MAINZ. Ein Vertretungslehrer hat Sex mit einem Mädchen, wird aber freigesprochen. Die meisten Länder sind zögerlich, nun gleich das Strafrecht zu ändern. Justizminister Hartloff setzt auf eine Arbeitsgruppe, die bundesweit einen besseren Schutz vor sexuellem Missbrauch prüft.

Nach dem Freispruch für einen Lehrer, der Sex mit einer minderjährigen Schülerin hatte, und einem zweiten vergleichbaren Fall erwartet Rheinland-Pfalz – trotz des Drängens der bayerischen Justizministerin Beate Merk (CSU) – keine sehr rasche Änderung des Strafrechts. «Bei einer Umfrage sah die Mehrheit der Länder nicht einen dringenden Handlungsbedarf für Gesetzesänderungen», sagte Justizminister Jochen Hartloff (SPD) auf Anfrage. Manche Länder hätten gar keine entsprechenden Fälle gekannt.
Dann aber habe die Justizministerkonferenz einmütig die Einsetzung einer Arbeitsgruppe beschlossen, um zu prüfen, wie Schüler besser vor sexuellem Missbrauch geschützt werden könnten. «Es ist sinnvoller, dass Fachleute das ausloten, denn der Teufel steckt im Detail», sagte Hartloff. Die Arbeitsgruppe mit hohen Beamten von Bund und Ländern komme unter der Federführung von Rheinland-Pfalz erstmals am 6. September in Mainz zusammen.
Die Debatte war wegen eines Falls im Kreis Neuwied aufgeflammt. Ein Mann, der dort als Hauptschullehrer arbeitete, wurde 2011 vom Landgericht Koblenz zu zwei Jahren Haft auf Bewährung wegen des Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 22 Fällen verurteilt. Er hatte 2007 ein sexuelles Verhältnis mit einer damals 14-jährigen Schülerin begonnen. Das Oberlandesgericht Koblenz sprach den Mann im Dezember frei. Die Schülerin gehörte nicht unmittelbar zur Klasse des Lehrers.
Ein Prozess in Bochum um einen Lehrer, der ebenfalls Sex mit einer 14-jährigen Schülerin hatte, muss neu aufgerollt werden. Der Bundesgerichtshof hob die Verurteilung des 42-Jährigen zu zwei Jahren Haft auf Bewährung durch das Bochumer Landgericht auf – wie im Fall aus dem Kreis Neuwied war der Lehrer nur Vertretungslehrer des Mädchens gewesen. Deshalb habe kein Obhutsverhältnis bestanden, hieß es.
Hartloff betonte nun, es gehe in der Arbeitsgruppe um eine sehr sorgfältige Prüfung der Rechtslage. Etwaige Neuregelungen dürften keinesfalls zu neuer Rechtsunsicherheit führen. «Es kann auch herauskommen, dass es keine Gesetzesänderung gibt», sagte der Minister. Die Arbeitsgruppe werde nicht nur die Lage an Schulen beleuchten, sondern ebenso beispielsweise die Obhutsverhältnisse von Minderjährigen in Sportvereinen und Hilfsorganisationen.
In Rheinland-Pfalz soll parallel das Schulgesetz verschärft werden. Allen Lehrern wären damit sexuelle Kontakte zu Schülern verboten. Das Kabinett hat den Gesetzentwurf bereits gebilligt. Allerdings geht es nicht um Sanktionen im Beamten- oder Strafrecht – das wäre eine bundesweite Angelegenheit. Der Mainzer Landtag verabschiedete überdies am Donnerstag einstimmig einen Antrag, der die Landesregierung auffordert, das Thema weiter voranzutreiben. JENS ALBES, dpa
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Ein pikantes Thema. Bisher mochte ich mich dazu nicht äußern. Allerdings frage ich mich schon, worum es eigentlich geht? Es geht doch vor allem um die Ausnutzung einer Abhängigkeitskonstellation, die nur dann gegeben ist, wenn ein Lehrer tatsächlich Lehrer in einer Klasse ist, also nicht, wenn der Lehrer überhaupt nicht in dieser Klasse arbeitet. (Natürlich greifen auch in solchen Fällen Gesetze, die Erwachsenen Kindesmissbrauch verbieten. Sowas muss nicht neu geschaffen werden.)
… Allerdings finde ich, dass ein Vertretungslehrer für die Zeit seiner Vertretung dann auch dem “Umstand” unterliegt, dass eine Schülerin sich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihm befindet. Oder wie es in dem Artikel heißt “Obhutsverhältnis”. In dieser Zeit darf das also auch auf keinen Fall passieren.