Arbeitslose Gymnasiallehrer sollen an Grundschulen arbeiten, bevor sie ans Gymnasium dürfen

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DÜSSELDORF. Nordrhein-Westfalen fehlen die Grundschullehrer. Kurzerhand sollen Lehramtsanwärter und arbeitslose Kollegen aus den Gymnasien und Gesamtschulen aushelfen – zeitlich befristet jedenfalls. Schulministerin Gebauer will sie mit einer Einstellungsgarantie locken. Die GEW meint, dass sich damit vor allem Geschichts- und Erdkundelehrer (deren Aussichten, am Gymnasium unterzukommen, immer noch vergleichsweise schlecht sind) anwerben lassen.

Nordrhein-Westfalens neue Schulministerin Yvonne Gebauer will den Unterrichtsausfall an jeder einzelnen Schule öffentlich machen. Foto: Land NRW/R. Sondermann
Wirbt händeringend um Lehrkräfte: Nordrhein-Westfalens neue Schulministerin Yvonne Gebauer. Foto: Land NRW/R. Sondermann

Gymnasial- und Gesamtschullehrer sollen in Nordrhein-Westfalen die Personallücken an Grundschulen füllen. Mehr als 2400 Lehramtsanwärtern und Lehrern der Sekundarstufe II, die noch keine Stelle haben, sei ein vorübergehender Job in Grundschulen angeboten worden, teilte das NRW-Schulministerium am Mittwoch in Düsseldorf mit. An den Grundschulen seien bis Ende August über 900 Stellen unbesetzt geblieben.

«Ich bitte Sie zu prüfen, ob Sie sich zu Beginn Ihres Berufslebens eine zweijährige Tätigkeit an einer Grundschule vorstellen könnten», schrieb Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) an die Lehrer und Lehramtsanwärter. Wer auf das Angebot eingehe, werde sofort in ein Dauerbeschäftigungsverhältnis übernommen, hieß es aus dem Ministerium. Zudem bekomme jeder Lehrer die Zusage, zwei Jahre später an eine Schule der Sekundarstufe II versetzt zu werden.

Um sie auf ihre Tätigkeit an den Grundschulen vorzubereiten, sollen die Lehrer eine entsprechende Qualifizierung erhalten. In insgesamt 60 Wochenstunden werde ihnen berufsbegleitend die Grundschuldidaktik nähergebracht, teilte das Ministerium mit.

Der Elternverein NRW begrüßte den Vorstoß der Schulministerin grundsätzlich. «Die Not muss behoben werden – der Elternverein ist kompromissbereit», sagte die Vorsitzende Regine Schwarzhoff. Der Elternverein fordert zusätzlich eine praktische Begleitung durch Grundschullehrer, zumindest in der Anfangsphase. Außerdem sollte es für die Freiwilligen die Möglichkeit geben, nach einigen Probewochen wieder aufzuhören.

GEW zeigt sich skeptisch

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in NRW plädiert dafür, schon früher mit der Qualifizierung der Lehrer zu beginnen. «Ganz entscheidend ist, dass es die Qualifizierung vor dem Beginn der Zeit an der Grundschule gibt», sagte die Landesvorsitzende Dorothea Schäfer. Allerdings werde das Angebot allein werde das Problem nicht lösen: „Weitere Maßnahmen wie finanzielle Anreize oder ein gut geregelter Seiteneinstieg werden nötig sein.“ Sie sei zudem skeptisch, was die Teilnehmerzahl angeht: „Vermutlich werden es vor allem Geschichts- und Erdkundelehrer sein“ – die hätten auch mit guten Examina schlechte Chancen an Gesamtschulen und Gymnasien, erklärte sie gegenüber der „Rheinischen Post“.

Der Landesverband Bildung und Erziehung fordert ein Maßnahmenpaket von der Landesregierung. Grundschullehrer sollten etwa genauso viel verdienen wie ihre Kollegen an Gymnasien und Gesamtschulen. Die Lehrer würden dadurch eher an der Grundschule bleiben und es gäbe einen Anreiz für künftige Kollegen, sich für die Grundschule zu entscheiden. Der Verbandsvorsitzende Udo Beckmann bezeichnete die Idee der Landesregierung als Notlösung.

