Wie aus Fremden Freunde werden – Begegnungsprojekt untersucht „Narrativ des Anderen“

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MÜNCHEN. Über ein halbes Jahr hinweg trafen sich Jugendliche aus Bayern, Sachsen und Jordanien in einem Begegnungsprojekt. Die Begleitforschung zeigt, dass sich durch derartige Projekte Konstruktionen und Zuschreibungen von Jugendlichen gegenüber dem vermeintlich „Anderen“ bzw. „Fremden“ verändern lassen.

Reality TV hat allgemein einen schlechten Ruf. Das dabei durchaus produktive Dinge entstehen können, zeigt ein filmisch begleitetes, gemeinsames Begegnungsprojekt der Hochschule München (HM) und der German-Jordanian University (GJU): 24 Jugendlichen aus Bayern, Sachsen und Jordanien, die alle eine Ausbildung absolvieren und zum Teil aus Ländern wie Syrien, Sierra Leone und Afghanistan geflüchtet sind, trafen sich für jeweils eine Woche an verschiedenen Orten in Deutschland und Jordanien. Nach einigem zeitlichen Abstand fanden erneut Treffen statt.

Musik hilft dabei, Grenzen zu überwinden. Foto: rtaleux0 / Pixabay (p.l.)

In dem Projekt „Wie lebst denn Du? – Das Narrativ des Anderen kennenlernen“ (NaAnke) beobachteten Wissenschaftler um Professor Constance Engelfried, wie sich das Verhalten und die Einstellungen von Jugendlichen zu den zunächst „Fremden“ änderten. Narrative sind sinnhafte Erzählungen der einzelnen Jugendlichen über die vermeintlich „Anderen“, die Werte transportieren und emotional aufgeladen sind.

Hip-Hop als Kommunikationsmittel
In Workshops gestalteten die Jugendlichen zusammen Bilder zum Thema Heimat, begegneten sich über Tanzperformances oder machten miteinander Musik. „Hip-Hop war, vor allem für einige der Jungs, ein wichtiges Mittel der Kommunikation. Durch das gemeinsame Interesse, die Musik, stellten die Jugendlichen fest, dass es keine Rolle spielt, aus welchem Land jemand stammt oder welche Sprache er spricht“, resümiert Engelfried.

Durch die lange gemeinsame Zeit sei bei den Teilnehmern eine „Beziehungstiefe“ entstanden. Spezifische, pädagogische Settings wie Workshops in Kleingruppen oder ein Ausflug in das Flüchtlingscamp Zaatari, sechs Kilometer nahe der syrischen Grenze, konnten durch die wiederholten Treffen realisiert werden.

„Wir konnten das Verhalten und die Einstellungen der Jugendlichen im Projektverlauf mit unterschiedlichen Forschungsmethoden untersuchen und die verschiedenen Narrative an den einzelnen Orten oder zu diversen Themen freilegen“, sagt die Forscherin.

Freundschaften verändern Narrative
Durch das Eintauchen der Jugendlichen in die verschiedenen Lebenswelten sowie die durch die Workshops gefundenen gemeinsamen Interessen hätten sich Freundschaften ergeben, durch die sich viele der zu Beginn des Projekts konstruierten Narrative verändert hätten. Dies formulierten die Jugendlichen zum Schluss mit dem Satz: „Fremde sind nur Freunde, die wir noch nicht kennengelernt haben“. Maya Ostrowski, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Projekts hebt noch einen weiteren Befund hervor: „Dadurch, dass Jugendliche mit und ohne Fluchterfahrung in dem Begegnungsprojekt Freundschaften schlossen, zeigte sich dessen großes Potenzial und Relevanz für die Lebenswelten der Jugendlichen.“

Die Forscherinnen setzten teilnehmende Beobachtung, die Analyse von Videomaterial sowie Experteninterviews mit den betreuenden Pädagogen als Forschungsmethoden ein. Bei der Analyse ihres Materials nutzten sie bewusst keine vorgefertigten Indikatoren, sondern suchten offen nach Kategorien, die eine wichtige Rolle für die Jugendlichen spielten. Unabhängig voneinander stießen sie auf die wiederkehrenden Themen Medienkritik, Flucht, Fremdheit und Alltagsrassismus, Geschlechterverhältnisse sowie Freundschaft. „Dass sich in allen drei Kontexten ähnliche Kategorien ergaben, war für uns ein Beleg, dass diese Form der qualitativen Wirkungsforschung optimal war, um Neues herauszubekommen“, fasst Engelfried zusammen. (zab, pm)

• Das Buch zur Studie „Das Narrativ des Anderen kennenlernen. Intersektionale Wirkungsforschung in einem deutsch-jordanischen Jugendbegegnungsprojekt“ mit Begleit-DVD erscheint Mitte Februar.

Jugend 2019: optimistisch, tolerant, umweltbewusst – und in großen Teilen populistisch. VBE: Demokratiebildung stärken!

 

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