Studie: Immer mehr Schüler holen sich ihr Wissen aus Youtube-Videos – die Qualität der Informationen wird kaum hinterfragt

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ESSEN. Immer mehr Kinder und Jugendliche holen sich unterrichtsrelevante Inhalte aus dem Internet, genauer: aus Youtube. Fast neun von zehn Schülern nutzen den Videokanal – knapp die Hälfte davon streamen dort auch Erklärvideos für das schulische Lernen, beispielsweise für Hausaufgaben oder Prüfungen. Dies sind Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage unter 12- bis 19-Jährigen, die der Rat für Kulturelle Bildung erheben ließ. „YouTube ist primär kein pädagogisches Medium, aber es ist tatsächlich inzwischen ein weiteres, wichtiges Lern- und Bildungsmedium, das die Bildungslandschaft im Ganzen berührt und verändert“, so erklärt der Erlanger Pädagogik-Professor Eckart Liebau, Vorsitzender des Expertenrates.

Mehr als 40 Prozent der Schüler in Deutschland nutzen Youtube-Videos zum Lernen. Foto: Shutterstock

Es ist ein gewaltiger Boom. „TheSimpleClub“, „Wissen2Go“ oder der „Mathe Youtuber“ Daniel Jung: Ihre und andere Lernvideos werden millionenfach geklickt. Tatsächlich ist audiovisuelles Lernen in Form von Webvideos für Jugendliche zwischen zwölf und 19 Jahren mittlerweile von großer Bedeutung und ein ganz normaler Teil ihres Alltags, wie die Studie des Rates für Kulturelle Bildung, ein von verschiedenen Stiftungen getragenes Beratungsgremium, nun ergab.

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sofatutor.com ist eine Online-Lernplattform für Schülerinnen und Schüler von der 1. Klasse bis zum Abschluss. Die Lerninhalte werden durch qualitätsgeprüfte Erklär- und Übungsvideos vermittelt und durch interaktive Übungen sowie Arbeitsblätter zum Ausdrucken gefestigt. Die Lernvideos fassen die jeweiligen Lerninhalte prägnant zusammen und orientieren sich an den aktuellen Lehrplänen der Bundesländer. Insgesamt stehen den Nutzerinnen und Nutzern über 12.500 werbefreie Lernvideos in 13 Fächern zur Verfügung.

Das Berliner Unternehmen arbeitet eng mit Schulen, Landesinstituten und Ministerien zusammen, um den pädagogisch sinnvollen Einsatz digitaler Medien in der Schule zu fördern. So wird sofatutor bereits bundesweit von zahlreichen Lehrerinnen und Lehrern sowie Schulklassen im Unterricht eingesetzt. Im Bundesland Bremen haben beispielsweise, im Rahmen einer Kooperation mit der Senatorin für Kinder und Bildung, alle Schulen jederzeit Zugriff auf die Inhalte der Online-Lernplattform. Insgesamt hat die Plattform in Deutschland, Österreich und der Schweiz bereits über 320.000 Nutzerinnen und Nutzer.

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Fast die Hälfte der Schülerinnen und Schüler finden YouTube für die Schule „wichtig“ bis „sehr wichtig“. YouTube-Videos sind bei dieser Gruppe vor allem zur Wiederholung von Inhalten aus dem Unterricht (73 Prozent), die nicht verstanden wurden, sowie für Hausaufgaben / Hausarbeiten (70 Prozent) „wichtig“ bis „sehr wichtig“. Hohe Bedeutung haben YouTube-Videos auch für die Vertiefung des Wissens und für die Vorbereitung auf Prüfungen.

