AfD-„Meldeportale“ verstoßen gegen den Datenschutz! Kultusminister Tonne gibt Lehrern den Tipp, die Löschung der Daten zu verlangen

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HANNOVER. In Hamburg wurde das erste freigeschaltet, mittlerweile kommen wöchentlich neue hinzu, zuletzt in Sachsen-Anhalt: Die AfD versucht mit immer mehr „Meldeportalen“, über die Eltern und Schüler anonym Berichte über vermeintlich „linke“ Äußerungen in der Schule an die Partei schicken können, Lehrer in breiter Front einzuschüchtern. Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) hat nun einen Brief an jeden schulischen Mitarbeiter in seinem Bundesland geschickt, in dem er über Rechte und Pflichten von Lehrkräften im Zusammenhang mit gesellschaftspolitischen Unterrichtsthemen informiert – und in dem er seinen Pädagogen den Tipp gibt, von den AfD-Landtagsfraktionen, die als Verantwortliche der Portale firmieren, die Löschung der Daten zu verlangen. Denn die Aktion verstoße gegen den Datenschutz.

Spricht von einer „AfD-Misstrauenskampagne“: Kultusminister Grant Hendrik Tonne. Foto: Foto-AG Melle, derivative work Lämpel – Own work / WIkimedia Commons / CC BY 3.0

Als „praktischen Hinweis“ bezeichnet Tonne in dem Schreiben die rechtliche Beurteilung, die sein Ministerium nach einer Prüfung des Sachverhalts  vornimmt: „Unserer Einschätzung nach ist datenschutzrechtlich davon auszugehen, dass die Fraktion der AfD personenbezogene Daten von Lehrkräften erhebt und verarbeitet, die die politische und weltanschauliche Haltung einer Lehrkraft betreffen. Solche Informationen sind nach Art. 9 EU-Datenschutz-Grundverordnung als besondere Kategorien personenbezogener Daten geschützt, ihre Verarbeitung ist grundsätzlich untersagt“, so heißt es.

Weiter: „Die engen Ausnahmen sind nicht einschlägig. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Verarbeitung aus Gründen eines erheblichen öffentlichen Interesses erforderlich ist. Ein solches öffentliches Interesse der Fraktion der AfD daran, solche Daten zu erheben und zu sammeln, genügt nicht. Sofern über das AfD-Portal personenbezogene Daten über Sie erhoben und verarbeitet werden, haben Sie einen Löschungsanspruch aus Art. 17 EU-Datenschutz-Grundverordnung.“ Weil ja niemand weiß, welche Daten die AfD-Fraktionen sammeln – potenziell aber Hunderttausende von Lehrkräften betroffen sein könnten -, dürfte ihnen eine gewaltige Welle von Anwaltsschreiben ins Haus stehen.

„Versuch, Unruhe in die Schulen zu tragen“

Ohnehin sei das auch für Niedersachsen angekündigte „Meldeportal“, so Tonne, „ein nicht hinnehmbarer Versuch, Unruhe in die Schulen zu tragen und Sie als Lehrkräfte bei der Erfüllung Ihrer Dienstaufgaben zu beeinträchtigen. Durch das Schüren von Unsicherheit unter den Lehrkräften soll eine kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Themen in Unterricht und Schule offenkundig verhindert werden.“ Dabei sei die Diskussion über Grundpfeiler der Demokratie, über Menschenfeindlichkeit, Rassismus, Populismus und „Fake News“ im Unterricht ausdrücklich geboten.

Zwar gehöre es zu den grundlegenden gesetzlichen Pflichten von Lehrkräften, sich religiös, weltanschaulich sowie parteipolitisch neutral zu verhalten – weshalb das Neutralitätsgebot „von den Lehrkräften und den Mitarbeitenden in Niedersachsens Schulen auch wertgeschätzt und im Rahmen des Unterrichts verantwortungsvoll umgesetzt“ werde. Tonne: „Die für Lehrkräfte geltende Neutralitätspflicht bedeutet aber keineswegs, dass diese sich jeder politischen Äußerung zu enthalten haben – Neutralität bedeutet die Verpflichtung zu ‚Toleranz und Mäßigung‘, nicht aber einen Verzicht auf jede politische oder sonstige wertgebundene Stellungnahme. Dieser Aspekt wird in der öffentlichen Debatte geradezu verdreht.“

Tonne kündigt in dem Brief an, dass die rot-schwarze Landesregierung sich 2019 verstärkt des Themas „Demokratiebildung an Schulen“ annehmen werde. Dazu werde ein Grundsatzerlass erarbeitet, der als grundlegende Orientierung für niedersächsische Schulen dienen soll. Darüber hinaus soll das – von der AfD heftig bekämpfte – Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ gestärkt werden.

„Ihnen als Lehrkräfte und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Niedersachsens Schulen gebührt mein Vertrauen“, so schreibt der Kultusminister. „Sollte es Probleme an den Schulen geben, stehen Ihnen in Niedersachsen bereits etablierte Beratungs- und Unterstützungsverfahren zur Verfügung.“ Weiter betont Tonne: „Ich bitte Sie darum, dass Sie Ihre Schülerinnen und Schüler auch in Zukunft im Unterricht dazu anleiten, sich reflektiert und kritisch mit den Herausforderungen der jeweiligen gesamtgesellschaftlichen und politischen Situation auseinanderzusetzen, um sie zu mündigen und kritischen Bürgerinnen und Bürgern zu erziehen. Vielen Dank für Ihre wertvolle Arbeit.“ News4teachers

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Alles erlogen? Hamburger AfD will “viele Hinweise” auf Verstöße von Lehrern gegen das Neutralitätsgebot erhalten haben – gemeldet hat sie keinen einzigen

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