Wissenschaftlerin: Warum leichte Sprache notwendig, aber nicht leicht zu schreiben ist

0

MAINZ. Leichte Sprache soll Formulare, Internetseiten oder andere Texte verständlicher machen. Das geht an vielen Stellen noch besser, sagt eine Sprachwissenschaftlerin der Uni Mainz. Hier forscht ein Kolleg extra zu dem Thema.

Einfache Sprache soll sich möglichst allen Menschen erschließen. Illustration: Shutterstock

Bei der sogenannten Leichten Sprache etwa für Menschen mit Lernbeeinträchtigungen sieht die Sprachwissenschaftlerin Silvia Hansen-Schirra noch Verbesserungspotenzial. Es gebe mittlerweile zwar ein breites Angebot an Texten in Leichter Sprache und auch einen Duden-Ratgeber dazu. Fraglich sei aber, ob die verwendete Leichte Sprache immer verständlichkeitsfördernd sei, sagte sie im Gespräch in Mainz. Leichte Sprache könne vermutlich je nach Zielgruppe noch ausdifferenzierter werden.

Mit dem Thema Leichte Sprache beschäftigt sich seit September 2018 ein zehnköpfiges Graduiertenkolleg der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität namens «Einfach komplex – Leichte Sprache». Hansen-Schirra ist Teil der Leitung. Unter anderem wird mit EEG- und MRT-Technologie bei Probanden ergründet, wie Leichte Sprache im Gehirn verarbeitet wird. Auch werde mit Hilfe von Eye-Trackern geschaut, wie sich das Auge der Leser bewege, wo gestockt oder auch aus einem Text ausgestiegen werde, erklärte die Wissenschaftlerin, die am Institut für Englische Sprach- und Übersetzungswissenschaft der Mainzer Uni am Standort Germersheim tätig ist.

Genitiv wird nicht immer verstanden

Erste Ergebnisse des Kollegs zeigten etwa, dass der Genitiv nur in bestimmten Fällen funktioniere, erklärte Hansen-Schirra. Fraglich sei auch, ob komplexe Substantive immer problematisch seien oder häufig gebrauchte durchaus auch in der Leichten Sprache verwendet werden können. Die Arbeit des Kollegs wird am (heutigen) Donnerstag bei einem Informationsforum im Landesmuseum in Mainz vorgestellt.

Hansen-Schirra sagte, in erster Linie sei Leichte Sprache für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen, also Lernschwierigkeiten gedacht. Einer Studie der Uni Hamburg zufolge hatten im vergangenen Jahr bundesweit rund 6,2 Millionen der Deutsch sprechenden Erwachsenen zumindest Probleme beim Lesen und Schreiben.

Hansen-Schirra sagte, viele Institutionen und Einrichtungen böten mittlerweile Texte oder Formulare in Leichter Sprache an oder planen dies, ein Beispiel seien Aufklärungsbögen von Kliniken. Leichte Sprache könne auch Menschen mit Migrationshintergrund helfen und etwa Behördengänge erleichtern. Das Übersetzen herkömmlicher Texte in Leichter Sprache sei indes gar nicht einfach, weil mitunter komplexe Sachverhalte verkürzt, aber korrekt dargestellt werden müssten. «Leichte Sprache ist nicht leicht», sagte die Wissenschaftlerin. dpa

Hier geht es zu den Regeln der Leichten Sprache vom Netzwerk Leichte Sprache.

Bessere Bildungschancen für Migrantenkinder: Aktionsrat empfiehlt leichtere Sprache im Unterricht

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments