Bildungspläne im Südwesten müssen verbessert werden – erstmals mit Handwerkszeug zu Individueller Förderung

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STUTTGART. Mehr als 200 Lehrer und Wissenschaftler zerbrechen sich die Köpfe darüber, was Kinder und Jugendliche können müssen. Ihre Ergebnisse fließen in die neuen Bildungspläne ein – doch manchem sind diese zu abstrakt. Deshalb muss nachbessert werden.

Die Lehrer im Südwesten müssen länger auf ihr neues Handwerkszeug für eine stärkere individuelle Förderung der Schüler warten. Kultusminister Andreas Stoch (SPD) kündigte am Donnerstag an, die neuen Bildungspläne nach Problemen im Praxistest ein Jahr später einzuführen. «Das Ziel ist nicht, die Bildungspläne möglichst schnell zu erarbeiten, sondern möglichst gut», sagte er am Donnerstag in Stuttgart. Die Erprobung an den Schulen werde ausgeweitet und die Fortbildung der Lehrer verstärkt. Der Startschuss für die reguläre Nutzung der Pläne soll deshalb erst im Schuljahr 2016/17 fallen.

Mit dem gemeinsamen Bildungsplan für die weiterführenden Schulen außer Gymnasien betritt Baden-Württemberg nach Angaben des Ministeriums Neuland. Erstmals können Lehrer die Kinder unabhängig von der Schulart auf drei verschiedenen Niveaustufen – von grundlegend bis gymnasial – fördern.

Das achtjährige Gymnasium bekommt einen eigenen Bildungsplan, der ohnehin erst 2016 in Kraft treten sollte. Die Opposition und die Regierungsfraktionen begrüßten den Schritt. Dabei monierten FDP und CDU allerdings, dass Stoch die «Notbremse» viel zu spät ziehe. «Kultusminister Stoch hat nun endlich erkannt, dass er mit der bisherigen Bildungsplanarbeit gegen die Wand gefahren ist und muss nun die Reißleine ziehen», meinte Georg Wacker (CDU). FDP-Bildungspolitiker Timm Kern forderte den Minister auf, den Bildungsplan weniger ideologiebehaftet zu gestalten.

Die Praktiker hatten laut Stoch unterschiedliche Rückmeldungen gegeben. Die sogenannten Niveaustufen seien positiv beurteilt worden. Sie sollen den Lehrern dabei helfen, mit unterschiedlichen Begabungen und Fähigkeiten der Schüler umzugehen. Zudem solle die Durchlässigkeit zwischen den Schularten verbessert werden. Die Lehrer kritisierten aber auch eine zu wissenschaftliche Sprache der Bildungspläne.

Die Bildungsgewerkschaft GEW begrüßte, dass im Gegensatz zur Reform 2004 die Erfahrungen aus den Erprobungsschulen berücksichtigt werden. Im Vergleich zu seinem Vorgänger soll der neue Bildungsplan noch stringenter den Schwerpunkt auf die zu erwerbenden Kompetenzen der Schüler legen – und nicht auf die bloße Vermittlung von Inhalten.

Für eine erfolgreiche Einführung der Pläne soll der im laufenden Schuljahr begonnene Praxistest an den 20 Grundschulen verlängert werden; die 39 beteiligten weiterführenden Schulen sollen die Bildungspläne nicht nur in den Klassen fünf und sechs, sondern auch in den Klassen sieben und acht erproben. Hinzu kommen 40 Gymnasien und eventuell weitere Erprobungsschulen.

Ein Konzept mit externen und internen Schulungen soll die Lehrkräfte darauf vorbereiten, die Pläne zu nutzen. Für die um ein Jahr verlängerte Arbeit der Fachleute in den Bildungsplankommissionen veranschlagt Stoch 300 000 Euro, für die Fortbildungsoffensive 50 bis 60 zusätzliche Deputate. Dieser Aufwand sei «verantwortbar». Die Gesamtkosten für die Ausarbeitung der Bildungspläne bezifferte er auf 300 Deputate oder rund 15 Millionen Euro.

Die neuen Bildungspläne hatten kürzlich für Diskussionen gesorgt, nachdem der darin enthaltene Appell für Akzeptanz sexueller Vielfalt kritisiert worden war. Das Kultusministerium hatte diesen dann in einen neuen Grundsatz «Akzeptanz von Vielfalt» – darunter auch ethnische, religiöse oder kulturelle – eingebettet. Wacker empfahl, alle sogenannten Leitperspektiven zu streichen. Ohne diesen «Bildungsplan über dem Bildungsplan» würden die Pläne verständlicher. dpa

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