Hoffnung für Gelähmte? Weltweit arbeiten Forscher an Gehirn-Computer-Schnittstellen

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KIEL. Der eigene Kopf als Fernbedienung: Kieler Forscher tüfteln an einer Steuerung von Geräten mittels Gedanken. Sie wollen mit Gehirn-Computer-Schnittstellen gelähmten Patienten das Leben erleichtern. Elektroden und Sensoren spielen eine Hauptrolle.

Mit seinen Gedanken technische Geräte bedienen, ohne Knopfdruck das Fernsehprogramm wechseln, Musik ändern, Licht ausschalten – das ist das Ziel. Forscher der Kieler Christian-Albrechts-Universität tüfteln an Möglichkeiten, wie sich mit Hilfe von Hirnsignalen Maschinen steuern lassen. Sie wollen damit schwer gelähmten Patienten helfen. «Wir machen dazu bestimmte Gedanken eines menschlichen Gehirns hörbar», sagt Prof. Gerhard Schmidt von der Technischen Fakultät. Weltweit arbeiten Forscher seit Jahren an sogenannten Gehirn-Computer-Schnittstellen.

Einer von Schmidts Studenten sitzt in einem Sessel und betrachtet eine Landschaftssimulation auf einer Leinwand. An allen vier Seiten blinken Schaltflächen in verschiedenen Frequenzen. Genau die Fläche, die er anschaut, steuert die Kamera an. Möglich macht dies ein schwarzer Helm mit darauf montierten roten Elektroden.

Das menschliche Gehirn ist hochkomplex - aber trotzdem biotechnologisch nachbaubar?. Foto: Liz Henry / Flickr (CC-BY-ND-2.0)
Gehirn-Computer-Schnittstellen könnten vielen Gelähmten helfen. Foto: Liz Henry / Flickr (CC-BY-ND-2.0)

Mittels Elektroenzephalographie – kurz EEG – werden die Hirnsignale über die von ihnen erzeugte elektrische Spannung auf der Kopfhaut gemessen. Eine Software wandelt das Ganze in entsprechende Befehle um. Die Forscher machen aus den Hirnsignalen akustische Signale – das erleichtert die Auswertung. Dazu haben sie eigens einen Audioraum mit 40 Lautsprechern in den Wänden eingerichtet.

Wissenschaftler arbeiten an vielen Forschungseinrichtungen an solchen Computer-Hirn-Schnittstellen. «Wirklich praktikable Geräte gibt es auf dem Markt bislang aber noch nicht», sagt der Tübinger Forscher Moritz Grosse-Wentrup vom Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme. «Ich glaube, dass solche Technik in zehn Jahren beispielsweise bei Locked-In-Patienten standardmäßig zum Einsatz kommen wird.» Der Körper dieser Menschen ist fast vollständig gelähmt. Die Technik soll es ihnen ermöglichen, mit einfachen Ja/Nein-Fragen mit Angehörigen oder Pflegern zu kommunizieren.

Schmidt und sein Team versuchten bereits, einer Frau in Dithmarschen (Schleswig-Holstein) zu helfen, die nach einer Hirnblutung nur noch über Bewegungen ihrer Augenlider kommunizieren konnte. Sie wollten ihr ermöglichen, mit Hilfe von Hirnimpulsen durch TV-Kanäle zu zappen. Das scheiterte aber. Denn die EEG-Technik hat einen entscheidenden Nachteil: Das Tragen des Helms ist auf Dauer unangenehm. Einige Forscher arbeiten deshalb am kapazitiven EEG, bei dem kein Gel in die Elektroden gefüllt werden muss, um den Übergangswiderstand zwischen Elektrode und Kopfhaut zu verringern.

US-Forscher setzen dagegen auf implantierte Elektroden. «Damit können Patienten zwar eine Zeit lang mit einem Roboterarm eine Kaffeetasse greifen», sagt Grosse-Wentrup. Das Gehirn greife die implantierten Drähte jedoch an, eine dauerhafte Lösung sei dies deshalb nicht. Gemeinsam mit Freiburger Forschern plant Grosse-Wentrups Team, Ende des Jahres einem Patienten einen sogenannten Elektrokortikographen zu implantieren. Der Patient hat die unheilbare Krankheit Amyotrophe Lateralsklerose, die zunehmend die Muskeln lähmt. «Diese Elektroden können hoffentlich rund um die Uhr und das auch langfristig genutzt werden», sagt Grosse-Wentrup.

Schmidt und seine Kieler Kollegen gehen einen anderen Weg. Sie wollen die Gehirnsignale mit Hilfe kleiner Magnetfeldsensoren sichtbar machen. «Die haben den Vorteil, dass sie im Gegensatz zum EEG berührungslos messen können», sagt Schmidt. Bislang funktioniert das nur in abgeschirmten Räumen, denn jedes elektrische Gerät bewirkt Störungen. Schmidt ist aber zuversichtlich: «Denn wir machen in Kiel für eine Sensorart ganz tolle Fortschritte.» Bereits in zehn Jahren könnte die Forschung den Einsatz solcher Sensoren in Computer-Gehirn-Schnittstellen möglich machen, schätzt er. Dann könnten Patienten beispielsweise das Fernsehprogramm schlicht mit ihrer Gedankenkraft wechseln.

Der Kieler kann sich aber auch einen Einsatz in Sicherheitssystemen vorstellen. «Denn bevor wir beispielsweise hinter dem Steuer mit dem Auto tatsächlich zum Überholen ansetzen, ist dieser Plan schon an den Hirnsignalen ablesbar», sagt er. Das Auto der Zukunft wisse aber, dass von hinten ein noch viel schnellerer Wagen heranrast. «Künftig kann ein Auto diese geplante Lenkbewegung aktiv verhindern und das Lenkrad blockieren.» André Klohn

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