Politische Bildung wird in der Sekundarstufe I nur in wenigen Bundesländern kontinuierlich unterrichtet, bemängeln Bielefelder Wissenschaftler. In Bayern ist demnach sogar nur ein halbes Jahr vorgesehen.
Politik steht für Schüler der Sekundarstufe I nur mit Unterbrechungen und erst spät auf dem Stundenplan. In sechs deutschen Bundesländern wird politische Bildung frühestens ab der 8. Klasse unterrichtet, in Bayern erst ab der 10. Klasse. Nur in Nordrhein-Westfalen kann das Fach in vier aufeinanderfolgenden Schuljahren zweistündig unterrichtet werden. Zum dritten Mal haben für 2019 Reinhold Hedtke und Mahir Gökbudak von der Universität Bielefeld das „Ranking Politische Bildung“ erstellt. Für das Ranking verglichen sie den Stellenwert politischer Bildung in Schulen der Sekundarstufe I in allen Bundesländern.
Wann und wie kontinuierlich politische Bildung in der Sekundarstufe I unterrichtet wird, stand im Fokus der aktuellen Rangliste. „Wir sehen im dritten Jahr unseres Rankings: Wie viel politische Bildung junge Bürger in der Schule erhalten, hängt in Deutschland davon ab, in welchem Bundesland sie zur Schule gehen. Von einer Gleichwertigkeit der politischen Bildung kann keine Rede sein“, fasst Reinhold Hedtke das Ergebnis zusammen.
Demnach findet politische Bildung in drei Viertel der Bundesländer in den 5. und 6. Klassen nicht statt, in sechs Bundesländern frühestens ab der 8. Klasse. „Auch wenn wir aus anderen Studien wissen, dass Schüler bereits im Grundschulalter politisch interessiert sind, können sie sich in der Schule erst spät mit politischen Inhalten auseinandersetzen“, so Hedtke.
„Wir sehen und bemängeln auch, dass politische Bildung nur in wenigen Bundesländern kontinuierlich unterrichtet wird“, fügt Mahir Gökbudak hinzu. Lediglich in Nordrhein-Westfalen sei zweistündiger Politikunterricht durchgängig in den Klassen 5 bis 8 möglich, in Hessen, Niedersachsen, Sachsen, und Schleswig-Holstein in drei aufeinanderfolgenden Schuljahren.
In sechs Bundesländern setzt politische Bildung erst ab der 8. Klasse oder später ein und ist im Extremfall Bayern nur für ein halbes Jahr vorgesehen.
Die Bielefelder Forscher verglichen auch, welchen Stellenwert politische Bildung im Vergleich zur Berufsorientierung in den Bundesländern einnimmt. Sie ermittelten, dass dafür in den exemplarisch untersuchten Bundesländern Niedersachsen und Baden-Württemberg im Vergleich zur politischen Bildung relativ viel Lernzeit verbindlich vorgeschrieben sei. Das betreffe vor allem das Schülerbetriebspraktikum. „In allen Bundesländern sind Angebote zur außerschulischen politischen oder Demokratiebildung im Gegensatz zur ökonomischen Bildung gar nicht verbindlich vorgesehen“, sagt Reinhold Hedtke.
Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Hessen gehören insbesondere bei Länge, Kontinuität und zeitlicher Platzierung politischer Bildung im Verlauf der Sekundarstufe I zu den Spitzenreitern im Ranking für 2019. Bayern, Thüringen und Rheinland-Pfalz schneiden im aktuellen Ranking erneut am schlechtesten ab. „Wir sehen aber auch, dass unsere bisherigen Ergebnisse von der Bildungspolitik aufgegriffen werden – in Berlin und Sachsen wurde der Anteil politischer Bildung am Gesamtunterricht ausgebaut“, so Reinhold Hedtke.
Für ihre Rankings zur politischen Bildung untersuchen die Bielefelder Forscher seit drei Jahren die Stundentafeln der Sekundarstufe I in allen Bundesländern. Darüber, welche Qualität dieser Unterricht hat, gibt das Ranking keinen Aufschluss. (pm)
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