine Absage (News4teachers berichtete). „Sollte diesbezüglich eine tarifvertragliche Regelung mit dem Land Berlin und der GEW zustande kommen, hätte das den Ausschluss Berlins aus der Tarifgemeinschaft der Länder zufolge. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wären dann künftig der Haushaltslage Berlins hilflos ausgeliefert“, so heißt es zur Begründung. Darüber hinaus bestehe für den noch laufenden Tarifvertrag eine Friedenspflicht, sodass der Streikaufruf auch rechtlich problematisch sei.

Problem Lehrkräftemangel

Für kleinere Klassen wären mehr Lehrkräfte nötig. In Berlin – wie auch in anderen Bundesländern – herrscht Lehrkräftemangel. Der wiederum ist die Ursache dafür, dass sich nicht wenige Beschäftigte an Schulen überlastet fühlen. Tatsächlich müsse man darüber reden, wie man Lehrer entlasten könne, sagte die Senatorin im RBB-Inforadio. Aber die Forderungen der Gewerkschaft seien derzeit realitätsfern. Der Beruf und das entsprechende Studium müssten wieder attraktiver werden. News4teachers / mit Material der dpa

GEW ruft zum Schulstreik in der Prüfungsphase auf – verantwortungslos?

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Realist
4 Monate zuvor

Auf der einen Seite will die “Mehrheit der Bevölkerung” den Lehrkräften den Beamtenstatus und die Pensionen nehmen, auf der anderen Seite wird dann herumgeheult, wenn die angestellten Lehrkräfte streiken.

“Rechtlose Knechte” sollen wohl in Zukunft die nachfolgenden Generationen unterrichten.

Gen Z: Aufgepasst!

Ceterumcenseo
4 Monate zuvor
Antwortet  Realist

Genau so ist es. Deshalb macht mal und streicht die Pensionen und Verbeamtungen. Neue Fachkräfte werden in Scharen kommen und Deutschland wird zur Bildungsrepublik Nummer 1 auf der Welt. :-/
Die Arbeitsbelastungen und -Verdichtungen wurden in den letzten Jahren stetig erhöht, ohne irgendwelchen Ausgleich. Stichwort: Zeitraum der Abikorrekturen (zweit) von ehemals 3 Wochen auf 1 Woche zusammengestaucht usw.
Einige würden deshalb streiken, wenn sie könnten/dürften. Aber klar vermeintlich, neidvolle Vorteile des Beamtentums sollen abgeschafft werden, aber die aus Sicht der Arbeitnehmer bestehenden Nachteile sollen doch Bitteschön bestehen bleiben…

Nanu
4 Monate zuvor
Antwortet  Realist

Aha, dann sind also alle Arbeiter und Angestellten “rechtlose Knechte”? Immerhin habe die die stärkste Waffe im Arbeitskampf für sich: den Arbeitsausstand. Als Beamter hat man das nicht. Ist man dann als Beamter nicht eher ein “rechtloser Knecht” seines Dienstherrn?

Was Sie meinen ist wohl eher “Unprivilegierte Angestellte” sollen wohl in Zukunft die nachfolgenden Generationen unterrichten. Unprivilegierte, aber kraftvolle, weil “streikfähige” Angestellte!

Kolumbus
4 Monate zuvor

Wenn weniger teilnehmen, ist der Druck gering. Dann sagen die nicht Teilnehmenden auch noch, es bringt nichts. Ist das nicht absurd?

Kolumbus
4 Monate zuvor

Günther-Wünsch hat alle nicht verbeamteten Lehrer in Berlin hinters Licht geführt. Es ist mir vollkommen schnuppe, was die von dem Streiktermin hält. Ehrliche Politik geht anders, CDU!

Kleine weiße Friedenstaube
4 Monate zuvor
Antwortet  Kolumbus

Ich würde sogar so sagen, alle, die sich nicht am Streik beteiligen, unterstützen damit die Ungleichbehandlung der Angestellten gegenüber den Beamten und das gebrochene Wahlversprechen der CDU Berlin diesbezüglich, denn das ist ihnen ja offensichtlich egal. Man ist sich selbst der Nächste. Wie immer. Kollegialität sieht anders aus.

sagenHAFT
4 Monate zuvor

Etwa 1350 Lehrer neben 750 anderen nahmen heute teil. Das ist quotenmäßig gar nicht weniger als früher. Von den nun etw 8000 angestellten Lehrern in Berlin sind das wieder rund 15 Prozent.

https://www.tagesspiegel.de/berlin/eskalierende-arbeitsbelastung-berliner-gewerkschaft-rechtfertigt-streik-am-prufungstag-13680835.html

Nanu
4 Monate zuvor
Antwortet  sagenHAFT

Interessant. Von den seinerzeit über 20.000 angestellten Lehrern in Berlin waren es auch etwa 15%, die sich an den Streiks beteiligten. Ein Sinken der Streikbereitschaft ist also gar nicht festzustellen, aber hoch war die Quote anscheinend nie.

