STUTTGART. 11.600 Lehrerstellen will Baden-Württembergs Regierung bis 2020 streichen. Nun sorgt der gerade beim Parteitag als SPD-Landeschef bestätigte Finanzminister Nils Schmid für Irritationen beim Koalitionspartner.
Mit einer stärkeren Schwerpunktsetzung auf Bildungsthemen will SPD-Landeschef und Finanzminister Nils Schmid seine Partei fit für die Landtagswahl 2016 machen. Auf dem Landesparteitag in Reutlingen betonte Schmid, dass Chancengerechtigkeit in der Bildung für die SPD zentral sei. «Bildung hat Vorfahrt.» Er werde nicht zulassen, dass aus der Schuldenbremse eine Chancenbremse werde, sagte er mit Blick auf das Jahr 2020, wenn die Bundesländer keine neuen Schulden mehr aufnehmen dürfen. Mit dem Sparen alleine werde die SPD nicht die nächste Landtagswahl gewinnen, sagte der 40-Jährige, der am Freitagabend zum SPD-Landeschef wiedergewählt wurde.
Zuvor hatte Schmid beim grünen Koalitionspartner für Irritationen gesorgt, indem er den gemeinsam vereinbarten Abbau von 11 600 Lehrerstellen bis 2020 infrage stellt. «Bei der Streichung der Lehrerstellen ist das letzte Wort noch nicht gesprochen», sagte Schmid der «Südwest Presse» kurz vor dem Parteitag. Der Erfolg der Haushaltskonsolidierung hänge nicht davon ab, ob exakt 11 600 Stellen abgebaut würden. Die Einhaltung der Schuldenbremse bleibe ein wichtiges Ziel, aber darauf dürfe sich die SPD nicht reduzieren lassen.
Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann erinnerte hingegen daran, dass die 11 600 Stellen Grundlage des Finanzplans 2020 seien, den Schmid selbst aufgestellt habe. Sie habe zwar Verständnis dafür, dass die SPD in der Bildungspolitik einen ihrer Schwerpunkte sehen wolle. Schmid sei aber auch verantwortlich für einen klaren Kurs der Haushaltskonsolidierung: «Wir haben in der Bildungspolitik so viele Erfolge vorzuweisen, dass Grün-Rot es nicht nötig hat, mit vagen Andeutungen den berechenbaren Regierungskurs infrage zu stellen.»
Schmid sagte zudem, die SPD wolle auch nach 2016 mit den Grünen regieren, dann aber stärker als der Koalitionspartner sein und selbst den Regierungschef stellen.
Schmid plädierte am Freitagabend für ein Ende der parteipolitischen Auseinandersetzungen in der Bildungspolitik in Baden-Württemberg. Er werde bald alle Vorsitzenden der im Landtag vertretenen Parteien einladen, um die Chancen auf einen Schulfrieden auszuloten. So gebe es über die Parteigrenzen hinweg ein Interesse daran, dass der Bund sich stärker an den Bildungsausgaben der Länder beteilige. Schmid bezog sich auch auf neuste Signale aus der CDU, ein Zwei-Säulen-Modell in der Schullandschaft anzuvisieren.
Zum Thema Finanzen und Lehrerstellen führte er aus: «Mir ist wichtig, dass wir in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode nicht nur noch über die Haushaltskonsolidierung reden.» Die SPD sei als Kraft des sozialen Fortschritts angetreten. «Wir sind Gestalter der Politik, keine Sparkommissare.» Es müsse kräftig investiert werden – in Betreuungsplätze, Ganztagsschulen und individuelle Förderung.
Bei den 11 600 Lehrerstellen handle es sich um eine Kalkulation auf Grundlage der rückläufigen Schülerzahlen, die derzeit aktualisiert werde. «Wir müssen jedes Haushaltsjahr neu abwägen: Was kann der Beitrag für die Etatsanierung sein? Und was müssen wir für den überragend wichtigen Bildungsaufbruch in die Hand nehmen?»
Im Verlauf des Parteitags ist auch die mögliche große Koalition im Bund ein Thema. Geplant ist eine Resolution, die auf die wichtigen Punkte für Koalitionsverhandlungen eingeht. Nach anfänglicher Ablehnung zeigte sich Schmid zuletzt doch offen für ein Bündnis mit der Union, obwohl die Skepsis bei der Basis groß ist. Die Südwest-SPD lag bei der Bundestagswahl mit 20,6 Prozent nur leicht über ihrem schwachen Ergebnis von 2009 (19,3 Prozent).
Dem SWR sagte Schmid, bei Koalitionsverhandlungen mit der Union sei entscheidend, dass sozialdemokratische Programmatik sichtbar werde. Er nannte etwa einen flächendeckenden Mindestlohn, Investitionen in Bildung, den Ausbau der Ganztagsschulen und Kinderbetreuung. (dpa)
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