Widerstand gegen niedersächsische Schulgesetznovelle

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HANNOVER. Die niedersächsische Schulgesetznovelle wird nach Ansicht des Verbandes Niedersächsischer Lehrkräfte und des Philologenverbands nicht zur Beruhigung der Schullandschaft beitragen. „Mit der Schulgesetznovelle kehrt Rot-Grün zu einer Ideologisierung der Schulpolitik zurück und stürzt das Land in neue Schulkämpfe“, sagt der Vorsitzende des Philologenverbandes Niedersachsen, Horst Audritz, in einer Stellungnahme zum Gesetzentwurf.

Die Bestimmung, dass die integrierte Gesamtschule künftig alle anderen Schulformen, insbesondere auch die Gymnasien in einer Region ersetzen könne, gefährde die Existenz zahlreicher Gymnasien. Der Staatssekretär im Kultusministerium habe dies im letzten Jahr ganz offen bestätigt, als er sagte, dass es bald an einigen Standorten nicht mehr drei, sondern nur noch ein Kreisgymnasium geben werde. Im Übrigen zeige ein Blick in die schulpolitischen Programme von SPD und Grünen, dass diese Parteien nach wie vor die Gesamtschule als einzige Schulform anstrebten. Dazu passe auch die für das nächste Jahr vorgesehene Abschaffung der Gymnasiallehrerausbildung.

Gesamtschule
Gibt es in Niedersachsen in Zukunft nur noch Gesamtschulen? Niedersachsens Philologenverband und der Verband Niedersächsischer Lehrkräfte fürchten um das vielgliedrige Schulsystem des Landes. Foto: EnergieAgentur.NRW / Flickr (CC BY 2.0)

Die geplante Möglichkeit, Grundschulen und integrierte Gesamtschulen zu einer Schule zusammenzufassen, sei, so Audritz, eine weitere trickreiche Maßnahme, um die Gymnasien zu schwächen beziehungsweise deren Schließung gezielt herbeizuführen. Sie sei pädagogisch nicht begründbar, sondern diene einzig und allein dem Zweck, Grundschüler und ihre Eltern bei der Wahl der weiterführenden Schule in Richtung Integrierte Gesamtschule (IGS) zu lenken und die Gymnasien auf diese Weise „auszutrocknen“. Dies werde insbesondere dort möglich sein, wo Gymnasien nur noch in „zumutbarer Entfernung“, das heißt mit einem Fahraufwand von zwei Stunden täglich zu erreichen seien.

Die Behauptung, es gehe nur um die Gleichberechtigung der IGS mit anderen Schulformen weist Audritz zurück. Wenn eine Schulform alle anderen ersetzen könne, dann habe das mit Gleichberechtigung und einem fairen Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Bildungsangeboten nichts mehr zu tun. Die Absicht, die Gymnasien mit der Waffen der Schulgesetzänderung zurückzudrängen und teilweise gymnasialfreie Zonen zu schaffen, sei so offensichtlich, dass alle anders lautenden Beteuerungen nur als eine dreiste Täuschung der Öffentlichkeit bewertet werden könnten. Gegen die Umgestaltung der Schullandschaft in eine Gesamtschul-Monokultur kündigt Audritz harten Widerstand an. „Wir werden vor Ort um die Existenz jedes funktionsfähigen Gymnasiums kämpfen, und wir haben darin mit den Eltern und Schülern der bedrohten Schulen starke Verbündete.“

Ähnlich kritisch bewertet der Vorsitzende des Verbands Niedersächsischer Lehrkräfte (VNL/VDR), Manfred Busch, in einer Stellungnahme den Gesetzesentwurf: „Niedersachsens vielgliedrige Schullandschaft ist durch die vorgesehene Regelung, Gesamtschulen als ersetzende Schulform führen zu können, akut gefährdet. Viele Ober-, Real- und Hauptschulen werden in ihrer Existenz gefährdet sein.“

Der VNL/VDR steht auch weiteren vorgesehenen Regelungen skeptisch bis ablehnend gegenüber: Die Abschaffung der Schullaufbahnempfehlung nach Klasse 4 berge große Gefahren für die schulische Zukunft vieler Schüler. Auch die vorgesehene erschwerte Korrektur der im 5. Schuljahrgang gewählten Schullaufbahn im Sekundar-I-Bereich müsse zum Wohle der Schüler kritisch hinterfragt werden. Scharfe Kritik an diesen Plänen übt auch der Landesvorsitzende des Philologenverbands Audritz. Durch die geplante Abschaffung der Schullaufbahnempfehlung am Ende der Grundschulzeit werde den Schülern und Eltern eine sachgerechte Orientierung über den weiteren Bildungsgang unnötig erschwert. Nunmehr solle die Eignung der Schüler für bestimmte Bildungswege offenbar überhaupt keine Rolle mehr spielen, zumal Rot-Grün auch das Sitzenbleiben und die Überweisung von am Gymnasium überforderten Schülern auf für sie geeignetere Schulformen abschaffen wolle. Anstrengungsbereitschaft und Eigenverantwortung für den Schulerfolg seien für Rot-Grün offenbar unwichtig. Ein Rückgang der Bildungsqualität sei damit vorprogrammiert.

Positiv bewertet Audritz die Rückkehr zur neunjährigen Schulzeit an Gymnasien. Die Landesregierung sei hier den begründeten Forderungen des Philologenverbandes, der Eltern und weiterer Teile der Öffentlichkeit gefolgt, was zu begrüßen sei. Allerdings dürften auch hier bei der Umsetzung durch das Kultusministerium keine Abstriche bei der Bildungsqualität gemacht werden.

Unabhängig vom Gesetzentwurf würden nach Angaben des VNL/VDR „die noch nicht veröffentlichten nachgesetzlichen Regelungen“ interresant. So sei nicht klar, wie die Oberschule sich zukünftig organisieren dürfe, jahrgangsübergreifend oder schulformbezogen oder welche Differenzierungsformen dort noch angeboten werden könnten. So sei auch noch nicht gesagt, ob es am Ende der Grundschulzeit noch Notenzeugnisse geben werde. „Der vorgelegte Entwurf ist nach unserer Ansicht kein Schritt zu gerechteren Bildungschancen und mehr Bildungsteilhabe in Niedersachsen“, so VNL/VDR-Landeschef Busch. „Es gibt noch sehr viel Gesprächs- und Korrekturbedarf. Hoffentlich reicht die Zeit dafür überhaupt aus, denn das neue Schulgesetz soll schon in wenigen Monaten vom Landtag verabschiedet werden, um bereits zum nächsten Schuljahr in Kraft treten zu können. Niedersachsen Schulen stehen unruhige Zeiten bevor.“

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