Inklusionsgesetz wird verabschiedet, Kostenfrage vertagt

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DÜSSELDORF. Die nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) wird sich noch bis Ende Januar mit einer Kostendebatte zur Inklusion herumschlagen müssen – mindestens. Die Kommunen im Land wollen die Zeche nämlich nicht allein zahlen. Jetzt wird der Konflikt geschoben und ein Arbeitskreis gegründet. Das Gesetz wird aber schon mal verabschiedet – und könnte Klagen nach sich ziehen.

Ihr droht eine Klage der Kommunen: NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann
Ihr droht eine Klage der Kommunen: NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann

 

Die Entscheidung über die Kosten des gemeinsamen Unterrichts von Kindern mit und ohne Behinderung ist einen Tag vor Verabschiedung des Inklusionsgesetzes vertagt worden. Bis Ende Januar sollen die rot-grüne Landesregierung, die Koalitionsfraktionen und die kommunalen Spitzenverbände die Kostenfrage gemeinsam untersuchen. Das haben die Landtagsfraktionen von SPD und Grünen in Düsseldorf beschlossen.

Die Spitzenverbände behalten sich eine Klage vor dem Landesverfassungsgericht ausdrücklich vor. Für sie sei es «der letzte Versuch», mit dem Land zu einer Einigung über die Folgekosten des Gesetzes zu kommen, stellten sie in einer gemeinsamen Erklärung fest.

Aus Sicht der CDU-Opposition sind damit die seit Wochen geführten Gespräche mit den Kommunalvertretern in der Sache gescheitert. FDP-Landtagsfraktionschef Christian Lindner sprach von einem «Formelkompromiss». Die Piraten befürchten «Inklusion nach Kassenlage». Ihre Bildungspolitikerin Monika Pieper kritisierte in einer Mitteilung: «Das ist ein Experiment an den Schülern mit offenem Ausgang.»

Die Landesregierung will ab dem Schuljahr 2014/15 schrittweise einen Rechtsanspruch behinderter Kinder auf Unterricht in einer Regelschule verankern. Die Kommunen sehen Kosten in dreistelliger Millionenhöhe auf sich zukommen und verlangen einen Ausgleich vom Land. Die Schulministerin hält den Anspruch für unbegründet, weil gemeinsamer Unterricht mit Behinderten bereits seit Jahrzehnten von den Kommunen gestaltet werde. «Schon jetzt wird ein Viertel der Kinder mit Behinderungen an Regelschulen unterrichtet», bekräftigte Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen in einer gemeinsamen Erklärung der Koalitionsfraktionen.

Die bisherigen Gespräche mit den Spitzenvertretern der Kommunen brachten keine Annäherung in der Sache. Jetzt wird zumindest mehr Zeit für die Klärung dieser Streitfrage gewonnen. Damit werde die wichtige Aufgabe nicht gleich zu Beginn von einem Rechtsstreit überschattet, sagte der Vorsitzende der SPD-Fraktion Norbert Römer.

Das Gesetz soll nun an diesem Mittwoch mit zwei Änderungen des bisherigen Entwurfs verabschiedet werden: Der gemeinsame Untersuchungsauftrag zu den Folgekosten der Inklusion wird verankert. Dazu kann auch ein Gutachter eingeschaltet werden. Und das Gesetz tritt nicht am Tag nach der Verkündung in Kraft, sondern erst zum nächsten Schuljahr am 1. August 2014.

Von da an haben die Kommunen noch ein Jahr Zeit, um notfalls vor dem Landesverfassungsgericht zu klagen. Bei Gesetzen, die den Kommunen ausgleichspflichtige Kosten aufbürden, muss die Regierung eigentlich schon mit ihrem Entwurf eine Kostenfolgeabschätzung vorlegen.

Die CDU-Landtagsfraktion beschloss unterdessen einen Änderungsantrag zum rot-grünen Gesetzentwurf, der vor allem verbindliche Qualitätsstandards einfordert. Dazu gehöre, dass in einer inklusiven Klasse neben der regulären Lehrkraft ein Sonderpädagoge unterrichte, erläuterte Vizefraktionschef Klaus Kaiser. Er warf der Regierung vor, ihr Gesetz ohne Rücksicht auf die Bedenken der Kommunen und aller Fachleute «durchzukeulen».

Die Landesregierung setzt mit ihrer Schulrechtsänderung die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen um, die in Deutschland bereits 2009 in Kraft getreten ist. Seitdem haben die Länder den Auftrag, das Recht auf Teilhabe Behinderter zu garantieren. dpa

Zum Bericht: „Lindner: Rot-Grün fährt die Inklusion vor die Wand“

 

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