Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) will Gewalt gegen Lehrer an deutschen Schulen eindämmen. «Man muss diesen Angriffen Einhalt gebieten», sagte Holter im Gespräch. Zudem wolle er seinen Länder-Kollegen vorschlagen, zu dem Thema eine repräsentative Befragung unter Lehrern zu starten. «Wir müssen uns mit solchen Gewalttaten auseinandersetzen – verbale wie tätliche», sagte der amtierende KMK-Präsident.
Die Kultusminister der Bundesländer kommen nun in Erfurt zusammen, um sich unter anderem in Bildungsfragen abzustimmen. Die Beschlüsse der KMK sind für die Länder nicht bindend. Holter forderte ein konsequentes Vorgehen gegen gewalttätige Schüler. «Alle Fälle, die im Bereich des Straftatbestandes liegen, sollten zur Anzeige gebracht werden – auch wenn Kinder nicht strafmündig sind», sagte Holter.
An etwa jeder dritten Grundschule in Deutschland wurden Lehrer in den vergangenen fünf Jahren körperlich angegriffen, wie aus einer repräsentativen Umfrage unter Schulleitern hervorgeht. Die forsa-Umfrage war vom VBE in Auftrag gegeben worden (News4teachers berichtete). Über alle Schulformen hinweg gab es demnach an jeder vierten Schule Fälle tätlicher Gewalt gegen Lehrkräfte. Die Schüler müssten die Konsequenzen ihres Handelns spüren. Eine Strafanzeige bewirke eine unmittelbare Auseinandersetzung mit dem Vorfall durch Eltern und Schüler.
Nach Ansicht Holters sollten Fälle von verbaler oder tätlicher Gewalt gegen Lehrkräfte auch genauer erfasst werden. «Der Staat hat für seine Bediensteten eine besondere Schutzfunktion», sagte Holter. Indem sie konsequent Fälle von Gewalt meldeten, müssten Lehrer einen Beitrag dazu leisten, dass der Staat seiner Schutzfunktion nachkommen könne. Zuvor hatte unter anderem der VBE gefordert, Statistiken über Gewalt gegen Lehrer zu führen und öffentlich zu machen. Nach Angaben des Verbands seien dazu bislang nicht alle Kultusministerien in den Ländern bereit.
Besondere Vorkommnisse
In Thüringen werden Vorfälle von Gewalt gegen Lehrern bisher unter den Begriff «Besondere Vorkommnisse» erfasst. Eine eigene Kategorie gebe es für das Thema nach Angaben einer Sprecherin bislang nicht. Holter wolle sich auch dazu mit seinen Länder-Kollegen während der Kultusministerkonferenz beraten.
«Viele Lehrer haben das Gefühl, Aufgaben übernehmen zu müssen, die Eltern nicht mehr wahrnehmen», sagte Alexander Gröschner, Professor für Schulpädagogik und Unterrichtsforschung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Konflikte würden an Schulen häufiger in Gewalt münden. Lehrer könnten sich seiner Einschätzung nach mit Fortbildungen besser dagegen wappnen – etwa durch tiefere Kenntnisse im Konfliktmanagement.
Gröschners Einschätzung nach könnten solche Weiterbildungen auch digital angeboten werden – zum Beispiel auf einem Internetportal. Wichtig sei, dass Betroffene dort Hilfe abrufen können. «Auch der Austausch der Kollegen untereinander kann helfen», sagte Gröschner.
Rolf Busch, stellvertretender Bundesvorsitzender des VBE und Vorsitzender des Thüringer Lehrerverbandes (TLV), erneuerte seine Forderung, multiprofessionelle Teams für die Schulen zu bilden – unter anderem mit Schulpsychologen und Schulsozialarbeitern. «Jede Schule sollte auf diese Unterstützung zurückgreifen können», sagte Busch. dpa
Interessante Debatte auf der Facebook-Seite von News4teachers:
BERLIN. Die heutige Forderung des Präsidenten der Kultusministerkonferenz, Helmut Holter, alle Gewalttaten gegen Lehrkräfte, die den Tatbestand der Strafanzeige erfüllen, zur Anzeige zu bringen, lässt laut VBE hoffen, dass das Thema endlich die notwendige Aufmerksamkeit durch die Politik erhält. „Wir erwarten, dass die KMK insgesamt die Ergebnisse unserer repräsentativen Umfragen ernst nimmt und nicht kleinredet, sondern sich klar positioniert und sich hinter die Forderung des KMK-Präsidenten stellt. Das Märchen, das es sich bei Gewalt gegen Lehrkräfte lediglich um Einzelfälle handle, muss endlich ein Ende finden. Wir brauchen klare Regelungen und die uneingeschränkte Unterstützung betroffener Lehrkräfte durch die Dienstvorgesetzten“, erklärt Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE).
Die Forderungen des VBE an die Verantwortlichen in der Politik lauten:
– Gewalt gegen Lehrkräfte darf kein Tabu-Thema mehr sein.
– Die Dokumentation von Vorfällen hat verpflichtend zu erfolgen.
– Statistiken müssen geführt und veröffentlicht werden.
– Die Lehrkraft muss die volle Unterstützung des Dienstherren erhalten.
– Entwicklung klarer Strukturen, an wen sich Lehrkräfte wenden können und
was nach einem Übergriff zu tun ist:
– Unterstützung der Schulen durch multiprofessionelle Teams.
– Ein breites Fortbildungsangebot.
– Vermittlung von Medienkompetenz als Prävention gegen Cybermobbing.
Beckmann abschließend: „Wir werden den Umgang der KMK und der Länder mit diesem Thema sehr genau beobachten.“
Beckmann: KMK beschäftigt sich mit Gewalt gegen Lehrer – endlich!
ZITAT: “KMK-Chef Holter fordert, jedes Delikt zur Anzeige zu bringen – auch bei Kindern unter 14 Jahren.”
Ja, das ist ein Punkt von vielen. Es müssen aber auch zahlreiche Bestimmungen in den Schulgesetzen und Verordnungen überprüft und vereinfacht oder gestrichen werden, die mögliche Maßnahmen mit so einem großen (bürokratischen) Aufwand versehen, dass wir selber sie ungenutzt lassen, weil wir uns vor diesem Bürokratiemonster scheuen.
Und es muss sich auch in der Ausbildung / Mentalität etwas ändern. Eine vernünftige Lern- und Arbeitsathmosphäre ist Grundlage jeglicher Lernerfolge. Lärm und Chaos sind kontraproduktiv. Heutzutage steht aber am Pranger, wer gegen Letzteres vorgeht und nicht, wer Letzteres zulässt.
Rund 1 Monat Unterrichtsausfall gibt es durch Unterrichtsstörungen. Was hätte da alles gelernt und geübt werden können!