Als Ursachen für den Lehrermangel an den Grundschulen nannte das Schulministerium vor allem die verlängerte Ausbildung sowie einen gestiegenen Lehrerbedarf für geflüchtete Kinder und Jugendliche. Gymnasien und Gesamtschulen hätten hingegen insgesamt einen wachsenden Überschuss an Bewerbern zu verzeichnen. dpa

 

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invictus
6 Jahre zuvor

Bekommt man denn eine Garantie, seine Laufbahn im höheren Dienst fortzuführen, oder wird man dann im gehobenen Dienst ans z.B. Gymnasium versetzt?

dickebank
6 Jahre zuvor
Antwortet  invictus

Vorratshaltung.

Es geht doch um etwas vollkommen anderes bei diesem Vorschlag. Derzeit ist absehbar, dass in 2 bis 3 Jahren das G9 wieder vielenorts an den Start geht. Die landesregierung weiß, dass sie zu diesem zeitpunkt keine ausreichende Anzahl an geeigneten und geprüften Bewerbern haben wird. Auf der anderen Seite gibt es derzeit einen Überhang an SekII-Lehrkräften. Um sich diese vorab zu sichern wird denen versprochen sie in 2 bis 3 Jahren unbefristet mit voller Stelle an einem GY unterzubribringen, wenn sie sich entschließen zunächst für die 2 bis 3 Jahre an einer GS zu arbeiten.

Das Problem fehlenden Nachwuchses im Primae- und Sekundarbereich wird also zeitlich nur verschoben. Wenn der Einsatz der SekII-Lehrkräfte an GS zukünftig ausläuft, dann stehen die GS vor den gleichen Stellenbesetzungsproblemen wie derzeit auch. DAs Ganze ist also lediglich ein personeller und haushalterischer Verschiebebahnhof.
Btw. in den Schulen der SekI (HS, RS, SekS, GemS und SekI der GeS) sieht es derzeit personell ja auch nicht viel besser aus. Vertretungsstellen können nicht einmal ohne fachspezifische Ausschreibungen besetzt werden, da keine potentiellen Bewerber zur Verfügung stehen. Der Markt ist leer gefegt.

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  dickebank

an die grundschulkinder denkt wie immer niemand und am im grundschulstress ausgebrannte neulehrer werden billigend in Kauf genommen. man bedenke auch, dass diese Lehrer materialtechnisch am gymnasium wieder von null anfangen müssen, also sechs jahre durchgehend 60 stunden wochen haben.

Ignaz Wrobel
6 Jahre zuvor

Wenn diese Lehrer dann wieder mit Anlaut-Tabellen und Schreiben nach „Gehöa“ im Schüler gesteuerten „Unterricht“ begleitend tätig werden,so wird sich nicht viel ändern und die Ergebnisse werden sich nicht unterscheiden von denen ihrer Grundschulkollegen
Also es erfolgt dann weiter keine Vermittlung automatisierter Lese-und Schreibfähigkeiten.Mit anderen Worten:Es wird keine Veränderung stattfinden, denn schlimmer geht es nicht mehr.

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  Ignaz Wrobel

Wenn die Grundschulen vernünftig sind, werden sie die Gymnasiallehrer (die bekanntermaßen nicht für die Grundschule ausgebildet und nach spätestens 2-3 Jahren wieder weg sind) nur ab Klasse 3 einsetzen, wenn die meisten Schüler zumindest rudimentär Lesen, Schreiben und Rechnen können. Diese Lehrer sind dann dankbar für jedes Material, das sie von der Stammbelegschaft zur Verfügung gestellt bekommt, ohne ein Vermögen für sehr bald nutzloses Material bei den Verlagshäusern zu lassen.

Marie
6 Jahre zuvor

Vielleicht trägt diese Aktion aber auch dazu bei, dass die SEKII-Lehrer mal erleben, das qualitativ guter Grundschulunterricht eben nicht nur „das bisschen Malen und Basteln mit den Primimäusen“ ist… Mir tut es für die betroffenen Grundschulkollegien leid. Klar, personell ist man erst mal wieder besser besetzt, aber genau wie bei den anderen Seiteneinsteigern darf man dann erst mal die Arbeit trotzdem mit machen, um den neuen Kollegen einzuarbeiten und mit Material zu versorgen. Wenn diese Kollegen dann „grundschulfit“ sind – sind 2 Jahre vorbei, die Leute wieder weg und die Schulen fangen von vorn an…