Mehr Unterrichtsausfall – außer an Grundschulen. VBE: Grundschullehrer opfern sich auf

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STUTTGART. Die Zahlen belegen es: Im Februar ist an den Schulen in Baden-Württemberg mehr Unterricht an den Schulen ausgefallen. Während die Kultusministerin dies auch auf die Grippewelle zurückführt, sehen Verbände Versäumnisse der Politik. Der VBE betont das besondere Engagement der Grundschullehrkräfte. Tatsächlich: An Grundschulen fällt kaum Unterricht aus.

Sorgt für Empörung unter Grundschullehrkräften: Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann. Foto: Kultusministerium Baden-Württemberg
Muss einen höheren Unterrichtsausfall verantworten: Susanne Eisenmann. Foto: Kultusministerium Baden-Württemberg

Mit einer neuen Erhebung zu Unterrichtsausfällen an baden-württembergischen Schulen ist die Debatte über die grün-schwarze Bildungspolitik neu entflammt. Die Erfassung von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hat ergeben, dass sich die Lage im Februar im Vergleich zum November verschärft hat. Während die Ministerin dies auch auf den üblichen Anstieg von Grippefällen zurückführt, sehen Verbände die Regierung in der Pflicht, beispielsweise die Zahl von Vertretungslehrern aufzustocken.

Eisenmann ließ nach Mitteilung vom Dienstag vom 11. bis zum 15. Februar alle Unterrichtsausfälle erfassen. Das Ergebnis: 11,6 Prozent des Pflichtunterrichts über alle öffentlichen Schulen hinweg fand nicht wie geplant statt. Dies ist etwa jede neunte Unterrichtsstunde. 7,2 Prozent des gesamten Unterrichts konnte mit Vertretungen doch noch erteilt werden. Aber 4,4 Prozent fiel komplett aus. Dies ist eine Steigerung im Vergleich zur Erhebung von Mitte November: Damals konnte 9,1 Prozent des Unterrichts nicht wie geplant erteilt werden. 5,5 Prozent des Unterrichts wurde vertreten, 3,6 Prozent fiel aus.

Ministerin Eisenmann wies darauf hin, dass es im Februar wegen der Grippe mehr Krankheitsfälle gibt. «Das ist kein schultypisches Phänomen, sondern bundesweit über alle Berufsgruppen deutlich registrierbar.» Den höchsten Unterrichtsausfall gab es im Februar an Gymnasien gefolgt von den beruflichen Schulen. Besonders niedrig war der Unterrichtsausfall an den Grundschulen. Krankheit war mit 62,3 Prozent der häufigste Grund dafür, warum Lehrer ihren Unterricht nicht erteilen konnten. Weitere Gründe waren Fortbildungen und außerunterrichtliche Veranstaltungen.

GEW: Arbeitslose Lehrer einstellen!

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte die Landesregierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf, die Vertretungsreserve an Lehrern schnell auszubauen. Im September 2018 hätten 2000 Gymnasiallehrer auf der Straße gestanden, sagte GEW-Landeschefin Doro Moritz. Eisenmanns Erhebung zeige nur die «Spitze des Eisberges». Der geringe Ausfall bei den Grundschulen sei etwa auch darauf zurückzuführen, dass dort Klassen zusammengelegt würden. Ein regulärer Unterricht sei dann nicht möglich.

So sieht das auch ein Sprecher des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). Eltern erwarteten, dass kein Grundschulkind vorzeitig nach Hause geschickt werde. Wenn die Mathelehrerin ausfalle, übernehme eben der Deutschlehrer den Unterricht. Für den VBE ist aber nicht nur Grün-Schwarz Schuld an der Misere. Es sei die grün-rote Vorgängerregierung gewesen, die 11.600 Lehrer habe streichen wollen. Grün-Rot hat sich später von dieser Zielmarke getrennt.

Von 2011 bis 2016 hatte die SPD das Kultusressort inne. Ihr Bildungspolitiker Stefan Fulst-Blei sieht die Versäumnisse dennoch vor allem bei der heutigen CDU-Kultusministerin. «Frau Eisenmann hat es versäumt, die Krankheitsreserve rechtzeitig aufzustocken, obwohl das Fachpersonal verfügbar ist», sagte er mit Blick auf arbeitslose Gymnasiallehrer. Und die Grünen, die das Finanzministerium leiten, müssten endlich mehr Geld für zusätzliche Stellen freigeben.

Eisenmann lässt die Unterrichtsausfälle regelmäßig erheben, um künftig gegensteuern zu können. «Wir verfolgen damit das Ziel, den Unterrichtsausfall zu minimieren.» Dass der Unterricht stattfinde, habe die höchste Priorität. Dies war die dritte Vollerhebung des Kultusministeriums. Die nächste kommt im Juni. dpa

Die Stellungnahme des VBE

Es sei ein Skandal, so erklärt Michael Gomolzig, Sprecher des VBE Baden-Württemberg, dass von der Politik „schlichtweg nicht wahrgenommen wird, dass der extrem niedrige Unterrichts­ausfall an den Grundschulen nicht der besonders robusten Gesundheit der Grundschul­lehrkräfte geschuldet ist, sondern ausschließlich der von der Kultusbehörde prokla­mierten Verlässlichkeit der Grundschulen bzw. dem dortigen Ganztagesbetrieb“.

Eltern erwarteten, dass kein Grundschulkind vorzeitig nach Hause kommt, und die Grundschul­lehrkräfte versuchen das nach Kräften umzusetzen. Gomolzig: „Da werden Klassen zusammen­gelegt, Teilzeitkräfte über deren übliches Deputat eingesetzt und, wenn die Matheleh­rerin wegen Krankheit ausfällt, übernimmt eben der Deutschlehrer zusätzlich den Unter­richt. Das wäre an Gymnasien undenkbar; die Schüler werden bei Erkrankung oder Fortbildung des Lehrpersonals dann nach Hause oder in die Hohlstunde geschickt – sie sind ja auch entsprechend älter und selbständiger. Grundschullehrkräfte dagegen schul­tern annähernd klaglos viel zu viel.“

Der VBE setzt sich für die „schon lange überfällige Aufwertung“ der Grundschularbeit ein, denn „das Fundament sei nicht nur beim Hausbau von größter Bedeutung“, so der VBE-Sprecher. Ohne hervorragende Grundschulen erübrigten sich auch Hochbegabtengymnasien und Elite-Universitäten.

Der VBE hält es allerdings für unredlich, die schlechten Rahmenbedingungen an den Schulen und den Unterrichtsausfall KultusministerinEisenmann anzuhängen. Es war die grün-rote Landesregierung mit dem damaligen und heutigen Ministerpräsidenten Win­fried Kretschmann (Grüne), die „lauthals getönt“ hatte, dass zu viele Lehrer im System seien und 11.600 Lehrerstellen gestrichen werden müssten. Gomolzig: „Jeder Abiturient hatte es sich damals zweimal überlegt, ob er unter dieser Voraussetzung überhaupt auf Lehramt studieren sollte. Studium und Referat dauern rund sieben Jahre. Wer jetzt über Lehrermangel und Unterrichtsausfall klagt, hat zwar in der Sache Recht, sollte aber mit den Vorwürfen an die Adresse der Kultusministerin zurückhaltend sein, besonders wenn derjenige damals selbst in Regierungsverantwortung gestanden hatte.“

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Wer ist schuld am Unterrichtsausfall? Streit um Eisenmann kocht hoch

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