Ausbildung: Digitale Inhalte kommen in Betrieben und Berufsschulen zu kurz

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MAINZ. Fachkräftemangel und Digitalisierung: Die Wirtschaft steht vor großen Herausforderungen, händeringend sucht sie Nachwuchs. Doch bei dessen Ausbildung mangelt es laut Deutschem Gewerkschaftsbund an zentraler Stelle. Allein ist der DGB mit der Kritik nicht.

Von einer Ausbildung 4.0 kann vielerorts keine Rede sein. Illustration: Shutterstock

Auszubildende werden nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) nur unzureichend auf die komplexe und technisch geprägte Arbeitswelt vorbereitet. Der rheinland-pfälzische DGB-Landeschef Dietmar Muscheid sieht «dringenden Handlungsbedarf» und forderte am Mittwoch bei der Vorstellung des DGB-Ausbildungsreports für 2019 eine bessere Ausstattung vor allem in den Berufsschulen. «Marode und heruntergekommene Gebäude sowie fehlende technische Ausstattung und ein Mangel an Lehrpersonal sind keine Grundlage für eine Ausbildung 4.0», sagte er.

Für den Report hat der DGB nach eigenen Angaben im September 2018 lin Rheinland-Pfalz knapp 1000 Azubis befragt, von Industriemechanikern bis hin zu Friseuren oder medizinischen Fachangestellten. Unter dem Strich gab knapp die Hälfte an, in der Ausbildung nicht gezielt für die Nutzung digitaler Technologien qualifiziert zu werden.

Zwei Drittel aller Azubis bekommen keine IT zur Verfügung gestellt

Zwischen den einzelnen Branchen variierte dieser Wert allerdings stark: Bei Fachinformatikern antworteten beispielsweise 92,5 Prozent mit «Ja» oder «eher ja» auf die Frage, ob sie gezielt qualifiziert werden. Bei Kaufleuten für Büromanagement waren es 70,5 Prozent, auf den niedrigsten Wert kamen Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk mit nur 13,5 Prozent.

Die Bezirksjugendsekretärin des DGB Rheinland-Pfalz/Saarland, Maria Leurs, sagte, die Digitalisierung im Lebensmittelhandwerk spiele auf den ersten Blick keine so große Rolle, doch das täusche. In Bäckereien und Metzgereien hätten Fachverkäufer mit digitalen Kassensystemen zu tun – und das werde angesichts der zum Jahresbeginn eingeführten Kassenbonpflicht mehr. Zudem seien beispielsweise Häcksler oder Backautomaten in Betrieben im Einsatz.

Dem DGB-Ausbildungsreport zufolge bekommen branchenübergreifend zwei Drittel der Azubis keine technischen Geräte wie Smartphones, Tablets oder Laptops von ihrem Betrieb. Die Ausstattung der Berufsschulen beurteilten rund 35 Prozent der Befragten als mangelhaft oder allemal ausreichend. Eine angemessene Ausstattung reiche vom Beamer über Whiteboards und Laptops bis hin zu Simulationsprogrammen, um das Führen von Maschinen zu trainieren, erläuterte Leurs. Betriebe argumentierten meist mit den Kosten für die Geräte. Häufig spielten sich sie und die Schulen gegenseitig den Ball zu. «Die Verlierer sind am Ende die Auszubildenden.»

Verband der Berufsschullehrer sieht großen Nachholbedarf

Auch der Verband der Berufsschullehrer sieht Probleme. Die digitale Transformation des Unterrichts in der Berufsschule komme in weiten Teilen von Rheinland-Pfalz nicht so richtig voran, sagte der Landesvorsitzende Harry Wunschel im Gespräch. «Von einem digitalisierten Unterricht auf Augenhöhe mit der Wirtschaft sind wir noch sehr weit entfernt, wenn dies überhaupt vom Land angestrebt wird.»

In der Fläche warteten viele berufsbildende Schulen noch immer auf den Aufbau eines schnellen WLAN-Netzes. Benötigt werde für jeden Schüler der Zugang zu Geräten wie Tablet oder Laptop in der Schule, es brauche in Berufsschulen auch branchenspezifische und branchenübergreifende Software. Dies könnten die Schulträger nicht immer finanziell stemmen, das Land müsse zur Seite stehen. Auch die Weiterbildung für viele Lehrkräfte werde vom Land immer noch «sehr stiefmütterlich behandelt», kritisierte Wunschel.

Auch abseits der Digitalisierung sieht der DGB Mängel. Angebot und Nachfrage klafften am Ausbildungsmarkt weiter auseinander, sagte Muscheid. Etwa 77 800 Menschen zwischen 20 und 30 Jahren seien in Rheinland-Pfalz ohne abgeschlossene Berufsausbildung und derzeit auch nicht in einer Bildungsmaßnahme – 16 Prozent in der Altersgruppe. Unbesetzt blieben häufig Ausbildungsplätze, die bei Azubi-Befragungen negativ beurteilt würden, etwa im Dienstleistungssektor.

Leurs beklagte zudem, über 38 Prozent der für den Report befragten Azubis müssten regelmäßig Überstunden schieben. Knapp 16 Prozent der Azubis sagten dem DGB zufolge, häufig oder immer ausbildungsfremde Tätigkeiten erledigen zu müssen. Beim vorangegangenen Report von 2018 waren das Leurs zufolge erst rund zehn Prozent gewesen. Nichtsdestotrotz sind rund 67 Prozent der Azubis mit ihrer Ausbildung zufrieden oder sehr zufrieden.

Unternehmer sehen Defizite vor allem bei den Berufsschulen

Der Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung Unternehmerverbände, Karsten Tacke, bilanzierte: «Der Ausbildungsreport belegt die hohe Qualität der dualen Ausbildung und bestätigt damit den Einsatz der Ausbildungsbetriebe.» Für die meisten Unternehmen sei die Ausbildung das wichtigste Instrument, um den Bedarf an Fachkräften zu decken. Es werde sehr wohl auf die Vermittlung digitaler Kompetenzen gesetzt. «Wir kommen bei diesem Thema jedoch nur voran, wenn alle Berufsschulen im Land technisch und didaktisch besser aufgestellt sind.» dpa

DGB-Ausbildungsreport: Zufriedenheit der NRW-Azubis auf dem Tiefpunkt

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