Kontakt von Mensch zu Mensch – wie Elternlotsen bei der Integration helfen können

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RÖDERMARK/Offenbach. Als Begleitung zum Arzt oder zum Elterngespräch in Kindergarten und Schule sind Sprach- und Elternlotsen besonders gefragt. Die Ehrenamtlichen leisten aber auch in ganz anderen Situationen aktive Integrationshilfe.

Die Jugendlichen in Deutschland gehen bei der Flüchtlingsintegration mit gutem Beispiel voran, findet SOS-Kinderdörfer-Vorstand Wilfried Vyslozil, angesichts der Umfrageergebnisse. Foto: Metropolico.org /flickr CC BY-SA 2.0)
Elternlotsen unterstützen Familien in vielen Alltagsfragen.                               Foto: Metropolico.org /flickr CC BY-SA 2.0)

Feride Kücükogul hat zwei Kinder und macht die Buchhaltung für ihren Mann. «Ich habe eigentlich genug zu tun.» Trotzdem arbeitet die Deutsch-Türkin mit Begeisterung noch ehrenamtlich als Eltern- und Sprachlotsin. Sie begleitet in Rödermark türkische Frauen, die wenig Deutsch sprechen, zum Arzt oder in die Schule, wenn ihre Kinder Probleme haben. Sie hilft türkischen Familien in Alltagsfragen wie Mülltrennung, dem Bürokratiedschungel und animiert Frauen, Lotsinnen zu werden. «Damit sie auch etwas für sich machen, statt nur zu Hause zu sitzen, Tee zu trinken und zu putzen.» Als Lotsinnen seien sie auch gute Vorbilder für ihre Kinder.

Die Ehrenamtlichen sind Ansprechpartner, in Elterncafés aktiv und übernehmen Angebote wie Nähkurse, Reparaturwerkstätten oder Vorlesen. Wenn jemand einen Urdu sprechenden Helfer für ein Eltergespräch brauche, könne er die Lotsen anrufen und sich über deren WhatsApp-Gruppe einen vermitteln lassen, berichtet Rödermarks Integrationsbeauftragte Ulrike Vierheller. Rund 15 verschiedene Sprachen gibt es im Repertoire.

Etwa 500 Lotsen sind allein im Kreis Offenbach seit 2005 ausgebildet worden, wie die Leiterin des Integrationsbüros, Selver Erol, sagt. Mit finanzieller Unterstützung des Landes und auch der Kommunen in ganz verschiedenen Programmen. «Nicht alle sind sehr aktiv, aber aktivierbar zum Beispiel für Veranstaltungen.» Einige hätten eine Ausbildung zur Erzieherin oder ein Studium begonnen, andere übernehmen Projekte in der Integrationsarbeit. Sie alle seien Vorbild für andere.

Brücken zur Geschellschaft bauen

Entscheidend ist nach Einschätzung von Erol der Ansatz, Menschen zu aktivieren, in einen geschützten Raum zu holen und zu informieren, «damit sie Brücken zur Gesellschaft aufbauen können und das, was sie lernen, wieder in ihrer Nachbarschaft weiter zu geben». Rödermarks Bürgermeister Roland Kern (Grüne) formuliert es so: «Der Kontakt von Mensch zu Mensch ist die beste Möglichkeit, sich in einem neuen Kulturkreis zurechtzufinden und am Gemeinschaftsleben teilzuhaben.»

Nesreeen Kabaha lebte schon rund sieben Jahre in Deutschland, bevor sie vor ungefähr drei Jahren anfing, die Sprache ihrer neuen Heimat zu lernen. Bald darauf machte die Frau aus Palästina die Schulungen zur Eltern- und Sprachlotsin mit. «Ich wollte Deutsch lernen wegen meiner Kinder, damit ich ihnen bei den Hausaufgaben helfen kann», erzählt die 35 Jahre alte Mutter von zwei Jungen und zwei Mädchen. Seit sie Deutsch spreche sei ihr Selbstvertrauen gewachsen und sie freue sich, mehr Kontakt zu Menschen zu haben. Kabaha hilft vor allem Arabisch sprechenden Müttern, kann wie Kücükogul aber auch Englisch.

Alle Lotsen sind 36 Stunden geschult worden, dazu kommen dann noch jeweils zwölf Stunden für Sprach- und für Elternlotsen. Die Themen reichen von kindlicher Entwicklung und Erziehung über das deutsche Bildungssystem bis zu Gesundheit und Gesprächsführung. Auch Integration, Inklusion, Schweigepflicht, Datenschutz und Krisenintervention stehen auf dem Ausbildungsplan. Dazu kann auch die Vermittlung an ein Frauenhaus gehören, berichtet Vierheller. Die Schulungen beinhalteten auch das Zusammenleben verschiedener Kulturen sowie Regeln in Deutschland – inklusive des Umgangs mit Frauen und Gewaltlosigkeit.

Lösungsmöglichkeiten von Problemen

«Wir legen großen Wert darauf, dass neben der Theorie auch Lösungsmöglichkeiten von Problemen besprochen werden, auf die Menschen ohne ausreichende Sprachkenntnisse im Alltag stoßen», sagt die Erste Beigeordnete des Kreises, Claudia Jäger. Daher hospitierten die angehenden Lotsen in Betreuungseinrichtungen für Kinder, Schulen, Familienzentren und dem interkulturellen Mehrgenerationenhaus in Rödermark.

Mehr Deutsch lernen und in Kontakt mit Menschen zu kommen, war für Rozin Fahim aus Syrien die Motivation, sich zur Elternlotsin ausbilden zu lassen. Die 30 Jahre alte Mutter dreier Kinder ist seit vier Jahren in Deutschland.

Und die Männer? Welche Angebote gibt es gerade für junge männliche Flüchtlinge? Von den 41 Lotsen in Rödermark sind 7 Männer, wie Vielheller sagt. Sie beginnen in den nächsten Wochen vor allem draußen Projekte speziell für Männer, wie etwa Holzarbeiten. Dann könnten die Männer auch leichter Kontakte knüpfen. dpa

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