MINT-Förderung: “Der Alltag muss Raum für den Entdeckungsdrang der Kinder lassen”

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BERLIN. Seit fast zwei Jahrzehnten setzt sich die Stiftung Kinder forschen dafür ein, Mädchen und Jungen früh für naturwissenschaftliche, technische und mathematische Zusammenhänge zu begeistern. Vorstand Dr. Tobias Ernst erklärt im Interview, warum frühe MINT-Bildung mehr ist als Zahlen und Formeln – nämlich eine grundlegende Haltung, mit der Kinder ihre Welt entdecken, verstehen und mitgestalten. Er spricht über wirksame pädagogische Ansätze, die Rolle der Sprachförderung, warum der Gender Gap erst später entsteht und was Politik und Gesellschaft tun müssten, um Fachkräfte zu stärken und Chancengerechtigkeit von Anfang an zu ermöglichen.

Früh übt sich… (Symbolfoto.) Foto: Shutterstock

News4teachers: Die Stiftung Kinder forschen engagiert sich seit fast 20 Jahren dafür, Kinder frühzeitig für MINT-Themen zu begeistern. Warum liegt Ihr Fokus ausgerechnet auf dieser jungen Zielgruppe?

Ernst: Unser Ziel ist es, Kinder stark für die Welt von morgen zu machen. Kritisches Denken, Kreativität, die Fähigkeiten zu diskutieren und zusammenzuarbeiten sind gefragt, um die Herausforderungen der Zukunft anzupacken. Mit dem entdeckenden und forschenden Lernen können pädagogische Fach- und Lehrkräfte all das schon früh und gezielt fördern. Gleichzeitig sehen wir in aktuellen Bildungsstudien, wie zuletzt dem IQB-Bildungstrend, dass insbesondere Basiskompetenzen fehlen, welche die weiterführenden Schulen nicht mehr aufholen können. Wir setzen deshalb früher an, um einen Grundstein zu legen und Chancengerechtigkeit von Anfang an voranzutreiben.

News4teachers: Welche Faktoren fördern oder hemmen das Interesse an MINT-Themen in der frühen Kindheit besonders?

Ernst: Wir gehen davon aus, dass Mädchen und Jungen lernende und neugierige Individuen sind. Der Alltag in Kita, Hort oder Schule muss deshalb Raum für den Entdeckungsdrang der Kinder lassen. Nur so haben sie die Chance, ihren Fragen nachzugehen und Lösungen zu finden. Dabei stehen der Prozess und das Interesse im Vordergrund, nicht das Ergebnis, wie es in den klassischen MINT-Fächern ab der Schule der Fall ist. Essenziell ist dafür auch die Sprachfähigkeit der Kinder, denn Fragen stellen und von Entdeckungen erzählen, gelingt nur über Sprache.

 Kuchenbacken ist schon MINT, und zwar direkt aus dem Alltag!“

News4teachers: Wie gelingt es, auch jene Kinder zu erreichen, die zunächst wenig Berührungspunkte oder Interesse an diesen Themen zeigen?

Ernst: Wir denken immer vom Alltag der Kinder aus: Beim Kuchenbacken z. B. müssen Mädchen und Jungen Zutaten abmessen und vermischen, um einen glatten Teig zu erhalten. Was können sie tun, wenn der Teig zu fest oder zu flüssig ist? Haben sie die richtige Mischung gefunden, kommt der Teig in den heißen Ofen, wächst und wird genießbar. Und natürlich muss so ein Kuchen auch in gerechte Stücke geschnitten werden, damit alle etwas abbekommen. All das ist schon MINT, und zwar direkt aus dem Alltag! Genau darum geht es beim entdeckenden und forschenden Lernen: Kinder möchten die Welt verstehen und mitgestalten.

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News4teachers: Welche pädagogischen Ansätze haben sich als besonders wirksam erwiesen, um Kinder spielerisch an komplexe Themen wie Mathematik, Informatik oder Technik heranzuführen? Inwieweit können dabei digitale Medien unterstützen?

Ernst: Als besonders praxisnah und wirksam zeigt sich unser pädagogischer Ansatz, der auf Ko-Konstruktion beruht. Dabei gestalten Kinder und pädagogische Fach- und Lehrkräfte gemeinsam Lernprozesse. Kinder entdecken die Welt im Spiel, im Nachfragen und Ausprobieren. Digitale Medien können Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrkräfte dabei unterstützen und entlasten. Denn richtig eingesetzt, bereichern sie das Lernen in der realen Welt. Ein Beispiel ist unsere neue Kinderwebsite „Crocos Geheimlabor“, entstanden in der Initiative MINT- und Leseförderung mit der Stiftung Lesen. Die Website basiert auf dem Kindermagazin für Grundschulkinder „echt jetzt?“, dessen Inhalte Kinder selbstständig auf der Website entdecken können. Neben vielen Möglichkeiten online forschend zu lernen und zu lesen, erhalten die Kinder auch Forschungsideen, die sie analog umsetzen können.

News4teachers: Welche Rolle spielt die Stiftung Kinder forschen dabei, Zugänge zu diesen Themen für Kinder zu schaffen?

“An Begeisterung mangelt es nicht”: Tobias Ernst. Foto: Die Hoffotografen / Stiftung Kinder forschen

Ernst: Entdeckendes und forschendes Lernen braucht qualifiziertes Fachpersonal. Als größter Fortbildungsanbieter für pädagogische Fach- und Lehrkräfte im Bereich der frühen MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung setzen wir uns dafür ein. In unserer Bildungsinitiative arbeiten wir deutschlandweit mit 185 Netzwerkpartnern zusammen, die unsere Fortbildungen in ihrer Region anbieten. Damit haben wir bisher 94.000 pädagogische Fach- und Lehrkräfte erreicht, die nun in ihren Bildungseinrichtungen qualifiziert mit Kindern entdecken und forschen. Insgesamt profitieren davon 3,4 Millionen Kinder. Außerdem zertifizieren wir Bildungseinrichtungen, die unseren pädagogischen Ansatz verfolgen und regelmäßig unsere Fortbildungen besuchen. Bundesweit haben wir so über 6.300 Kitas, Horte und Grundschulen als „Häuser, in denen Kinder forschen“ zertifiziert.