„Selbstständige, informelle Praktiken des Lernens gewinnen an Bedeutung. Tutorials und Erklärvideos, die man sich überall und jederzeit beliebig oft ansehen kann, kommen offenbar den Erwartungen von Jugendlichen von eigenen Lernrhythmen und Lernzeiten entgegen“, so heißt es in der Studie. „Es ändern sich die Übungsformen der Schüler und damit auch die Voraussetzungen von Unterricht insgesamt“, meint Liebau. „Man kann, wenn man das Medium schulseitig bewusst einsetzt, Unterricht anders aufbauen und auf diese Weise mehr Platz für individuelle Fragen und für Reflexion im Unterricht finden. Und man kann sich zur pädagogischen Eigenproduktion audiovisueller Medien anregen lassen.“

Die Probleme landen wieder bei den Lehrern

Warum nutzen die Schüler Youtube? „Nach Ansicht der Schülerinnen und Schüler liegen die Vorteile von YouTube insbesondere in der Art und Weise, wie die Inhalte dort aufbereitet und präsentiert werden, in der ständigen Verfügbarkeit der Inhalte sowie in der Möglichkeit beliebig vieler Wiederholungen, die auch das Anhalten der Videos gewährleistet. Eine Reihe von Schülerinnen und Schülern weisen darauf  hin,  dass YouTube-Videos  „besser / verständlicher / einfacher / deutlicher /einprägsamer“ seien als der Unterricht in der Schule. Außerdem könnten die Gleichaltrigen in den Videos besser erklären“, so heißt es in der Studie.

Problematisch erscheint vor allem ein Aspekt: Stimmt überhaupt, was in den Videos vermittelt wird? Die Seriosität der online gratis verfügbaren Lehrvideos wird von den Schülerinnen und Schülern kaum hinterfragt. „Die Qualität des Unterrichts (vertrauenswürdige Informationen / fundierter, wissenschaftlich belegter Unterricht) sowie die Qualifikation der Lehrerinnen und Lehrer sieht nur ein geringer Teil der Befragten als Vorteil der Schule“, schreiben die Studienautoren.

Thomas Krüger, Ratsmitglied und Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, sieht das Angebot auf Youtube durchaus kritisch. „Bei der Bundeszentrale haben wir uns auch intensiv mit Influencern befasst unter dem Gesichtspunkt von Glaubwürdigkeit – das ist die Währung bei den Jugendlichen. Unserer Ansicht nach gibt es den Bedarf, dass man kritisch reflektieren muss, was deren Geschäftsmodelle sind – das sind ja werbefinanzierte Ausspielformen. Das muss auch zum Gegenstand von Unterricht gemacht werden, damit die Glaubwürdigkeit nicht einfach nur im Raume steht und nicht hinterfragt wird. Medienkritik und Medienökonomiekritik ist auch Teil der Medienbildung in Schule.“

Heißt: Die Probleme, die Youtube aufwirft, landen dann doch wieder bei den Lehrern. Deshalb lautet die Empfehlung des Rats für Kulturelle Bildung, digitale Wissens- und Vermittlungsformen aufzugreifen – aber stärker in die eigene Regie zu nehmen.  „Denn audiovisuelle Aufbereitungen schulischer Inhalte sind als spezifische Form der Wissensaufbereitung für die schulischen Vermittlungs- und Aneignungsformen sehr geeignet. Hier eigene, inhalts- und situationsangepasste Formate zu entwickeln, ist daher eine aussichtsreiche Entwicklungsstrategie für den schulischen Unterricht. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen müssen kurzfristig in die Fort- und Weiterbildung und langfristig in die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern einfließen. Die Methode ‚Flipped Classroom‘ verspricht zudem viele Entwicklungsmöglichkeiten für die Schulen“, so lautet die Schlussfolgerung. Agentur für Bildungsjournalismus

Hier geht es zu einem Bericht über die Reaktionen auf die Studie.

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Digitalisierung in Schulen mit itslearning und sofatutor in Bremen

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FElixa
4 Jahre zuvor

„Eine Reihe von Schülerinnen und Schülern weisen darauf hin, dass YouTube-Videos „besser / verständlicher / einfacher / deutlicher /einprägsamer“ seien als der Unterricht in der Schule. Außerdem könnten die Gleichaltrigen in den Videos besser erklären“, so heißt es in der Studie.“

Ich behaupte mal, dass das eher so gut wie alle sagen. Aus gutem Grund: Diese Videos werden ja meist als Wiederholung kurz vor der Klassenarbeit konsumiert und nicht als Einstieg in ein neues Thema. Ich nutze selbst Tutorials in verschiedenen Lebensbereichen. Mit einem Ziel: innerhalb kürzester Zeit die relevanten Inhalte umsetzen zu können. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich es auch verstanden habe. In Mathe werden klassischerweise die Inhalte rezeptartig in ein 5 Minuten Video gepresst. Danach kann man als Konsument dies auch durchaus umsetzen. Hat man dann die Mathematik dahinter verstanden? Ich denke nicht. Wenn das das Ziel ist, könnten Lehrer sich viel Arbeit ersparen und den Kernlehrplan statt in 13 in 4 Jahren vermitteln.

