Oberverwaltungsgericht: Schulverweis nach Notwehr war rechtswidrig

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MÜNSTER. Nach einer folgenschweren Schlägerei unter Schülern, bei der ein 14-Jähriger lebensgefährlich verletzt worden war, durfte der Kontrahent dennoch nicht von der Schule verwiesen werden. Das hat das NRW-Oberverwaltungsgericht in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss entschieden (Az.: 19 E 477/20). Der Schüler habe in einer Abwehrsituation gehandelt, deshalb sei ihm kein gravierendes Fehlverhalten vorzuwerfen, erklärte das Gericht. Der Verweis sei damit unverhältnismäßig und deshalb rechtswidrig.

Das Gericht hat geurteilt. Foto: Shutterstock

Zwei 14-Jährige waren Ende August vergangenen Jahres an einer Bushaltestelle vor einer Schule in Xanten in Streit geraten. Das spätere Opfer hatte nach den Feststellungen des Gerichts den anderen Jungen mit mehreren Faustschlägen angegriffen. Der Schüler wehrte sich, der Angreifer ging zu Boden und erlitt einen Schädelbruch mit massiven Gehirnblutungen. Das strafrechtliche Verfahren wegen schwerer Körperverletzung war wegen Notwehr eingestellt worden, die Schule hatte den 14-Jährigen jedoch entlassen.

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Diesen Beschluss muss sie nun zurücknehmen, auch wenn der Schüler längst eine andere Schule besucht. Das Rechtsschutzbedürfnis bestehe weiter, erklärte das Gericht, denn ein Schulverweis könne negative Auswirkungen auf die weitere Schullaufbahn des Jungen haben. dpa

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Jack
3 Jahre zuvor

Interessant.
Unser Kind wurde „geschubst“ und hat sich mit einem Abwehrtritt gewehrt um den Angreifer abzuwehren…den Tritt hat ein Lehrer gesehen (nicht was davor geschah ! ) Und es wurde ein Schulverweis angedroht weil körperliche Gewalt nicht in der Schule geduldet wird. Ist so weit klar aber man differenziert hier offenbar nicht mehr was Angriff und Verteidigung ist…ich habe aus gutem Grund mein Kind so erzogen sich nichts gefallen zu lassen bzw. Sich zu wehren ( habe vom Gegenteil nur schlechte eigene Erfahrungen gemacht auch noch die linke Backe hin zu halten….das ist heutzutage definitiv nicht mehr angebracht). Meines Erachtens sind manche Schulen bzw. Lehrer deutlich aus der Zeit gefallen…das Opfer ist das Problem…
Ein sich wehrendes Kind überlegt nicht erst ob es zurück schlagen/treten darf sondern entscheidet das spontan um Gewalt gegen die eigene Persönlichkeit zu entgegnen. Der eine schlägt zurück der andere nicht ..man kann aber von einem Kind nicht erwarten erst Mal Google zu fragen wenn es in einer solchen Situation ist.
Sollte mein Kind einen Verweis kassieren weil es sich gewehrt hat ist für mich die Kacke aber sicher am Dampfen. Gutes Urteil.

dickebank
3 Jahre zuvor

Sie kennen den Unterschied zwischen Androhung der Entlassung von der eigenen Schule und der Entlassung von der eigenen Schule?
Der Einsatz körperlicher Gewalt ist grundsätzlich ein Fall für die Andohung der Entlassung, egal von wem die Gewalt ausgeht.

Wenn das Urteil die Entlassung von der Schule im geschilderten Fall zurücknimmt, dann vermutlich wegen Fehlern die auf Seiten der Teilkonferenz für Ordnungs- und Erziehungsmaßnahmen und von der Schulaufsicht als Widerspruchsbehörde gemacht worden sind. Ohne Androhung der Entlassung in einem vergleichbaren Fall bzw. bei einem gleichen Anlass, in den der Schüler verwickelt war, kann die entlassung nicht ausgesprochen werden.

Wieso Sie das Problem allein bei aus der Zeit gefallenen Lehrkräften sehen, weiß ich jetzt nicht. In NRW gehören einer Teilkonferenz für Ordnungs- und Erziehungsfragen sowohl Eltern- als auch Schülervertreter an.

Marco
1 Jahr zuvor
Antwortet  dickebank

Eine Entlassung ist nicht Rechtskräftig, wenn man Einspruch einlegt, dass war auch im Artikel der Fall.

dickebank
1 Jahr zuvor
Antwortet  Marco

Rechtskräftig oder rechtswirksam? Ob der Einspruch gegen die Ordnungsmaßnahme aufschiebende Wirkung hat, liegt doch nicht bei der Schule sondern bei der Bezirksregierung, die in diesem Fall ja Widerspruchsbehörde ist.
Die Frage, die das Gericht zu entscheiden hatte, war, ob die Entlassung von der eigenen Schule die angemessene Ordnungsmaßnahme gewesen ist.

Das Schulgesetz NRW sieht folgende Ordnungsmaßnahmen vor:
Verweis (vormals schriftlicher Tadel), die mildeste Maßnahme;
Ausschluss vom Unterricht für bis zu max. 2 Wochen;
die Versetzung in eine parallele Lerngruppe;
Androhung der Entlassung von der Schule;
Entlassung von der Schule;
Androhung der Entlassung von öffentlichen Schulen des Regierungsbezirks;
Entlassung von öffentlichen Schulen des Regierungsbezirks;
Androhung der Entlassung von allen öffentlichen Schulen des Landes;
Entlassung von allen öffentlichen Schulen des Landes.