Warum mach(t)en 85% nicht mit? Auch bei Gehaltsforderungen? Ablehnen tut doch auch keiner das Gehaltsplus, das es dann immer auch gibt (nur meckern, es sei zu wenig mehr).

Silberfischchen
4 Monate zuvor
Antwortet  sagenHAFT

Das stimmt. Die Streikbereitschaft unter Lehrern war immer enttäuschend mau (obwohl keiner von ihnen die Ergebnisse nicht haben will). Gesunken ist sie aber offensichtlich nicht. Die GEW sollte sich darauf fokussieren, die Streikbereitschaft unter den 8000 angestellten Lehrern zu erhöhen. Nächstes Ziel: 25%. Das müsste doch möglich sein.

Grund gibt es ja genug. Die wegen Alters nicht verbeamteten Lehrer warten immer noch auf den versprochenen verbesserten Nachteilsausgleich. Den freiwillig nicht verbeamteten Lehrern ist sogar die Mini-Ausgleichszahlung wieder gestrichen worden. Es haben also 8000 Lehrer in Berlin einen Grund, nicht zur Arbeit zu gehen.

Und die Beamten unterstützen ja vielleicht. Sie brauchen ja die streikbereiten angestellten Lehrer in den Tarifverhandlungen um Gehaltserhöhungen auch.

unverzagte
4 Monate zuvor
Antwortet  Silberfischchen

Bitte konkret zwecks allgemeiner Verständlichkeit : W e r genau soll w a s tun ?
“Die” GEW sind hoffentlich auch SIE…unmöglich ?
Mit Abwarten ist es jedenfalls nicht getan.
Beamt*innen unterstützen selbstverständlich, geht hier nicht nur ums Geld.

dickebank
4 Monate zuvor

Ich vermute einmal, dass die streikbereiten Kolleg*innen bereits ihr Abi haben, folglich ist der Streikzeitraum doch irrelevant.

Vierblättriges Kleeblatt
4 Monate zuvor

Aus dem Berliner Tagesspiegel:
Wenn das so weitergeht, braucht man bald eine Lupe, um die Streikenden ausfindig zu machen: Nur noch vier Prozent der Berliner Lehrkräfte waren am Dienstag bereit, sich am Arbeitskampf für kleinere Klassen zu beteiligen. In absoluten Zahlen: 1350 von 36.300. … Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die Hälfte der Lehrkräfte inzwischen wieder verbeamtet ist und nicht streiken darf.

So sehen Falschdarstellungen aus. Bis zuletzt war fast die Hälfte der Berliner Lehrer verbeamtet, denn früher wurde auch in Berlin verbeamtet, sogar als alle anderen ostdeutschen Bundesländer dies nicht taten. JETZT sind wieder die meisten Berliner Lehrer verbeamtet, nämlich grob geschätzt 70%.

Wer verbeamtet ist, darf nicht streiken. Riskiert aber zunächst maximal eine Abmahnung + Gehaltsausfall. Es ist unredlich, die 1350 streikenden Lehrer anzurechnen auf Angestellte und Beamte. Man kann sie nur auf die angestellten Lehrer anrechnen. Das sind ungefähr noch 8000. Richtig, das sind dann ungefähr 15% Streikende.

8000 Lehrer könnten die Schullandschaft immer noch lahmlegen! Vielleicht sind andere Formen als Kundgebungen und Demonstrationen angesichts der neuen Situation angebrachter? Es müssen ja nicht gleich Straßenbarrikaden sein. 😉

1350 E-Mails/Briefe/Eingaben/Überlastungsanzeigen á la “Mir reichts!” (?) Da machen dann bestimmt noch mehr mit. Am besten in einer Form, die beantwortet werden muss, denn Behörden sind ja dazu verpflichtet. Als Teil eines Streiks. Anstelle einer Demo.

sagenHAFT
4 Monate zuvor

Ja, es sollte darüber nachgedacht werden, welche anderen Formen außer Demos besser zu dem Umstand passen, dass nur noch wenige teilnehmen (können). Viele Beamte unterstützen ja den Streik und die Forderungen eigentlich. Es entsteht ein falsches Bild, wenn man nur auf die Teilnahme an den Demos schaut. Aber das ist nunmal das, was die Öffentlichkeit wahrnimmt.

Hans Malz
4 Monate zuvor

Also ich finde, dass nur in den Ferien gestreikt werden sollte. Aber dann richtig.
Die GEW wird mir bei solchen Meldungen ja richtig sympatisch.