„Denn audiovisuelle Aufbereitungen schulischer Inhalte sind als spezifische Form der Wissensaufbereitung für die schulischen Vermittlungs- und Aneignungsformen sehr geeignet. Hier eigene, inhalts- und situationsangepasste Formate zu entwickeln, ist daher eine aussichtsreiche Entwicklungsstrategie für den schulischen Unterricht.“

Wie gesagt, nur bedingt. Das hängt sicherlich vom Fach ab, aber gerade in den MINT-Fächern bedarf es mehr als dem reinen Auswendiglernen von Verfahren. Zudem würde ich mal gerne sehen, wer das dann entwickeln soll? Die Lehrer? Wir haben mal ein semi-professionelles Erklärvideo entwickelt. Da gehen bei einer guten Konzipierung durchaus Arbeitszeiten im zweistelligen Bereich drauf. Nur für ein 5 Minuten Video.

„Die daraus gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen müssen kurzfristig in die Fort- und Weiterbildung und langfristig in die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern einfließen. Die Methode ‚Flipped Classroom‘ verspricht zudem viele Entwicklungsmöglichkeiten für die Schulen“, so lautet die Schlussfolgerung.“

Und dann? Ich persönlich finde das Flipped Classroom Prinzip auch gut, aber eben nicht für alle Schüler. Diese Methode muss man aber auch nicht zwingend mit Video oder Audio umsetzen, wird jedoch gerne mit dieser Art zu lernen gleichgesetzt.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  FElixa

Flipped Classroom hat den großen Nachteil, dass es dem Hausaufgabenerlass im Ganztag widerspricht. In leistungsstarken und besonders -willigen Klassen kann das funktionieren, in normalen oder gar den berühmten heterogenen Klassen habe ich sehr große Zweifel.

FElixa
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Das sehe ich genauso wie Sie. Ich finde diesen Ansatz, wie bereits gesagt, durchaus interessant. Wir haben den Vorteil, dass wir nur 3 lange Tage haben. Insofern gibt es die Möglichkeit solch ein Konzept auch zu erproben. Es sollte aber eben eine Methode von vielen sein. In heterogenen Klassen braucht man das wirklich nicht versuchen. Da fehlt die Motivation und oftmals auch die Fähigkeit sich ohne Rückfragen bei Schülern oder Lehrern das Thema anzueignen. Genauso hängen diese Kinder in der Luft, wenn man eben die Vorbereitung/Hausaufgabe nicht gemacht hat.

xxx
4 Jahre zuvor
Antwortet  FElixa

Es ist halt wie so oft: Von den so genannten modernen Unterrichtsmethoden können die starken und willigen Schüler profitieren, die anderen brauchen eine starke Führung und intensive Betreuung. Abgesehen davon gibt es viele Unterrichtsinhalte, an denen auch sehr gute Schüler scheitern können. Lineare Funktionen oder quadratische Gleichungen zum Beispiel mache ist nie mehr in Eigenverantwortung der Schüler. Ich habe es mehrfach unterschiedlich versucht und es ging immer in die Hose, weil zu viele Schüler es nicht ernst genug genommen haben.

GriasDi
4 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Zu den Erfahrungen mit Flipped Classroom empfehle ich die Videos von Jörn Loviscach, der seit Jahren diese Methode verwendet und in seinen Videos auch sehr eindrücklich auf die Schwächen dieser Methode eingeht. Bei dessen „Kundschaft“ handelt es sich um Student_innen.
Und wenn diese von ihm genannten Schwächen schon bei Student_innen auftreten möchte ich gar nicht erst wissen, was bei Schüler_innen ist.

