BERLIN. Im Durchschnitt darf ein Schul- oder Kindergartenessen in Deutschland nicht mehr als 2,50 Euro kosten. Dafür lässt sich vor Ort nicht kochen – zu diesem Preis können nur Großküchen liefern.
Im Burger von Martha Payne liegen eine Frikadelle und runzeliger Käse, als Beilage gibt es Kroketten und drei Gurken. Ein paar Tage später kam gebratener Speck mit einigen Maiskörnchen auf den Tisch. Die Schülerin aus Schottland stellt in ihrem Blog Fotos ihres Schulkantinen-Essens ins Internet – und sorgte damit für eine hitzige Debatte über die Versorgung in Kindergärten und Schulen. Seit der massiven Welle von Magen-Darm-Erkrankungen mit mehr als 9400 Patienten ist auch in Deutschland eine Diskussion über die Qualität des Kita- und Schulessens entfacht.
Reichen 2,50 Euro aus, um ein gutes und kindgerechtes Essen aufzutischen? So viel darf eine Mahlzeit in deutschen Schulen und Kindergärten im Durchschnitt kosten, sagt Mathilde Kersting vom Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund. Der Preis variiert je nach Land oder Kommune. Doch würde mehr Geld auch besseres Essen garantieren? Nicht unbedingt, meint die Expertin.
«Großküchen sind nicht optimal und rund zwei Euro sind sehr sehr knapp», sagt Kersting. Es sei schwierig, in solchen Einrichtungen günstiges und gesundes Essen zu kochen. Für die Zutaten für eine Mahlzeit komme man zwar mit einem Euro aus, aber dazu kommen etwa noch Personal- und Lieferkosten.
Besser gut geschultes Personal?
Würden die Schulen einzeln und vor Ort kochen, sei das nicht nur finanziell kaum zu stemmen. «Auch da ist man nicht sicher, dass es nicht auch mal gesundheitliche Probleme gibt. Es gäbe nur nicht eine solche Masse an Betroffenen», sagt die Kinderernährungs-Expertin. «Mir ist es lieber, dass ich eine größere zentrale Küche habe, in der ich gut geschultes Personal habe, als dass da vor Ort jemand ist, der von Kinderernährung wenig Ahnung hat und nicht gut kochen kann.»
Diana Zeiser ist Erzieherin im Kindergarten St. Marien in Berlin-Zehlendorf. Dort erkrankten vergangene Woche sechs Kinder und ein Erzieher. Das Sodexo-Essen kommt – wie in den anderen betroffenen Berliner Einrichtungen – diese Woche nicht auf den Tisch. «Gestern haben die Eltern etwas mitgegeben, heute machen wir einen Ausflug in den Zoo und essen auswärts», sagt Zeiser. Mit dem Essen habe es bislang nie Probleme gegeben, etwa 1,70 Euro pro Mahlzeit hätten sie gezahlt. «Wir haben eher das Problem, dass es schwer ist, so eine kleine Gruppe wie uns mit nur 15 Kindern zu beliefern», ergänzt die Erzieherin. Kleine Caterer können da beim Preis oft nicht mithalten.
“Eltern würden auch mehr Geld ausgeben”
Die Beiratsvorsitzende der Landeselternvertretung Hessen, Kerstin Geis, meint, neben der Preisdebatte müsse auch eine Bildungsdiskussion geführt werden. «Kinder müssen in der Schule lernen, was eine ausgewogene Ernährung ist», sagt Geis. Die Schulkantinen sollten die Auswahl des Caterers aber nicht nur vom Preis abhängig machen. Viele Eltern würden auch mehr Geld ausgeben, wenn ihre Kinder dafür gesünderes und leckeres Mittagessen auf die Teller bekämen. Sollte Schulessen teurer werden, müssten Schulträger oder Kommune aber sozial schwächere Eltern unterstützen.
«Viele Eltern können oder wollen nicht mehr für die gesunde Verpflegung ihrer Kinder bezahlen. Wir unterstützen darum die Idee eines steuerfinanzierten, kostenfreien Schul- und Kita-Essens», teilten hingegen Elternvertretungen in Chemnitz kurz nach dem massenhaften Ausbruch der Erkrankungen in der vergangenen Woche. Sie plädieren zudem dafür, dass direkt in den Schulen und Kitas gekocht wird.
Ob Spaghetti Bolognese, Fischstäbchen oder Pizza – Essen, das Kindern schmeckt und gesund ist, geht auch zu günstigen Preisen, meint Mathilde Kersting. Aber sie fordert noch mehr von Schul- und Kitaessen: Auf jeden Fall müsse sehr gut auf die Hygiene geachtet werden, «weil Kinder doch empfindlicher sind als Erwachsene». Trotzdem könne immer etwas schiefgehen – zu Hause, im Restaurant oder der Großküche. SOPHIA WEIMER, dpa
(2.10.2012)
Hier gibt es Unterrichtsmaterialien zum Thema “Gesunde Ernährung”.
- Zum Bericht: “Experten melden 10 000 Magen-Darm-Erkrankte – Ursache weiterhin unbekannt”
- Zum Bericht: “Statt Sodexo-Essen: Berliner Eltern sollen ihren Kindern Brote mitgeben”
- Zum Bericht: “Schulessenlieferant Sodexo sucht Ursache der Brechdurchfall-Erkrankungen”
- Zum Bericht: “Brechdurchfall-Welle ebbt ab – Schulen öffnen wieder”
- Zum Bericht: “8000 Kranke durch Schulessen? Behörden ermitteln fieberhaft”
- Zum Bericht: “Schulessen-Skandal? Mehr als 6000 Schüler und Lehrer erkrankt”