 An Begeisterung für MINT-Themen mangelt es Kindern unabhängig des Geschlechts nicht“

News4teachers: Auf beruflicher Ebene sind Frauen im MINT-Bereich immer noch in der Minderheit. Was braucht es, um Mädchen und Jungen gleichermaßen für MINT-Themen zu begeistern?

Ernst: Die gute Nachricht ist: An Begeisterung für MINT-Themen mangelt es Kindern unabhängig des Geschlechts nicht. Wir wissen aber, dass Mädchen schon früh Vorurteilen begegnen, die sie auf dem ganzen Bildungsweg und im Berufsleben begleiten. Und dieses Problem haben wir nicht nur in Deutschland. Eine Studie aus Frankreich aus diesem Jahr, erschienen in der „Nature“, zeigte beispielsweise, dass sich der Gender Gap in Bezug auf die Leistungen in Mathematik erst im Laufe der Grundschulzeit entwickelt – vorher, in der Kita, gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Durch unsere Angebote ermutigen wir Fachkräfte in frühen Bildungseinrichtungen in der MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung. Sie sind der Schlüssel dafür, Mädchen und Jungen gleichermaßen zu fördern und insbesondere Mädchen in ihrem Interesse zu bestärken.

News4teachers: Wie können pädagogische Fachkräfte und Lehrkräfte unterstützt werden, um MINT und Nachhaltigkeit aktiv in den Alltag einzubinden?

Ernst: Wir erleben oft, dass gerade pädagogische Fachkräfte Berührungsängste mit MINT-Bildung haben. Das kann zum Beispiel an eigenen Erfahrungen aus der Schule liegen. Deshalb brechen wir diese Vorerfahrungen bewusst auf und zeigen in unseren Fortbildungen, wie viel MINT und Nachhaltigkeit eigentlich im Alltag stecken. Es kann helfen, ein Thema zum Anlass zu nehmen, wie wir es jedes Jahr mit unserer Aktion MINTmachtage machen. In diesem Jahr haben wir uns beispielsweise der Zukunftsenergie gewidmet. Einrichtungen haben von uns Praxisideen und Fortbildungen erhalten, wie Kinder verschiedene Energieformen und -ressourcen erforschen können. Das haben sie wunderbar umgesetzt, Kettenreaktionen gebaut, kleine Solaranlagen getestet, einen Tag lang ohne Strom gelebt oder entdeckt, wie viel Energie im eigenen Körper steckt. Das ist eine große Stärke der MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung: Sie macht komplexe Phänomene erlebbar.

News4teachers: Welche Trends oder wissenschaftlichen Erkenntnisse beeinflussen aktuell die Arbeit der Stiftung?

Ernst: MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung fördert das Sprechen: Kinder beschreiben Entdeckungen, diskutieren, handeln Lösungen aus. Und die Sprachfähigkeit von Kindern wird aktuell stark diskutiert. Deshalb denken wir die Sprachentwicklung von Mädchen und Jungen in unseren Angeboten stets mit. Sie ist ein fundamentaler Teil des entdeckenden und forschenden Lernens, z.B. in der Art, wie pädagogische Fach- und Lehrkräfte Fragen stellen: Kannst du beschreiben, was du hier entdeckt hast? Was glaubst du, wie das funktioniert? Solche offenen Fragen bestärken Kinder darin, sich auszudrücken. Darüber hinaus sehen wir durch das entdeckende und forschende Lernen auch einen geeigneten Ansatz, um wichtige Selbstregulationskompetenzen bei Kindern zu fördern. Durch gezielte Begleitung und passende Lernsituationen lernen die Kinder, ihre Gedanken, Gefühle sowie ihr Verhalten zu regulieren – eine Fähigkeit, die sie durchs ganze Leben trägt und die wir daher frühzeitig stärken wollen.

News4teachers: Was wünschen Sie sich von Politik und Gesellschaft, um die Förderung von MINT-Interessen bei Kindern weiter voranzubringen?

Ernst: Um MINT-Bildung für nachhaltige Entwicklung zu erleben, benötigen Kinder Fachkräfte in den Bildungseinrichtungen, die sie dabei begleiten. Damit meine ich Zeit, Fortbildungsmöglichkeiten und Räumlichkeiten, welche den Erzieherinnen und Erziehern sowie Lehrkräften zur Verfügung stehen. Wir sehen, wie viele engagierte Menschen in den von uns zertifizierten Einrichtungen arbeiten und tagtäglich auf die Fragen und die Neugierde der Mädchen und Jungen eingehen. Sie investieren sich voll und ganz in die Zukunft dieses Landes. Dafür wünsche ich mir die verdiente Anerkennung der Gesellschaft und gleichermaßen Investitionen von Seiten der Politik, um die frühe Bildung insbesondere im MINT-Bereich zu stärken und alle Kinder stark für die Welt von morgen zu machen. News4teachers / Anna Hückelheim führte das Interview

Hier geht es zu allen Beiträgen des News4teachers-Themenmonats “Mission MINT”.  

„Wollen nicht auf den nächsten PISA-Schock warten“ – Wie eine Schule MINT und KI erlebbar macht (und damit Erfolge feiert)

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