Ein Link zu einem solchen Vortrag von Jörn Loviscach.
https://www.youtube.com/watch?v=6o5fg8okOxI&t=26s
dort gibt es auch noch weitere Erfahrungsberichte von ihm.

FElixa
4 Jahre zuvor
Antwortet  GriasDi

Ich wollte gerade sagen, dass seine Zielgruppe doch Studenten sind. Der Vergleich ist natürlich schwierig, da man als Student z.B. auch keine stärkere Kontrollinstanz hat. In der Schule falle ich als Schüler sofort auf, wenn ich mir das Video nicht vorher angesehen habe, in der Uni kann ich in der Masse untertauchen. Dennoch ist es gut diese Methode zu erproben und kritisch zu hinterfragen.

„Wenn unsere Schüler sich das Wissen so intensiv, so gewissenhaft und so oft via Youtube aneignen würden, warum jammern dann alle, dass die Schüler nix mehr können?“

Weil da wieder Augenwischerei betrieben wird. Ja Lernvideos sind nützlich, aber Sie sind eben ein weiteres Lernmittel, neben vielen anderen. Es gibt diverse Lerntypen. Nicht jeder liest gerne seitenlange Texte, aber auch nicht jeder schaut sich gerne ein Video an, um zu lernen.

„Und wenn ich mir die Videos von TheSimpleClub ansehe, dann werden dort nur Phänomene beschrieben aber kaum etwas erklärt.“

Das ist ja die Krux der Videos. Es wird behauptet (meist von den Machern) Sie könnten es wesentlich einfacher und kürzer erklären. Im Grunde geht es in den Videos nur darum Wissen aufzusaugen und anzuwenden. Die Inhalte, wie z.B. in Mathe, zu verstehen ist nicht das Ziel. Deswegen sagte ich ja, dass man als Lehrer auch jede Stunde in 5 Minuten eine Definition und ein Beispiel anschreibt und dann erwartet, dass die Schüler damit arbeiten können. Das wird sogar klappen, nur geht es heutzutage weniger darum ein beliebiges Verfahren zu lernen und anzuwenden, als selber solche Verfahren zu erleben und sich zu erarbeiten.

GriasDi
4 Jahre zuvor
Antwortet  FElixa

Laut der Psychologin Elsbeth Stern gibt es keine verschiedenen Lerntypen.
Dazu wurden auch Experimente gemacht, wonach sich die Probanden einschätzen sollten, welcher Lerntyp sie sind. Festgestellt wurde, dass diejenigen die meinten, besser zu lernen, wenn sie etwas hören nicht besser abgeschnitten haben als diejenigen, die meinten etwas besser zu lernen, wenn sie es sehen usw.

GriasDi
4 Jahre zuvor
Antwortet  FElixa

Was Videos vor allem können: Sie fördern die Verstehens-Illusion. Diejenigen, die ein solches Video ansehen meinen nur etwas verstanden zu haben, weil sie anschließend nicht entsprechend üben. (Auch darüber gibt es schon Forschungsergebnisse)

GriasDi
4 Jahre zuvor

Wenn unsere Schüler sich das Wissen so intensiv, so gewissenhaft und so oft via Youtube aneignen würden, warum jammern dann alle, dass die Schüler nix mehr können?
Mit alle ist gemeint:
Fahrlehrer – immer mehr Fahrschüler fallen durch die theoretische Führerscheinprüfung
Unis
Ausbildungsbetriebe
Polizei – die Kriterien zur Aufnahme bei der Polizei wurden erst kürzlich drastisch zurückgeschraubt
usw.

Die Absicht dieser Meldung scheint mir folgende zu sein:
Seht her Bevölkerung, unsere Jugend nutzt das Netz sinnvoll. Deswegen müsst ihr euren Kindern digitale Endgeräte kaufen, deswegen müssen digitale Endgeräte in die Schulen usw.
Ziemlich durchsichtig das Ganze.

Und wenn ich mir die Videos von TheSimpleClub ansehe, dann werden dort nur Phänomene beschrieben aber kaum etwas erklärt.