BERLIN. Bei der Ausbildung junger Flüchtlinge ist viel zu tun. Experten sagen: Wenn wir hier sparen und versagen, könnten Flüchtlingskinder zu Verlierern werden. Das würde zu erheblichen Problemen führen – für die Betroffenen und für die Gesellschaft.
Migrationsforscher haben die Schulbehörden davor gewarnt, Flüchtlingskinder vor allem in Schulen mit hohem Migrantenanteil und sozialen Problemen zu schicken. «Spätestens ab dem Übergang in den Regelunterricht sollte eine “ausgewogene” Mischung angestrebt werden», schreibt der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) in seinem Jahresgutachten 2017. Jedes Flüchtlingskind sollte spätestens drei Monate nach seiner Ankunft in Deutschland die Schulbank drücken.
In dem Gutachten heißt es weiter: Die Probleme einer «Entmischung» seien nicht direkt auf den Zuwandereranteil zurückzuführen, sondern auf den Anteil sozial benachteiligter und leistungsschwacher Schulkinder. Dieser sei an Schulen mit hohem Migrantenanteil oft überdurchschnittlich hoch. Bisher orientierten sich die Schulbehörden eher an Kriterien wie räumlicher Nähe, freien Klassenräumen oder der Bereitschaft des Lehrerkollegiums, Flüchtlinge aufzunehmen.
Um mehr Flüchtlinge und deutsche Langzeitarbeitslose in Arbeit zu bringen, schlug der SVR-Vorsitzende Thomas Bauer eine Zweiteilung der Ausbildung in eine Basisausbildung und eine Spezialisierungsphase vor – ähnlich wie beim Studium, wo es inzwischen Bachelor- und Master-Abschluss gibt.
“Gravierende Verständnisdefizite”
Das Gutachten, das am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde, trägt den Titel «Chancen in der Krise: Zur Zukunft der Flüchtlingspolitik in Deutschland und Europa». Es stellt die Erhöhung der Stundenzahlen der Integrationskurse positiv heraus, warnt aber davor, die Wirkung dieser Kurse auf den «Wertehaushalt» der Flüchtlinge zu überschätzen. Eine «echte Übernahme» von Werten wie Gleichberechtigung und Toleranz lasse sich nicht erzwingen. Wichtiger als der Besuch von Kursen sei es, diese Werte im Alltag zu erleben.
Über die Wertvorstellungen der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge gibt es laut SVR bislang nur wenig Informationen. Qualitative Untersuchungen zeigten aber, dass sich viele Füchtlinge ausdrücklich zur Demokratie bekennen. Allerdings bestünden zum Teil auch «gravierende politische Verständnisdefizite» in Bezug darauf, was unter «Demokratie» überhaupt zu verstehen sei. Ähnlich sei es bei der Gleichstellung von Mann und Frau. Diese werde als «abstraktes Prinzip» zwar mehrheitlich unterstützt. Das in Deutschland vorherrschende Frauenbild sähen viele aber skeptisch.
Das Gutachten hält fest: «In der öffentlichen Diskussion gibt es dazu zwei entgegengesetzte Positionen: Eine Gruppe (vor allem aus dem linken Lager) geht davon aus, dass die Werte vollständig oder zumindest weitgehend vereinbar sind.» Eine andere Gruppe (vor allem aus dem konservativen Lager) beschwöre hingegen die Gefahr, dass Flüchtlinge Vorstellungen von Politik und Kultur nach Deutschland mitbringen, die mit den hiesigen «Standards» unvereinbar sind, und dass einige sogar danach strebten, diese Werte in Deutschland einzuführen.» Beide Positionen seien in dieser Absolutheit falsch. dpa