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Wie viel Inklusion soll sein? Streit über Sonderklassen an Regelschulen kocht hoch – SPD: kein Weg zum gemeinsamen Unterricht

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MAGDEBURG. Sie lernen oft langsamer als Altersgenossen, haben ihr Verhalten nicht immer im Griff oder sind körperlich und/oder geistig behindert: Fast 15.000 Kinder und Jugendliche gelten allein in Sachsen-Anhalt als Förderschüler. Die von einer Ampel-Koalition getragenen Regierung  streitet, wie ihnen am besten zu helfen ist.

Sind Sonderklassen für Förderschüler überhaupt noch Inklusion? Foto: Shutterstock

Kann ein Schüler mit besonderen Lernschwächen in einer gesonderten Klasse besser gefördert werden oder doch gemeinsam mit allen anderen? Sachsen-Anhalts schwarz-rot-grüne Landesregierung debattiert erneut über das richtige Maß bei der Inklusion behinderter und verhaltensauffälliger Schüler. Anlass ist das Konzept von Bildungsminister Marco Tullner zum künftigen Förderschulnetz, das der CDU-Politiker  in Magdeburg vorstellte.

Seine Pläne sollen mehrere Probleme lösen. Die meisten Förderschüler beenden ihre Schullaufbahn bisher ohne Abschluss, auch weil sie dafür meist noch einmal die Schule wechseln müssten. Da sich die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit verschiedenen Förderschwerpunkten verschiebt, stehen einige der mehr als 90 Standorte auf der Kippe. Und: Die Eltern können wählen, ob ihr Kind an einer allgemeinbildenden Schule oder einer Förderschule lernen soll und entscheiden sich in zwei von drei Fällen für letzteres.

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Daher schlägt Tullner vor, die Förderschulen als Instrument beizubehalten. Künftig sollen jedoch mehrere Schwerpunkte an einer Schule gelehrt oder auch eigene Förderschulklassen an regulären Sekundar-, Gesamt- oder Gemeinschaftsschulen möglich sein, heißt es in dem Konzept. Solche Klassen könnten mehr Förderschülern einen Abschluss ermöglichen, weil sie dafür nicht noch einmal die Schule wechseln müssten. «Ich werbe für einen gesunden Pragmatismus», sagte der Minister.

In den vergangenen Jahren habe sich der Anteil der Förderschüler im gemeinsamen Unterricht bereits deutlich erhöht. Im Jahr 2000 seien noch 98 Prozent aller Betroffenen in Förderschulen unterrichtet worden, heute seien es zwei Drittel. «Das wollen wir nicht zurückdrehen, aber wir müssen vom Wohl des Kindes her denken und nicht von schulideologischen Überlegungen.»

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Die Regierungspartner zeigten sich enttäuscht. Es fehle eine Perspektive, sagte der bildungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Wolfgang Aldag. «Das vorgelegte Konzept zeigt keinerlei Ideen auf, wie der Weg zur «Schule für alle» aussehen kann.» Es könne nicht sein, dass der Status quo unverändert bleibe, kritisierte Angela Kolb-Janssen (SPD). «Inklusiver und gemeinsamer Unterricht ist für Kinder mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf eine Herausforderung, aber auch ein Gewinn.»

In Sachsen-Anhalt ist der Anteil der Schulabbrecher mit rund zehn Prozent im bundesweiten Vergleich besonders hoch. Laut Bildungsminister Tullner sind knapp die Hälfte von ihnen Förderschüler. Im Land haben derzeit rund 14.800 Kinder und Jugendliche besonderen Förderbedarf. Die Spanne reicht von Seh- und Hörbehinderungen über körperliche und geistige Handicaps bis hin zu auffälligem Verhalten oder besondere Lernschwäche.

Die von Deutschland 2009 ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention verlangt ein “integratives Bildungssystem auf allen Ebenen”. dpa

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